linksunten-/RDL-FAQ 3.: Was wurde 2017 (nach damaliger Darstellung des BMI) verboten?

Halloween-Kalender Die Darstellung war ambivalent: In der Verbotsverfügung selbst sprach das BMI von „Verein ‚linksunten.indymedia‘“, in der begleitenden Pressemitteilung dagegen von „Internetplattform ‚linksunten.indymedia‘“, die verboten worden sei.

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Ausführlichere Antwort:

a) Das Verbot des „Vereins“

Verboten wurde laut Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums (BMI) der „Verein ‚linksunten.indymedia‘“:

„Der Verein ‚linksunten.indymedia‘ ist verboten und wird aufgelöst.“

(https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2017/verbotsverfuegung-linksunten.pdf; Hv. hinzugefügt)

b) Verbot, die „Internetseite des Vereins“ zu betreiben

In der Verbotsverfügung hieß es außerdem unter anderem:

„Es ist verboten, die unter der URL https://linksunten.indymedia.org sowie die im Tor-Netzwerk unter der Adresse http://fhcnogcfx4zcq2e7.onion abrufbare Inter­netseite des Vereins, einschließlich deren Bereitstellung und Hosting, zu betrei­ben und weiter zu verwenden.“ (Hv. hinzugefügt)

Es ist also nicht – zweck-unabhängig – verboten, die „URL https://linksunten.indymedia.org“ zu betreiben und zu verwenden. Es ist vielmehr – laut Verfügung des BMI – verboten, „die unter der URL https://linksunten.indyme­dia.org sowie die im Tor-Netzwerk unter der Adresse http://fhcnogcfx4zcq2e7.onion abrufbare Internetseite des Vereins“ (Hv. hinzugefügt), zu betreiben und zu verwen­den.1

Außerdem muß die pauschale Formulierung, „Es ist verboten“, im Kontext der For­mulierung „Internetseite des Vereins“ und der Adressierung des Verbots an den „Ver­ein“ (BetreiberInnenkreis) verstanden werden2; die Formulierung ist schlicht ein As­pekt davon, dass sich verbotene Vereine überhaupt nicht mehr betätigen dürfen – auch nicht in Form des Betreibens einer Webseite:

„Vom Verbot ist infolge der umfassenden organisatorischen Auflösung des Ver­eins auch die Abschaltung seiner Internetpräsenzen und der von ihm geschaffe­nen Informations- und Kommunikationsstrukturen erfasst. Das in Ziffer 3 des an­gefochtenen Bescheids enthaltene Verbot der Nutzung der Internetadressen des Vereins wiederholt lediglich die Gesetzeslage (vgl. zum Betätigungsverbot BVerwG, Urteil vom 4. November 2016 – 1 A 6.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:041116U1A6.15.0] – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 72 Rn. 37).“

(https://www.bverwg.de/290120U6A1.19.0, Textziffer 28; Hv. hinzugefügt)

In der im Zitat angeführten älteren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts heißt es an der genannten Stelle:

„Das gleichzeitig gegen den Kläger ausgesprochene Betätigungsverbot (Ziffer 3) ergibt sich aus der Natur des Verbots der Teilorganisationen und der Auflösungs­anordnung, ohne dass es einer eigenen Rechtsgrundlage bedarf.“

(https://www.bverwg.de/041116U1A6.15.0, Textziffer 37)

c) Verbots-begleitende Presseerklärung des BMI: Verbot der „Internetplattform“

In der begleitenden Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums hieß es aber:

„Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière hat heute die linksextremistische Internetplattform ‚linksunten.indymedia‘ auf Grundlage des Vereinsgesetzes verboten und aufgelöst.“

(https://web.archive.org/web/20170825104801/https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2017/08/vereinsverbot.html; Hv. hinzugefügt)

Damit wurde der Unterschied zwischen

  • einer Internetplattform und einer/einem Person(enkreis), die bzw. der diese Plattform betreibt,

bzw. zwischen

  • dem Namen einer Internetplattform und dem Namen der/des Person(en[krei­ses]), die bzw. der diese Plattform betreibt,

ignoriert.

Trotzdem folgte dem Sprachgebrauch in der Pressemitteilung auch fast die gesamte Medienberichterstattung und öffentliche Diskussion über das Verbot.3 Der Unter­schied zwischen Medium und Mediums-Herausgeber wurde nicht beachtet.

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1 Dies und das folgende hatte ich – vor dem Hintergrund der 2017er Pressemitteilung des BMI (siehe dazu sogleich [sub c)]) – bei meinen eigenen juristischen Bemühungen gegen das Verbot in den Jahren 2019 und 2020 auch nicht beach­tet (s. z.B.: https://web.archive.org/web/20200320103618/http://links-wieder-oben-auf.net/wp-content/uploads/2020/01/Bf_11_Antrag_ans_BMI__FIN.pdf, S. 92), sondern erst in Folge des schriftlichen BVerwG-Urteils im Jahre 2020 bemerkt bzw. jedenfalls dann erst angemessen gewürdigt. Das heißt: Insofern auch meine eigene Bemühun­gen von der Annahme ausgingen, das BMI habe auch die Webseite verboten und sich speziell dagegen wandten, gingen sie ins Leere. Denn ein solches Webseiten-Verbot gab es gar nicht.

2 Auf einem anderen Blatt steht, daß es unter Strafandrohung steht, verbotene Vereine zu unterstützen (§ 20 Vereinsge­setz, § 85 StGB) und daß es verboten ist – aber nicht unter Strafe steht –, Ersatzorganisationen verbotener Vereine zu gründen (§ 8 Absatz 1 Vereinsgesetz). Erst ab dem Moment, wo ein Verein von der Verbotsbehörde als Ersatz eines be­reits verbotenen Vereins klassifiziert wird, ist auch die Mitgliedschaft in der und die Unterstützung der Ersatzorganisation strafbar:

  • § 8 Absatz 2 Satz 1 Vereinsgesetz: „Gegen eine Ersatzorganisation, die Verein im Sinne dieses Gesetzes ist, kann zur verwaltungsmäßigen Durchführung des in Absatz 1 enthaltenen Verbots [Ersatzorganisationen von verbotenen Vereinen zu bilden] nur auf Grund einer besonderen Verfügung vorgegangen werden, in der festge­stellt wird, daß sie Ersatzorganisation des verbotenen Vereins ist.“ (Hv. hinzugefügt)

  • § 20 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 Vereinsgesetz: „entgegen einer vollziehbaren Feststellung, daß er [der Verein] Er­satzorganisation eines verbotenen Vereins ist“ (Hv. hinzugefügt).

  • § 85 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch: „von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie [die Vereinigung] Er­satzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist“ (Hv. hinzugefügt).

3 Siehe zum Beispiel:

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Geschrieben von

DGSch

Detlef Georgia Schulze ist PolitikwissenschaftlerIn und schrieb zuletzt in der jungen Welt vom 27.03.2023 über „Fehler der bürgerrechtlichen bis linksradikalen Reaktionen auf das Verbot von ‚linksun­ten.indymedia‘“. Neben anderen Veröffentlichungen zu rechtstheoretischen und rechtspolitischen Themen gab er/sie 2010 – zusammen mit Sabine Berghahn und Frieder Otto Wolf – das zweibändigen Buch „Rechtsstaat statt Revolution, Verrechtlichung statt Demokratie?“ (Bd. 1: https://d-nb.info/986059048; Bd. 2: https://www.dampfboot-verlag.de/filepool/getfile/dampfboot/?datei=/dateien/download/inh-schulze2-784.pdf) heraus.

Weitere Informationen unter der Adresse: https://web.archive.org/web/20220120071119/https://links-wieder-oben-auf.net/ueber-mich/.

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