Wie neutral ist Hans Blix?

Irak/USA Der Diplomat Hans von Sponeck über ein sinnvolles Inspektionsregime und die Integrität des Chefinspektors

Von 1998 bis 2000 war der deutsche Diplomat Hans von Sponeck im Irak Koordinator des UN-Programms Oil for Food und hat sich danach als Gegner eines neuen Golfkrieges profiliert. Die neue UN-Resolution 1441 ist für ihn nur dann sinnvoll, sollte sie in Inspektionen münden, bei denen nicht der kleinste Vorfall schon für den casus belli sorgt. Doch dafür gibt es - bis hin zur Person des Chefinspektors - keine Garantien.

FREITAG: Die irakische Regierung wird zähneknirschend, so hat es jedenfalls zu Wochenanfang den Anschein, die Bedingungen der UNO erfüllen. Ist damit ein Krieg verhindert oder doch nur verzögert?
HANS VON SPONECK: Den USA kommt diese Einigung im Sicherheitsrat enorm ungelegen. Das Weiße Haus will die Operation Irak unbedingt zu Ende bringen. Ich befürchte daher, dass man versuchen wird, einen Zwischenfall bei den Inspektionen zu provozieren, was kein riesiges Problem ist. Da muss nur ein irakischer Soldat die Nerven verlieren und zu schießen beginnen - schon haben wir einen Auslöser zur Eskalation. In einem solchen Fall dürfte der Sicherheitsrat gar nicht mehr zusammenkommen, da wird in Washington auf den Knopf gedrückt.

Wird bei einem Zwischenfall nicht zunächst Hans Blix als Chef von UNMOVIC zu entscheiden haben, ob das ausreicht, die Inspektionen abzubrechen?
Auf ihn kommt eine höchst verantwortungsvolle Aufgabe zu. Die beginnt schon mit der Auswahl des Personals. Wenn er wieder mit Inspektoren arbeitet, die sich für die Interessen eines Staates instrumentalisieren lassen und Spionage betreiben, ist die Mission zum Scheitern verurteilt. Ich würde an Blix´ Stelle äußerst vorsichtig sein, abermals Leute zu beschäftigen, die schon für UNSCOM (s. Kasten links) zwischen 1991 und 1998 tätig waren. Es wird darauf ankommen, dass Blix zumindest in den ersten Wochen der Inspektionen selbst vor Ort ist und nicht in New York bleibt. Er muss die Möglichkeit haben, schnell zu reagieren, wenn Probleme auftauchen.

Wie sollten die Inspektionen beginnen?
Es sind rund 700 Orte zu inspizieren, an denen Produktionsstätten von biologischen, chemischen und nuklearen Waffensystemen vermutet werden. Es wäre sinnvoll, zuerst jene mutmaßlichen Fabrikationsterminals nuklearer Waffen zu untersuchen, die das vor einiger Zeit veröffentlichte britische Dossier auflistet. Das wird möglicherweise recht peinlich für Amerikaner und Briten. Sie werden nur einen Bruchteil dessen finden, was in diesem Dossier steht. Wenn also Inspektoren der Wiener Atomenergiebehörde IAEA in besagten Fällen zuerst tätig werden, könnte das eine Signalwirkung haben und zeigen, was von vielen Verdächtigungen zu halten ist.

Ist Hans Blix noch immer der richtige Mann für diese Mission? Er hat sich zwar bei den Wiener Verhandlungen mit dem Irak als integer erwiesen, danach allerdings auf Zuruf mit der Bush-Administration agiert.
Das Verhalten von Blix nach den Wiener Verhandlungen ist beispiellos. Ich war lange Jahre bei der UNO, aber noch nie hat es ein Präsident der USA geschafft, ein Mitglied aus dem Stab des UN-Generalsekretärs in sein Büro zu zitieren. Dass Blix Außenminister Powell getroffen hat, mag noch angehen, aber Bush zu treffen, war ein schwerer Fehler. Er hat damit Kompetenzen überschritten und war abrupt mit einer politischen Aufgabe konfrontiert, die dem UN-Generalsekretär überlassen bleiben muss. Das wirft die Frage auf, ob Blix überhaupt noch neutral sein kann, wenn er in Bagdad ist. Aber Hans Blix ist ein ehrlicher Mann, er wird das wieder reparieren.

Nehmen wir an, der Irak würde mit den UN-Inspektoren kooperieren. Was sollte dann mit dem "Oil for Food"-Programm passieren?
Die größte Gefahr für den irakischen Diktator ist die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen. Dann könnte das Land wieder mehr Einflüssen aus dem Westen unterworfen sein, und die Menschen würden feststellen, dass sie nicht von der Gnade eines Regimes abhängig sind, das ihnen monatlich einen Lebensmittelkorb zustellt, wie das bei "Oil for Food" passiert. Vielleicht könnte sich bei einer Aufhebung dieser schrecklichen Sanktionen wirklich eine Opposition entwickeln. Aber es ist völliger Irrsinn, wenn die Amerikaner glauben, man könnte mit dem Fallschirm einen irakischen Hamid Karsai abspringen lassen und die Demokratie etablieren. Das ganze "Oil for Food"-Programm war ein extremer Fehler. Es hätte Sanktionen gegen das Regime, aber nicht gegen die Irakis geben müssen.

Das Gespräch führte Martin Schwarz

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