Muss man sich auch bei den Wirtschaftskontakten zwischen Deutschland und Russland auf neue Eiszeiten einstellen?
Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, weil wir in wirtchaftlicher Hinsicht bereits sehr verflochten sind. Deutschland ist für Russland seit vielen Jahren der wichtigste Handelspartner und wird das auch bleiben. Deutsche Firmen sind die größten Investoren in fast allen Regionen. Dieses Land ist für uns als Exportmarkt fast so wichtig wie China - vielleicht in diesem Jahr noch wichtiger.
Lässt sich in Zahlen messen, wie viel Firmen engagiert sind?
Etwa 4.500 deutsche Unternehmen. Und alle wissen, Russland ist einer der wichtigsten Wachstumsmärkte für eine derart exportorientierte Ökonomie wie die deutsche.
Wie haben Ihre russischen Partner auf die zeitweise in der EU kursierenden Sanktionsdrohungen reagiert?
Inoffiziell höre ich absolutes Unverständnis. Die Leute, mit denen ich gesprochen habe, sind vor allem über die Vorliebe westlicher Medien pikiert, Russland als Aggressor hinzustellen. Andererseits habe ich den Eindruck, dass auch die elektronischen Medien in Russland mit ihrer patriotischen Propaganda überziehen. Wie gesagt, es gibt spürbares Unbehagen ...
... auch über die Führung in Moskau?
Alle sind besorgt über die Lage insgesamt. Man wünscht sich, dass die Konflikte schnell beigelegt werden, delegiert das aber an die eigene Außen- und Sicherheitspolitik.
Rechnen Sie mit russischen Sanktionen gegen den Westen?
Ich halte allein schon die Annahme für Hysterie. Das ist aus russische Sicht völlig irrelevant. Man sollte daran erinnern, dass es auch in Hochzeiten des Kalten Krieges - etwa nach der sowjetischen Intervention in Afghanistan 1979 - zu keinem Wirtschaftskrieg kam.
Hat es Folgen für den deutsch-russischen Wirtschaftsaustausch, wenn das Partnerschaftsabkommen der EU mit Russland jetzt auf Eis liegt?
Davon werden vermutlich zwei Themen besonders tangiert: Russlands Aufnahme in die WTO könnte sich noch mehr verzögern und eine weiter erleichterte Visa-Erteilung für russische Bürger im EU-Raum gestoppt werden. Das würde Wirtschaftsbeziehungen zwar nicht blockieren, aber erschweren.
Werden Sie da gegenüber der Bundesregierung vorstellig?
Bisher nicht offiziell, informell schon.
Das Gespräch führte Lutz Herden
Michael Harms ist Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Russland.
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