Wie wichtig ist erfolgreiches Spendensammeln, Herr Gebauer?

Aktuell Nachgefragt

FREITAG: Hat die Krise bei Unicef dazu geführt, dass auch Ihre Mitglieder genauer wissen wollen, was mit den Spenden geschieht?
THOMAS GEBAUER: Es gab zwei, drei Nachfragen, doch ich glaube, dass medico von der Verunsicherung weniger betroffen ist. Denn wir verzichten auf externe Spendensammler und setzen auf eine kritische Öffentlichkeitsarbeit, die sich nicht davor scheut, die Komplexität von Elend und Hilfe darzustellen.

Warum setzten Sie nicht auf professionelle Spendensammler?
Sicher gibt es Fundraiser, die sich von ethischen Überlegungen leiten lassen, uns aber erscheint professionelles Fundraising gefährlich nahe am Business.

Inwiefern verspürt medico einen Druck, sich modernem Fundraising anpassen zu müssen?
Sicher sind andere besser im Geldsammeln, aber die Welt leidet ja nicht an zu wenig Hilfe, sondern an Verhältnissen, die immer mehr Hilfe notwendig machen. Die Not ist letztlich nur politisch zu überwinden - und da sind wir gut aufgestellt.

Wie verträgt sich der Trend zur Kommerzialisierung mit dem Auftrag zum Helfen?
Mit Sorge betrachte ich, dass Öffentlichkeitsarbeit zu einem Marketing verkommt, das Spendern ein gutes Gefühl verkaufen will. Schauen Sie sich nur die emotionalisierenden Bilder von dankbar lächelnden Kindern an. So lassen sich erfolgreich Spenden sammeln, doch verzerrt genau das unseren Blick auf die Realität. Hilfe muss an sozialen und politischen Strukturen ansetzen.

Sie meinen, dass das vergessen wird?
Ja. Wer spricht denn in der Spenderwerbung noch über die EU-Agrarsubventionen oder den Waffenhandel, aus denen das Elend resultiert. Wenn Fundraising dies ausblendet und allein das bedürftige Individuum in den Mittelpunkt stellt, wirkt das zurück auf die Vorstellungen von wirksamer Hilfe: Es zählt dann nur die zupackende Aktion. Jean-Paul Sartre sah darin einen "rassistischen Humanismus", weil das Elend nicht mehr als Folge der Dominanz des Nordens gedeutet wird, sondern anscheinend allein den Menschen im Süden anhaftet.

In den USA etwa werden die Gehälter des Vorstandes von Unicef veröffentlicht. Sollte dies auch hier eingeführt werden?
Ja, aber Transparenz muss nicht nur Einblicke in die wirtschaftliche Sphäre von Hilfsorganisationen ermöglichen, sondern auch die politischen Hindernisse offen legen, die der Überwindung von Not entgegenstehen.

Das Gespräch führte Dirk F. Schneider

Thomas Gebauer ist Geschäftsführer von medico Deutschland.

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