Es beginnt mit verstohlenen Blicken und dem Getuschel seiner Studenten, dann kommt er der Empfangsdame eines Restaurants merkwürdig bekannt vor, und schließlich wird er auf offener Straße ganz unverhohlen angestarrt. Wie ein Spiegelkabinett der Irritationen fühlt sich sein eigentlich wohlbekanntes Leben in den ersten Szenen von Dream Scenario für Paul Matthews (Nicolas Cage) an, einen unauffälligen Mann mittleren Alters, der an der (fiktiven) Osler-Universität Evolutionsbiologie lehrt.
Als er und seine Ehefrau Janet (Julianne Nicholson) nach einer Theatervorstellung von seiner Ex-Freundin Claire angesprochen werden, kommt Paul dem Rätsel über das seltsame Verhalten seiner Umgebung näher: Claire hat von Paul geträumt, obwohl sie sich lan
obwohl sie sich lange nicht gesehen haben. Kurz darauf berichtet ihm sein Bekannter Richard, dass er Freunde hat, die von Paul geträumt hätten, obwohl sie ihm nie begegnet sind. Als Claire dann einen Blog über Pauls Erscheinen in ihrem Traum samt Link zu seinem Social-Media-Profil veröffentlicht, erkennen ihn Tausende von Menschen wieder – aus ihren Träumen.Durch dieses unerklärliche Phänomen und den Medienrummel um die „Traum-Epidemie“ wird Paul über Nacht unverhofft zur Sensation. Bald erhält er das Ausmaß an Aufmerksamkeit, das die Protagonistin von Kristoffer Borglis vorherigem Film Sick of Myself nur durch gezielte und brachiale Selbstzerstörung erlangen konnte. Doch Pauls Freude über das abrupt erwachte Interesse an ihm währt nur kurz: Er erfährt, dass er in all den Träumen, in denen er auftaucht, merkwürdig unbeteiligt bleibt. Ungerührt tapst er etwa durch den wie ein surreales Gemälde eingefassten Traum einer Studentin, die im Begriff ist, von zwei Alligatoren angegriffen zu werden. Zu seinem Verdruss bleibt Paul auch in anderen Horrorszenarien tatenlos, was ihn bald erkennen lässt, dass diese Art von kurioser Aufmerksamkeit ihm immer noch nicht das liefert, wonach er eigentlich giert: Anerkennung.Gekränktes Akademiker-EgoBeachtenswert sorgsam hat der norwegische Regisseur und Drehbuchautor Kristoffer Borgli seinen Protagonisten in dieser erneuten schwarzhumorigen Annäherung an die Facetten der Aufmerksamkeitssucht unserer Gegenwart konzipiert. Dream Scenario besticht zunächst mit dem Psychogramm eines unsicheren Mannes, den Nicolas Cage mit ungewohnt nuancierter Zurückhaltung spielt – als Professor mit gesichertem Lehrauftrag und liebevoller Familie, an dem aber trotzdem der ausbleibende Forscherruhm nagt. Während befreundete Akademiker*innen nämlich viel beachtete wissenschaftliche Artikel und Bücher veröffentlichen, bleibt Paul unpubliziert, was wiederum auf seine fehlende Eigeninitiative zurückzuführen ist.Und so zeigt er sich bei allem Bemühen um Ernsthaftigkeit nach seinem unverdienten Ruhm aufgeschlossen gegenüber den unseriösen Marketingangeboten des Marketing-Millennials Trent (Michael Cera). Doch noch bevor Paul das Angebot überdenken kann, für einen Softdrink zu werben, wandeln sich die Traumerscheinungen auf bedenkliche Weise: Die Menschen haben plötzlich furchterregende und brutale Albträume über ihn, in denen er alles andere als tatenlos bleibt.Mit dem daraus folgenden rapiden Meinungsumschwung über Paul wendet sich Dream Scenario schließlich den Mechanismen medialer Aufmerksamkeitsökonomie unserer Gegenwart zu. Leider verquirlt Borgli in seinem bis hierhin so beiläufig witzigen Film viele Querverweise zu aktuellen und polarisierenden Online-Phänomenen, ohne eins davon wirklich näher anzugehen. Gefühlte Cancel Culture, die Alt-Right-Pipeline, Therapy Speak, unaufrichtige Entschuldigungsvideos – dies alles wirbelt in Dream Scenario bald wild umher, um Pauls tragikomischen Niedergang vorzubereiten. Der stellt sich trotz aller Realbezüge und sehenswerter Abstraktion über die Diskrepanz von Selbst- und Fremdwahrnehmung letzten Endes etwas unoriginell als Folge eines zu Kopf gestiegenen Ruhms dar.Damit vergibt Borgli nach der schmerzhaft treffenden Satire Sick of Myself einiges an Potenzial, wenn es um die wirkungsvolle Durchleuchtung der gegenwärtigen Obsession mit öffentlicher Aufmerksamkeit geht. Welchem Aspekt davon er sich als Nächstes widmet, bleibt dennoch mit Spannung zu erwarten.Eingebetteter MedieninhaltPlaceholder infobox-1