Schulen und Krieg - Deutschlands Rolle rückwärts

Tucholsky vs. Stark-Watzinger Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger fordert, junge Menschen in der Schule "auf den Krieg vorzubereiten", um "unsere Widerstandsfähigkeit zu stärken". Das hatten wir ähnlich schon mal. Was sagte Kurt Tucholsky 1932 dazu?

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Es lohnt durchaus, in unseren Tagen sich wieder einmal Kurt Tucholskys Gesammelte Werke vorzunehmen. In der 1957 bei "Volk und Welt" erschienenen Gesamtausgabe finden wir in dem Band "Deutschland, Deutschland - unter anderen" auf S. 68-69 das Gedicht "Die Herren Eltern", geschrieben 1932.

Die "Herren Eltern" (bzw. besser: die Damen und Herren Eltern) sind jetzt auch wieder besonders angesprochen, wenn unsere Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger fordert, junge Menschen müssten in der Schule "auf den Kriegsfall vorbereitet" werden. Dazu sollten Zivilschutzübungen und ein "unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr" gehören. Das sollte dazu dienen, "unsere Widerstandsfähigkeit zu stärken".

https://www.sueddeutsche.de/politik/bundesbildungsministerin-bettina-stark-watzinger-schule-kriegsfall-1.6458284

Hier der Text von Tucholsky, auch im Netz zu finden unter: https://www.textlog.de/tucholsky/gedichte-lieder/die-herren-eltern

Die Herren Eltern

Ist ein Schullehrer Pazifist
und sagt, wie es in Wahrheit im Kriege ist –:
dass Generale Kriegsinteressenten sind,
ganz gleich, wer verliert; ganz gleich, wer gewinnt …
dann – sollte man meinen – freun sich die Eltern für ihr Kind?
Jawoll!

Dann erhebt sich ein ungeheures Elterngeschrei:
»Raus mit dem Kerl! Das ist Giftmischerei!
Unser Junge soll lernen, wie schön die Kriege sind!
Wir warten schon drauf, wann wieder ein neuer beginnt –
und dazu liefern wir gratis und franko 1 Kind!
Jawoll!«

Die Elternbegeisterung ist ganz enorm.
Die Mütter: aus Liebe zur Uniform.
Die Väter, die Lieferanten für den Schützengraben,
denken: warum sollen denn diese Knaben
es besser als unsereiner haben?
Nicht wahr?


Die Fabrikation eines Kindes ist nicht sehr teuer.
Aber erhöh mal ein bißchen die Umsatzsteuer –:
dann kreischen die Herren Eltern, dass der Ziegel vom Dache fällt.
Man trennt sich leicht vom Kind.
Aber schwer vom Geld.
Bekommt das Kind einen Bauchschuß? Das macht ihnen keine Schmerzen.
Doch ihr Geld – das lieben die Herren Eltern von Herzen.
Jawoll!

Mitleid mit den Opfern, die da fallen für Petroleum, für Fahnen,
für Gold –?
Die Herren Eltern haben es so gewollt.

Wehret den Anfängen! Es wäre der wichtigste Job für die Politik, dafür zu sorgen, dass es nicht mehr zu Kriegen kommt und laufende Kriege so schnell wie möglich beendet werden. Aber sie macht genau das Gegenteil.

Helmut Schmidt: „Lieber 100 Stunden umsonst verhandeln, als eine Minute schießen.“

Franz Alt: „Ich würde, wenn es um Frieden geht und darum, das Leid in der Ukraine zu beenden, auch mit dem Teufel verhandeln.“

Und die Jugend? Nein, wir müssen sie nicht auf den Krieg, sondern auf den Frieden vorbereiten! Alles Andere bedeutet letztlich nur, 1914/18, 1939/45 in Endlosschleife zu wiederholen. Und, die Opfer fallen immer noch "für Petroleum, für Fahnen, für Gold".

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Dietrich Klose

Vielfältig interessiert am aktuellen Geschehen, zur Zeit besonders: Ukraine, Russland, Jemen, Rolle der USA, Neoliberalismus, Ausbeutung der 3. Welt

Dietrich Klose

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