Die Partizipationsverweigerer

Krise bei ARD & ZDF Das ZDF steht hinter Chefredakteur Brender. Inzwischen soll sogar der Intendant mit Rücktritt drohen. Doch das Grundproblem der Öffentlich-Rechtlichen ist ein anderes

Die Debatte um die Vertragsverlängerung des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender spitzt sich zu. Sollte es Roland Koch (CDU) mit seiner Verweigerungsstrategie gelingen, ZDF-Intendant Markus Schächter, wie am Wochenende gemunkelt wurde, in den Rücktritt zu treiben, ginge seine Strategie auf. Denn Kochs Intervention ins ZDF dient der Wiederherstellung von Verhältnissen, wie sie einst unter Bundeskanzler Helmut Kohl geherrscht haben, als man im ZDF gerne auf das hörte, was das Kanzleramt sich wünschte. Von einer solchen Abhängigkeit hatte sich der Mainzer Sender in den letzten Jahren emanzipiert, ähnlich wie sich auch einige ARD-Anstalten vom Einfluss der jeweiligen Landesregierung befreit hatten.

Das erklärt die Solidarität mit Brender, die weitaus größer ist als die Begeisterung über die Arbeit, die der Chefredakteur im Sender geleistet hat. So wie Roland Koch symbolisch Rache an einem Journalisten übt, dem er stellvertretend für das öffentlich-rechtliche System die Schuld an seiner Wahlniederlage zuschieben will, so solidarisieren sich viele weniger mit dem Chefredakteur Brender als mit dem Symbol eines staatsfernen Rundfunks.

Die Intervention von Koch und Konsorten trifft das ZDF – und in einem symbolischen Sinne auch die anderen ARD-Sender – in einer kritischen Situation. In den Sendeanstalten weiß keiner so recht, wie es mit dem Projekt eines von kommerziellen Motiven befreiten Radios und Fernsehens im Internetzeitalter weitergehen soll. Hatte man in den letzten 15 Jahren alle Kraft darauf verwandt, sich gegen die kommerzielle Konkurrenz zu wehren, was stellenweise mit Überanpassung und Identitätsverlusten erkauft wurde, muss man sich nun mit der Frage beschäftigen, wie sich die öffentlich-rechtliche Idee in den neuen Vertriebsformen des Internet präsentiert.

ARD und ZDF einfallslos

Schaut man auf die Websites von ARD und ZDF, entdeckt man dazu nicht viel. Nicht den Anflug einer Idee, wie man seine Sendungen und Produktionen jenseits der klassischen Programmierung präsentieren will. Da wird gerade mal das aktuelle Angebot für sieben Tage vorrätig gehalten, davon ist jedoch eine Reihe von Filmen aus Rechtegründen ausgenommen.

Das reichhaltige Archiv wird nicht geöffnet; gerade die Produktionen, die Zeitgeschichte widerspiegeln oder selbst Zeitgeschichte geschrieben haben, könnten und müssten doch auf eine intelligente Art und Weise für die Zuschauer, die sie ja mit ihren Gebühren finanziert haben, im Netz zugänglich gemacht werden. Die Partizipation der Zuschauer und Zuhörer, die im Internet über einen direkten Rückkanal verfügen, um in Text, Ton und Bild auf das Programm reagieren zu können, wird nahezu verweigert.

Stattdessen wird die angestammte Programmpolitik fast zwanghaft verlängert, obgleich sie nicht zukunftstauglich ist. Derzeit kann man beispielsweise im digitalen Kabel und per Satellit über 50 Hörfunkprogramme der ARD empfangen. Diese Vielfalt, die sich allerdings bei genauerem Hinhören dann doch in vielen Dopplungen, Übernahmen und Wiederholungen erschöpft, kann aber mit der Vielfalt im Internet nicht konkurrieren. Hier wären dringend neue Programme denkbar und notwendig, die nicht klassisch nach Landesrundfunkanstalten sortiert sind sondern nach Themen, Sendeformen und Musikrichtungen ausdifferenziert werden.

Ähnliches gilt für die Fernsehprogramme, bei denen die klassischen Vollprogramme von ARD, ZDF und den Dritten mit den Spezialangeboten für Kultur, Kinder und Informationen intelligenter verbunden und harmonisiert werden müssten. Es fehlt dringend an freien Programmflächen, auf denen Neues ausprobiert und Ungewöhnliches gesendet wird. Ästhetisch ist das öffentlich-rechtliche Fernsehen so bieder, wie es Roland Koch politisch gerne haben möchte.

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