Hat die Bundesregierung uns allen den Krieg erklärt?

"Klimaneutral" bis 2045? Nach Vorgabe der Bundesregierung müssen alle Gebäude bis 2045 "klimaneutral" sein. Für die EU ist 2050 das Stichjahr. Abgesehen davon, dass das für viele Gebäude nicht erreichbar ist, wären die Kosten mit ca. 3,3 Billionen Euro astronomisch

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Wohnhaus in der Grillparzerstraße in München nach einem Bombenangriff

Nach Vorgabe der Bundesregierung müssen alle Gebäude bis 2045 "klimaneutral" sein. Für die EU ist 2050 das Stichjahr. Abgesehen davon, dass das für viele Gebäude nicht erreichbar ist, wären die Kosten mit ca. 3,3 Billionen Euro astronomisch.

Hierzu ist auf Spiegel Online ein kurzer Artikel erschienen: https://www.spiegel.de/wirtschaft/gebaeude-klimaplan-2045-laut-zdb-zum-scheitern-verurteilt-a-95176367-0df4-4c26-b2f0-a4723d872a07

Die Schätzung stammt von Felix Pakleppa, dem Geschäftsführer des Zentralverbands des deutschen Baugewerbes (ZDB). Damit ist er sicherlich viel näher an der Realität als die Bundesregierung, die ja ein Interesse daran haben muss, die Kosten der von ihr selbst verursachten Maßnahmen kleinzurechnen.

Ca. 3,3 Billionen - das wären genau 40.000 Euro pro Kopf der deutschen Bevölkerung, vom Baby bis zum Pflegeheimbewohner. Für eine vierköpfige Familie wären das 160.000 Euro.

Stellen wir uns vor, ein böser Geist würde über Nacht alle Wohngebäude aus Deutschland wegnehmen und der gesamte Wohnraum für alle 83 Millionen in Deutschland lebenden Menschen müsste komplett neu aufgebaut werden. Da würden wohl im Durchschnitt 320.000 Euro für die vierköpfige Familie und 80.000 für den Single reichen.

Die angebliche "Klimaneutralität" aller Gebäude bis 2045 würde also etwa die Hälfte von dem kosten, den kompletten Bestand auf leerer Fläche wiederaufzubauen.

Komme ich jetzt auf die sicher knallig formulierte Überschrift: "den Krieg erklärt". Wie ist das gemeint?

Im Zweiten Weltkrieg wurde in Deutschland ein erheblicher Teil des Wohnungsbestandes vollkommen zerstört oder zumindest erheblich beschädigt. Wie groß war der Anteil der Wohnungen, die ganz oder wenigstens teilweise wieder aufgebaut wurden, im Verhältnis zu Gesamtbestand?

Die Zahlen, die man hierzu findet, weichen z. T. recht deutlich voneinander ab. Schon die Definition von "zerstört" war strittig. Z T. wurden hier alle Wohnungen dazugerechnet, die mit mindestens 50 % den Zustand "zerstört" aufwiesen. Das ist auch sicher sinnvoll, oft waren Abriss und kompletter Neubau die sinnvollste Möglichkeit, auch wenn noch Teile des Gebäudes bestanden haben mögen.

Das Haus der Geschichte geht von 2,25 Millionen zerstörten und 2,5 Millionen beschädigten Wohnungen aus: https://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre/alltag/leben-in-truemmern.html

Klaus von Beyme nennt in seinem 1987 erschienenen Buch " Der Wiederaufbau. Architektur und Städtebaupolitik in beiden deutschen Staaten" 4,8 Millionen zerstörte und beschädigte Wohnungen, daher stammt offenbar auch die vom Haus der Geschichte verwendete Zahl, bei einem Gesamtbestand von 18,8 Millionen Wohnungen im Deutschen Reich (hier zitiert https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/48554/ssoar-europareg-1995-3-Bode-Kriegszerstorungen_1939-1945_in_Stadten_der_BRD.pdf auf S. 17). Allerdings würden bei den 18,8 Millionen Wohnungen insgesamt ja auch die in den 1945 verlorenen Ostgebieten eingeschlossen sein, während die 4,8 Millionen zerstörter und beschädigter Wohneinheiten offensichtlich nur auf dem verkleinerten Gebiet der späteren Bundesrepublik und DDR gezählt worden sind.

Abweichende Zahlen finden sich bei Ulrike Heinz / Wolfgang Kiehle unter dem Stichwort Wohnungspolitik in: Andersen, Uwe/Woyke, Wichard (Hrsg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 4. Auflage, Bonn 2000. Demnach wären in den Westzonen von 10,3 Millionen Wohnungen 2,3 Millionen vollkommen zerstört und 2,3 Millionen beschädigt gewesen (Zitiert bei https://www.schader-stiftung.de/individuelle-auswahl/fokus/wohnen/artikel/bundesdeutsche-wohnungspolitik-seit-1945).

Auch wenn wir den von Heinz und Kiehle angenommenen höheren Anteil an beschädigter Wohnsubstanz nehmen, kommen wir "nur" auf 42 % an zerstörten und beschädigten Wohneinheiten, die wieder aufgebaut oder repariert werden mussten. Und damit würden wir noch unter den 50 % Wiederaufbaukosten bleiben, die den Kosten für das Programm der klimaneutralen Gebäude bis 2045 entsprechen würden.

Sich die Schäden des Zweiten Weltkriegs in Deutschland noch einmal vor Augen haltend, kann man da bei diesem Programm schon von einer "Kriegserklärung" sprechen. Denn das sind Kosten, die der Allgemeinheit, d. h. jedem einzelnen von uns, aufgebürdet werden: die Kosten, die die Eigentümer für ihre Immobilien und die Mieter über als Mieterhöhungen weitergegebene Kosten tragen müssten.

Wenn die Bundesregierung ständig betont, wie sehr dabei mit staatlichen Mitteln gefördert würde, ist das Augenwischerei. Die Mittel dafür wachsen ja nicht auf den Bäumen vor dem Bundeskanzleramt, sondern müssen aufgebracht werden, und zwar von uns selbst, bevor der Staat sie dann wieder an uns verteilen kann. Und das geht nur direkt über Steuererhöhungen oder indirekt über Aufnahme von Schulden und Geldvermehrung, sprich Inflation. Die dann auch direkt die Bürger trifft.

Wir zahlen also die 3,3 Billionen Euro auf jeden Fall selbst, egal, was der Staat dabei für Zuschüsse gibt oder eben auch nicht. Wir zahlen für unsere Häuser und Wohnungen also etwa so viel, als hätte ein Bombenkrieg alles auf den Zustand von 1945 kaputtgebombt.

Das muss uns klar sein. Nichts Anderes bedeuten solche Ungetüme wie Habecks Gebäudeenergiegesetz, die geplante EU-Verordnung über die energetische Gebäudesanierung und "Klimaneutralität" im Gebäudebereich bis 2045.

Wenn wir Glück haben, haben wir bis dahin unsere Häuser und Wohnungen behalten dürfen, aber um die finanzielle Belastung wie für fünf Jahre Luftkrieg 1940 bis 1945.

Ist das nun eine "Kriegserklärung" oder was ist es?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Dietrich Klose

Vielfältig interessiert am aktuellen Geschehen, zur Zeit besonders: Ukraine, Russland, Jemen, Rolle der USA, Neoliberalismus, Ausbeutung der 3. Welt

Dietrich Klose

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