Ein gut regiertes Land

Vergleich Deutschland-Land Ix Ein "gut regiertes Land" ist Deutschland für mich schon lange nicht mehr. Was für ein gut regiertes Land spräche: Einfache, möglichst kurze Gesetze, die klar gewisse "Leitplanken" vorgeben, aber ansonsten möglichst alle Freiheiten lassen.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Eingebetteter Medieninhalt

Ein "gut regiertes Land" ist Deutschland für mich schon lange nicht mehr. Was für ein gut regiertes Land spräche: Einfache, möglichst kurze Gesetze, die klar gewisse "Leitplanken" vorgeben, aber ansonsten möglichst alle Freiheiten lassen.

Um so etwas zu finden, müssen wir uns mittlerweile leider schon in ein fiktives Land begeben, nennen wir es X, weil es (leider) unbekannt ist, oder eben ausgesprochen Ix.

Schauen wir uns hier den Wohnungsmarkt in Ix an.

Steigende Immobilienpreise zumindest in den Ballungsräumen sind in den meisten Ländern schon lange ein Problem, da würde Ix keine Ausnahme machen. Als die Immobilienpreise anfingen, stärker zu steigen und man anfing, das als ein Problem zu erkennen – wann war das? So um 1970 vielleicht? – hat Ix ein neues Wohneigentumsgesetz erlassen. Zitieren wir es:

Wohneigentumsgesetz vom 2. März 1973

Präambel

Das Gesetz soll dem ungerechtfertigten zunehmenden Anstieg der Preise für Wohnimmobilien entgegenwirken und hier Abhilfe schaffen. Die Nationalversammlung ist der Ansicht, dass das Problem steigender Immoblienpreise auf Dauer mit dirigistischen Mitteln und staatlich verordneten Preisbremsen nicht zu lösen ist. Ziel des Gesetzes ist es, möglichst vielen Menschen zu preisgünstigem Wohnraum zu verhelfen und die Wohneigentumsquote zu erhöhen.

§ 1. Bestandswohnungen und Wohngebäude aus dem Bestand dürfen nicht mehr an Wohnungsunternehmen verkauft werden. Zum Kauf von Bestandswohnungen und Bestandswohngebäuden sind nur natürliche Personen berechtigt, a) für Eigennutzung, b) als Investition mit bis zu zwei Wohneinheiten pro natürlicher Person.

Erläuterung: Hierdurch wird der Immobilienmarkt sowohl auf der Nachfrageseite entlastet, indem große Wohnungsunternehmen als Käufer ausfallen, als auch auf der Angebotsseite, da diese nun nur noch in Neubauten investieren können und dadurch eine Zunahme von Wohnungsneubauten erwartet wird.

§ 2. Bei Verkauf von Mietwohnungen muss die Wohnung grundsätzlich zuerst dem/den Mieter(n) zum Kauf angeboten werden. Dabei kann der aktuelle Marktpreis zugrunde gelegt werden. Mieter, die die von ihnen bewohnte Wohnung kaufen wollen, haben Anspruch auf staatliche Förderung entsprechend § 10 und 11.

Erläuterung: Ziel, möglichst vielen Menschen zu eigenem Wohneigentum zu verhelfen.

§ 3. Natürliche Personen, die nicht Staatsbürger von Ix sind, sind ebenfalls berechtigt, Wohneigentum gemäß § 1 und 2 zu erwerben, wenn sie mindestens fünf Jahre in Ix mit Erstwohnsitz wohnhaft sind und dort eine feste Anstellung oder ein eigenes Gewerbe nachweisen. Als Nachweis gelten die Einkommensteuerbescheide der letzten drei Jahre. Dieser Personenkreis ist ebenfalls nach § 10 f. unterstützungsberechtigt.

§ 4. Die Regierung hat sicherzustellen, dass bis zum 31.12.1975 in allen Regierungsbezirken neue Familienheimstättenwerke (FHW) gegründet werden. Diese Familienheimstättenwerke sollen der vermehrten Förderung des Baus günstiger Wohnungen und der Eigenheimbildung dienen. Die FHWe der einzelnen Bezirke operieren als voneinander unabhängige nicht gewinnorientierte Unternehmen (Eigenständige Unternehmen Öffentlichen Rechts nach EUÖR-Gesetz vom 4.7.1948), die der Kontrolle durch das Wohnungsbauministerium und das Parlament unterliegen. Zur Anschubfinanzierung werden die FHWe jedes Bezirks mit einem Finanzpolster von 200 Millionen Dinéren ausgestattet. Detailfragen zur Organisation der FHWe regelt ein eigenes Ausführungsgesetz.

§ 5. Bei der Neuausweisung von Bauland haben die FHWe das Recht, 50 % des ausgewiesenen Baulandes zum Dreifachen des Bodenwertes als Agrarland von vor Beginn des Baulands-Genehmigungsverfahrens zu kaufen. Die übrigen 50 % des Baulandes können auf dem freien Markt verkauft werden. Der Grundeigentümer hat das Recht, das neu ausgewiesene Bauland weitere fünf Jahre landwirtschaftlich zu nutzen, nach dieser Zeit ist er zum Verkauf bzw. zur baulicher Nutzung verpflichtet. Möchte der Grundeigentümer Teile des Baulandes selbst zum Bau von Wohngebäuden für sich oder Angehörige nutzen, dann ist der dafür notwendige Bodenanteil aus dem für den freien Markt bestimmten 50%-Anteil zu nehmen.

§ 6. Das FHW errichtet auf dem gemäß § 5 erworbenen Bauland Wohngebäude entsprechend dem für den Bezirk ermittelten Bedarf. Die neu zu errichtenden Wohngebäude sollen von einfacher bis mittlerer Ausstattung bei insgesamt solider Bauweise sein. Die Wohnungen sollen von unterschiedlicher Größe sein, um unterschiedlichen Anforderungen zu genügen, der Flächenbedarf soll dabei einfachen bis mittleren Ansprüchen genügen. Die FHWe sind frei, entsprechend den örtlichen Bedürfnissen Geschosswohnungen, Reihen- und Doppelhäuser oder Einfamilienhäuser zu bauen. Sie sind frei, die Wohneinheiten entsprechend den örtlichen Bedürfnissen zur Miete oder zum Kauf oder zu beidem anzubieten.

§ 7. Die Größe der FHW-Wohnungen soll zwischen 30 und 90 Quadratmetern Wohnfläche, die der FHW-Häuser zwischen 60 und 100 Quadratmeter betragen. Für den Geschosswohnungsbau sind maximal drei Stockwerke mit maximal drei Wohneinheiten je Haus vorgesehen. Für jedes Haus mit Geschosswohnungen ist ausreichend Grünfläche, mindestens entsprechend dem Doppelten der Gesamtwohnfläche, vorzusehen. Die Mindestgrundstücksgröße bei Reihenhäusern wird auf 250 Quadratmeter, bei Doppelhäusern auf 320 Quadratmeter und bei freistehenden Einfamilienhäusern auf 420 Quadratmeter festgelegt.

§ 8. Die Vergabe der Wohneinheiten wird durch die FHWe vorgenommen. Sie hat sich ausschließlich an sozialen Kriterien zu orientieren. Ausschlaggebend sind: A.) Einkommen und Vermögen. Diese sind dadurch nachzuweisen, dass dem FHW die Abfrage der Einkommen- und Vermögenssteuerbescheide der letzten 3 Jahre aller im Haushalt lebenden Personen bei den Finanzämtern gestattet wird. B.) Zahl der Personen pro Haushalt. C. ) Familien mit Kindern sind entsprechend der Kinderzahl bei der Vergabe zu bevorzugen. Reihen-, Doppel- und einzelne Häuser sollen bevorzugt an Familien mit Kindern vergeben werden. Die Größe der jeweils zu vergebenden Wohnungen/Häuser richtet sich nach der Personenzahl der beantragenden Haushalte.

§ 9. Die FHWe arbeiten gewinnfrei. Die Kosten für den Kauf einer Wohneinheit oder eine längerfristige Miete haben sich an den tatsächlich entstandenen Kosten (Grundstückserwerb entsprechend § 5; Erschließungskosten; Baukosten; Verwaltungskosten der FHWe) und bei Miete auch die längerfristig entstehenden Unterhaltskosten zu orientieren.

§ 10. Für den Erwerb einer selbst bewohnten oder selbst zu beziehenden Wohneinheit vergibt der Staat Beihilfen, die sich an Einkommen und Vermögen aller im Haushalt lebenden Personen, an der Zahl der Personen pro Haushalt und der Zahl der Kinder orientieren. Der Nachweis ist wie bei § 8 zu führen. An staatlichen Beihilfen gibt es A.) freie Zuschüsse, B.) günstige langfristige Kredite. Identische Vergünstigungen können auch diejenigen in Anspruch nehmen, die eine Immobilie zum eigenen Gebrauch auf dem freien Wohnungsmarkt erwerben wollen. Details regelt ein Ausführungsgesetz.

§ 11. Der Rahmen für das in § 9. genannte Ausführungsgesetz wird hiermit wie folgt festgelegt am Beispiel einer Familie mit zwei Elternteilen und zwei Kindern. Aus dem Schnitt des in den letzten drei Jahren erzielten zu versteuernden Jahreseinkommens und des Gesamtvermögens ist die Summe zu bilden. Für eine vierköpfige Familie wie beschrieben soll der Staat bei einer sich ergebenden Gesamtsumme aus Jahreseinkommen und Vermögen (Grundlage: Stand 1973) bis zu 100.000 Dn. 25 % als Zuschuss zahlen und 60 % als Kredit auf 20 Jahre mit einer Zinssumme von 2 %. Bei bis zu 150.000 Dn. zahle die Staatskasse 10 % Zuschuss und gewähre 60 % als Kredit auf 20 Jahre mit einer Zinssumme von 2 %. Bei bis zu 200.000 Dn. gewähre der Staat 60 % als Kredit auf 20 Jahre mit einer Zinssumme von 2,5 %. Bei bis zu 400.000 Dn. gewähre der Staat 50 % als Kredit auf 10 Jahre mit einer Zinssumme von 3 %. Vorzeitige Kreditrückzahlungen in Teilen oder vollständig sollen jederzeit möglich sein.

§ 12. Die FHWe dürfen ihre Wohneinheiten nur an Selbstbewohner und nicht als Investment verkaufen.

§ 13. Möchte ein Bewohner einer von der FHW gebauten oder erworbenen Wohneinheit diese verkaufen, so muss er sie an die FHW zurückverkaufen. Der Kaufpreis richtet sich dabei nach den ortsüblichen Preisen für FHW-Wohnungen und Häuser. Erfolgen Verkauf und Auszug weniger als acht Jahre nach Kauf und Einzug, werden die vom Staat rückzahlungsfrei nach § 11 gewährten Zuschüsse von dem dem Verkäufer seitens des FHW zu zahlenden Kaufpreis abgezogen.

§ 14. Dieses Gesetz tritt mit dem 3. März 1973 in Kraft.

Ja, und das war es schon. Wie sieht es wohl heute, 50 Jahre später, in diesem Land aus, verglichen mit Deutschland? Ich vermute mal, in Ix gäbe es in einer mit Berlin oder München vergleichbaren Stadt genug Briefträger und Busfahrer und Kellner, die mit ihren Familien in eigenen Wohnungen und Häuschen wohl ganz zufrieden leben würden. Tja, das wäre halt ein Punkt, in dem sich ein gut regiertes von einem schlecht regierten Land unterscheidet. Von der Länge und allgemeinen Verständlichkeit der Gesetze mal abgesehen.

Fortsetzung folgt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Dietrich Klose

Vielfältig interessiert am aktuellen Geschehen, zur Zeit besonders: Ukraine, Russland, Jemen, Rolle der USA, Neoliberalismus, Ausbeutung der 3. Welt

Dietrich Klose

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden