Individualismus 2.0

Gesellschaft Eine neue Definition von Individualismus

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Die Welt als kleinerer Teil im Herzen als das eigentliche Blut klingt verständlich – doch lassen wir uns von anderen, explizit der Gruppe von Gleichgesinnten, in der wir täglich schwimmen, zu oft ein Diktat von Werten und Unwerten aufoktroyieren, welches mit eigener Erkenntnis nahezu nichts zu tun hat. Am Ende droht die Bewunderung anderer Überhand zu nehmen, wir werden ein Produkt vieler – ein Individualismus 2.0, dessen Bedeutung nichts mehr mit der eigentlichen Bezeichnung zu tun hat.


Diese besteht wohl darin, dass man vor allem das Produkt des eigenen Ichs sein sollte, welches sich zuallererst als ein Körper sieht, dessen Geist mit der Zeit erst durch die Beschäftigung mit den Verhaltensweisen, der Sprache und den Emotionen meiner und anderer Personen geschaffen werden muss – der Aufbau einer kleinen Welt, möglicherweise auch die Aufstellung selbstgebauter Requisiten hinter der Bühne eines Theaters, dessen Publikum die Bandbreite unseres Charakters erfährt. Wer dabei vorne und hinten sitzt entscheiden wir selbst.


Es ist eine Kraft, das eigenen Sein zu definieren – sich zu finden in dieser so stetig aus all ihren Poren quirlenden Welt, abzubremsen von Höchstgeschwindigkeit auf eigenen Takt. Sonst drohen wir erdrückt zu werden, unsere seelische Existenz Stück für Stück abzugeben, um bloße Maschinen sein zu können. Allein Orte der Selbstfindung, der inneren Einkehr, des Bewusstseins seines Selbst können uns die umliegenden Probleme, Schwierigkeiten und Nöte vergessen lassen und die Welt zumindest für einen kurzen Augenblick anhalten – zur Selbstreflexion, dem Appell Eigenes dem für uns allgegenwärtigen Wandel der Masse nicht unterordnen zu müssen.


Leider geschieht dies allzu oft, unsere Gefühle liegen nicht mehr vollends in unseren Händen, schließlich werden wir aufgefordert – teilweise gar gesteuert – dem Willen des Rudels, teilweise auch dem von dessen Bezugsperson, gerecht zu werden. Die andauernden Bemühungen unter Gleichgesinnten Anerkennung zu erfahren, macht uns zu einem unter vielen, schließt die Möglichkeit von alternativen Verhaltensweisen, die allzu oft als „Eigentümlichkeiten“ stigmatisiert werden.


Doch gerade diese „Eigentümlichkeiten“ sind Teil unseres aus der eigenen Historie erwachsenen Charakters, der sicherlich einen Menschen als solchen individuell definiert, ihn unverwechselbar macht – zu dem was er ist und was er war.


Wir dürfen die Gruppe nicht allmächtig werden lassen!

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Geschrieben von

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