Das Helen´sche Dreieck

Mainstream Kultur Helene Fischers Erfolg basiert auf Deutschen Hip Hop, Soziale Medien und die Gauß’che Normalverteilung.

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Vor einiger Zeit erkundete Johanna Adorján in einem sehr amüsanten Artikel in der FAZ Helene Fischers Geheimnis des Erfolgs. Neben allen möglichen Infos, die es auf Wikipedia* nachzulesen gibt, versucht sie eine Analyse ihrer Musik. Hier gelingt es ihr meines Erachtens nicht ganz, ihre eingangs gestellte Frage nach Helene Fischers Geheimnis des Erfolges zu beantworten.

Um die Frage nach Ihrem Erfolg hinreichend zu beantworten, müssen wir drei interdependente Dimensionen berücksichtigen – das sogenannte Helenische Dreieck:

Musik – Wie die Absoluten Beginner und Xavier Naidoo halfen deutschen Pop salonfähig zu machen

Deutschsprachiger Pop war nicht immer so selbverständlich. Nach dem Ende der Neuen Deutschen Welle war Deutsch als Songsprache im Mainstream fast ausgestorben. Wer erinnert sich noch an das grauenvolle “Lemontree”? Deutscher Pop bedeutete: Deutsche Texte auf Englisch vorgetragen, weil Deutsch einfach nicht hip und cool genug war. Deutschsein war nicht cool. Das war die Zeit, als noch in amerikanischen Actionfilmen wie Stirb Langsam Bösewichte mit britischem Akzent als deutsche Supergangster deklariert wurden. Erst der Durchmarsch von Bands wie die Absoluten Beginner, Blumentopf oder Freundeskreis sorgte dafür, dass es keine Credibilityeinbussen gab, wenn in der Republik muttersprachlich gesungen wurde. Freundeskreis coverten ja auch Ton, Stein, Scherben und Udo Lindenberg. Hinterher kam mit Xavier Naidoo das erste erfolgreiche deutsch-gesungene R ´n B Album, auf das dann die Sportfreunde folgten sowie Silbermond und Juli.

So gesehen konnte der Zeitpunkt für eine Helene Fischer nicht besser sein, mit Ihrem Pop-Schlager durchzustarten. Dass sie als Schlagersängerin sich im Pop etablierte ist auch nicht ungewöhlich. Musikalisch gesehen hat Helene Fischer das geschafft, was beispielsweise Seeed gelungen ist. Sie hat sich aus dem Schlager, ihrem Kerngenre, in den Mainstream Pop etabliert. Sie schreibt 4/4 taktvolle Gassenhauer, die in ihrer Bekömmlichkeit feier-freudige Menschen ansprechen.

Auch ich kam teilweise nicht umhin und hatte das Verlangen, “immer wieder dieses Fieber” zu spüren.

Facebook - Schon lange kein exklusiver Ort mehr für Backpacker und Erasmus-Alumni

Facebook und der deutsche Ableger StudiVz waren ja in ihren Anfängen komplett in Händen der akademischen Elite. Die Kaskadierung ist mittlerweile vollendet, so dass das soziale Netzwerk auch für Schlagerstars relevant geworden ist.

Helene Fischer´s erster Post in 2010 erreichte 236 Likes, während knapp 1.2 Mio Facebookfans später das Foto mit der Nationalmannschaft 86.018 Likes bekam:

Was hat das nun mit Helene Fischers Erfolg zu tun? Hat man vorher Schlager-Pop nur beim zappen zufällig gesehen, kursiert der Name “Helene Fischer” immer öfter durch unsere Timeline. Je nachdem wie divers unser Freundeskreis auf Facebook ist. Die Marke “Helene Fischer” wird dadurch -wenn auch unfreiwillig- am Zielpublikum vorbei beworben, so dass viel mehr Menschen sie kennen, die es öffentlich gar nicht zugeben würden. Weiterhin sinkt die Hemmschwelle Helene Fischer Songs zu posten, je mehr Anhänger im Bekanntenkreis sich erkenntlich zeigen.

Es reicht ja bereits, wenn sogenannte “Influencer” Atemlos zum coolsten Track ihres Hennenabends in Barcelona verklären. #Girlsnightout #Beautiful Barcelona #Prosecco #Atemlos. Und dieser Umstand führt uns zur letzten Dimension:

Wahre Gefühle - Manchmal lassen auch Szenis** die Fünfe gerade sein.

Ganz ehrlich: Der RAC Remix von Blood Oranges “Uncle Ace” ist ja recht hot. Aber bestimmte Situationen verlangen Abzählreime und vertraute Harmonien wie in der Fan-Kurve im Fußball Stadion.

Natürlich wird es immer diejenigen geben, die konsequent solche Musik verweigern und keinen Spaß dabei haben. Ich beispielsweise habe meinen ersten Kuss nicht mit 15 bekommen, weil ich mich geweigert habe zu Whighfields “Wish you were here” Blues zu tanzen. Stattdessen gab es dann Nirvana, Metallica und Rage Against The Machine, das ich immer als Notfall-Kassette dabei hatte, um mit den verbliebenen Artverwandten zu pogen, bis der Rest von der Knutschpause zurück kam und uns dann wieder DJ Bobo, Dr. Alban oder “This is the Rhythym Of The Night” um die Ohren flogen.

Irgendwann emanzipierte man sich dann doch noch von der konsequenten Coolness. Jetzt hat man manchmal eben Lust zu Atemlos entweder total vogelfrei zu tanzen und mitzusingen, oder aber so tun als ob man sich darüber lustig macht und nicht weniger vogelfrei zu tanzen und mitzusingen.

So ist es auch kein Zufall, dass ihr bislang erfolgreichstes Album von Jean Frankfurter produziert wurde, der auch für Costa Cordalis Megaerfolg “Anita” verantwortlich ist. Ein Fünkchen Hippness garniert ihr aktuelles Album dennoch. Im Gaga Recording Studio in Hamburg nahmen schon Selig, Beatsteakes und die Stone Temple Pilots auf.

Die mathematische Auflösung des Helenischen Dreiecks:

Um kollektiv Freude und Glück zu feiern, braucht es Musik mit der grössten Schnittmenge. Und genau das liefert Helene Fischer. Diejenigen, die sich bereits mit Statistik auseinander gesetzt haben oder mussten, werden es wissen: Fast alles ist normal verteilt. Genauso verhält es sich mit dem Geschmack der Masse:

Falls der werte Leser immer noch nicht verstehen kann oder will, warum Helene Fischer ein Star ist, kommt die Antwort dann eben vom Entdecker der Normalverteilung:

“Man darf nicht das, was uns unwahrscheinlich und unnatürlich erscheint, mit dem verwechseln, was absolut unmöglich ist.” – Carl Friedrich Gauß

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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