Es mutet an wie ein Spiel mit verteilten Rollen und zeugt vom blinden Verstehen zwischen Fundamentalisten, die zumindest ahnen sollten, was sie aneinander haben. Donald Trump erfüllt ein Wahlversprechen, indem er die Geschäftsgrundlage eines internationalen Vertrages zu zerstören beginnt. Ihm assistieren Hardliner im iranischen Militär, die offenbar ein ähnliches Begehren antreibt. Warum lassen sie ausgerechnet in diesem Augenblick eine ballistische Rakete testen?
Eine bessere Vorlage kann es für die neue US-Regierung kaum geben, das Atomabkommen zu schleifen. Prompt werden neue Sanktionen verhängt, die noch aufgestockt werden können, wie es heißt. Und Sicherheitsberater Michael Flynn kann gegenüber Teheran so schön martialisch klingen: „Wir haben euch ab sofort auf dem Schirm.“ Was so viel bedeutet wie: Die militärische Option liegt auf dem Tisch. Dort lag sie schon zu Zeiten der Bush-Administration (2001 – 2009). Seinerzeit sollte ein Luftschlag nicht nur das letzte Mittel sein, um die Mullahs zur Räson zu bringen. Es wurde viel und gern damit gedroht, um die Feindschaft gegenüber Teheran zu konservieren und dem damals schon regierenden israelischen Premier Netanjahu gefällig zu sein, der notfalls allein handeln wollte. Dass sich jetzt mit Trump und Netanjahu zwei vehemente Vertragsgegner gefunden haben, verheißt nichts Gutes.
Tragende Säulen
Was allerdings schon unter George Bush übersehen oder verdrängt wurde – ein Angriff kann den Iran einer Atombombe nur näher bringen. Nicht nur, weil man sich darauf einzustellen und die Nuklearanlagen zu schützen weiß, sondern weil sich all jene in der politischen und religiösen Führung bestärkt fühlen, die stets von der Überzeugung beseelt waren: Nur mit der Bombe sind wir unverwundbar. Die USA hätten es nicht gewagt, Afghanistan oder den Irak anzugreifen, wären diese Länder im Besitz von Kernwaffen gewesen. Diese Lesart von Macht durch die Fähigkeit zum Overkill hat der 2015 geschlossene Vertrag zumindest eingehegt. Was nur möglich war, weil es Konzessionen auf beiden Seiten gab und den Kompromiss: Verzicht auf ein militärisch nutzbares Nuklearprogramm gegen den Abbau der Sanktionen des Westens und der Vereinten Nationen. Das sind die tragenden Säulen dieses Deals. Wer eine davon einreißt, bringt das ganze Gebäude zum Einsturz. Entweder ist sich die neue US-Administration der Dimension des drohenden Schadens nicht bewusst oder sie nimmt das in Kauf, um auch hier das Obama-Erbe abzuräumen und zur gewohnten Konfrontation mit dem Iran zurückzukehren.
Freilich haben sich am 14. Juli 2015 nicht nur die Außenminister John Kerry und Mohammed Sarif auf den Atomvertrag geeinigt, beteiligt waren ebenso die Chefdiplomaten Russlands, Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens. Leider fehlt bisher jedes Signal aus Moskau, aus der EU oder auch aus Deutschland, ob man sich vom Weißen Haus ausmanövrieren oder sich Widerständiges einfallen lässt. Außenminister Gabriel äußerte bei seinem Besuch in Washington Verständnis für die US-Sanktionen, ohne wenigstens anzufügen, das Abkommen dürfe aber nicht gefährdet werden. Warum lässt er das weg? Schließlich ist es damit gelungen, bei all den Brandherden im Nahen und Mittleren Osten wenigstens ein Mal einen Konflikt zu entschärfen. Es wäre ein Bankrott der Diplomatie, desaströs für die Region und die Iran-Parlamentäre des Westens, dies aufs Spiel zu setzen.
Nur Gewinner
Ob beim Palästina-Konflikt, den Kriegen in Syrien und im Jemen, der desolaten Lage in Libyen – nirgendwo sind aussichtsreiche Verhandlungen, geschweige denn Verträge in Sicht. Das Atomabkommen besaß überdies den enormen Vorzug, dass sich hier nicht Schwächere Stärkeren fügen mussten, sondern es tatsächlich nur Gewinner gab. Iran wurde das Stigma des Schurkenstaates genommen, international rehabilitiert und durch den Sanktionsabbau von Fesseln für seine ökonomische Prosperität befreit, die USA erwiesen sich als pragmatischer Friedensmakler, und die EU-3 (Großbritannien, Deutschland, Franrkeich) sahen sich darin bestätigt, auf einen Verhandlungsweg gesetzt zu haben. Selbst Israel hätte eigentlich anerkennen müssen, dass mit der Übereinkunft sein nahöstliches Atombomben-Monopol quasi festgeschrieben wurde. Die iranischen Protagonisten dieses Agreements wie Präsident Hassan Rohani brauchen den Sanktionsabbau oder sie sind politisch angeschlagen.
Die Wähler können ihnen das schon bald bescheinigen, am 19. Mai nämlich, wenn ein neuer Staatschef direkt gewählt wird und das konservative Lager deshalb schon jetzt gegen einen Reformer wie Rohani mobilisiert. Nicht auszuschließen, dass Trump und seiner Entourage die Rückkehr konservativer Theokraten an die Macht willkommen ist, um sich mit Argumenten für den Bruch des Atomabkommens zu versorgen.
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