Unter Tränen lächeln

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Kony, Kindersoldaten, Straßenkinder, dazu ein fast vergessenes Buch

Joseph Kony, seit kurzem weltweit in den Schlagzeilen, hat mich daran erinnert, wieder einmal nach einem Buch zu greifen, das mich nach dem Erscheinen in den 90ern zutiefst angerührt hatte, „Der Chronist der Winde“ von Henning Mankell. Das Thema Straßenkinder aus der Opferperspektive...

Halt, Mankell, das ist doch der mit den düsteren Krimis, die in wechselnder Besetzung in wechselnden Fernsehkanälen zu wechselnden Uhrzeiten im Monatstakt laufen?

Ja, genau der. Aber wer Mankell auf diese Krimis reduziert, möge dessen Lebenslauf und Bücher lesen. www.mankell.de/

Mankell pendelt seit vielen Jahren zwischen Schweden, seiner Heimat, und Mosambik, seiner zweiten Heimat, wo er eine Theatergruppe gegründet hat und leitet. Er hat neben Krimis, Kinder- und Jugendbüchern eben auch Romane in der Afrika-Reihe geschrieben, z.B. über afrikanische Kinder „Die rote Antilope“ oder „Der Chronist der Winde“. Über letzteren schrieb er selber: „Natürlich stehe ich zu allen meinen Büchern, aber dieser Roman hat einen besonderen Platz in meinem Herzen.“

Und weil dieses Buch auch in meinem Herzen einen besonderen Platz einnimmt, hier eine Kurzfassung als Empfehlung zum Buch (ohne alles zu verraten):

„Ich, José Antonio Maria Vaz, ein einsamer Mann auf einem Dach, unter dem tropischen Sternehimmel, habe eine Geschichte zu erzählen...“

José Antonio Maria Vaz erzählt die Geschichte des zehnjährigen Straßenkindes Nelio. José findet Nelio mit einer Schusswunde und pflegt ihn auf dem Dach der Bäckerei, in der Vaz arbeitet. Dort erzählt ihm Nelio im Verlauf mehrerer Nächte seine Lebensgeschichte und wie es zu der Verletzung kam. Nelio wächst erst einmal glücklich in einem kleinen Dorf auf. Eines Tages fallen Banditen in Nelios Dorf ein, entführen und massakrieren die Kinder, wollen sie vermutlich zu Kindersoldaten machen und zerreißen so Familien. Nelio soll gezwungen werden, seinen Bruder zu ermorden, doch ihm gelingt die Flucht.

In den folgenden Tagen trifft er einen Zwerg namens Yabu Bata, der ihn auf seine Reise zum Meer mitnimmt, wo sich ihre Wege jedoch wieder trennen. Nelio wandert auf Empfehlung Yabu Batas einige Tage am Meer weiter, bis er in eine große Stadt kommt (vermutlich Maputo, ist aber unerwähnt und wohl auch unerheblich).

Dort übernachtet er bei einem Taschendieb, dem er helfen soll, Passanten zu bestehlen, doch auch hier gelingt ihm wieder die Flucht. Schließlich wird er Teil einer Gruppe von Straßenkindern, später deren Anführer. Auch vom Leben dieser Kinder, seiner Freunde, erzählt Nelio dem Bäcker, von Mandioca, der Tomaten und Zwiebeln in seinen Taschen wachsen lässt. Von Deolinda, einem Albinomädchen. Über Alfredo Bomba, der schwer krank wird. Den einfältigen Tristeza und Nascimento, der Angst vor Monstern hat.

Nachdem er diese Geschichte kennt, verlässt José Antonio Maria Vaz seine Familie, die Bäckerei und zieht als „Chronist der Winde“ durch das Land. Er macht es sich zur Aufgabe, Nelios Lebensgeschichte weiter zu erzählen. Als Mahner, sich selbst, die Träume und Hoffnungen, die Straßenkinder und deren kleine Freuden, deren Leiden, die Frage nach einer Zukunft der Welt nicht aus den Augen zu verlieren.

„Ich, José Antonio Maria Vaz, ein einsamer Mann auf einem Dach, unter dem tropischen Sternehimmel, habe eine Geschichte zu erzählen...“

Wer vergessen hat, wie es sich anfühlt, unter Tränen zu lächeln, dem sei dieses Buch ans Herz gelegt...

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Geschrieben von

Diander

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