Harold Faltermeyer: "Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler!"

Interview Das musikalische Theaterstück „Brauchen sie 'ne Quittung?“ feiert am 27.07.2022 Berlin-Premiere in der Komödie am Kurfürstendamm (Schiller Theater).

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Der zweifache Grammy-Gewinner („Beverly Hills Cop“, „Top Gun“), Produzent von Disco-Ikonen wie Donna Summer („Hot Stuff“), Pet Shop Boys (Album „Behaviour“) und aktuell als Co-Produzent in den Charts („Top Gun: Maverick“) im Gespräch zu seinem ersten musikalischen Theaterstück „Brauchen Sie 'ne Quittung?“.

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Wie entstand die Idee ihres musikalischen Theaterstück-Titels "Brauchen Sie 'ne Quittung“?

Harold Faltermeyer: „Das ist dem Genius von René Heinersdorff zuzuschreiben. Er hatte auch die geniale Idee, das Stück komplett im Taxi spielen zu lassen. Wir wussten erst nicht genau, wie wir so ein Stück nennen sollen. Zum einen ist es die Geschichte zweier Menschen, die aus verschiedenen musikalischen Welten kommen. Polly Hunter, gespielt von Anja Kruse, war eine berühmte Schlagersängerin, sie ist aber bereits weit über ihren Zenit.

Ingolf Lück spielt den Taxifahrer Jeremy Cooper - ein super Saxophonist - der aber leider finanziell ohne Erfolg ist. Für ihn ist Jazz sein Leben. Er ist eigentlich der richtige Musiker!“

Also gibt es in Ihrem musikalischen Theaterstück Jazz- und Popmusik.

Harold Faltermeyer: „Es ist Jazz und Pop, aber auch ein Schlager! Es zeigt die Metamorphose einer Sängerin, die ein Leben lang nur das machte, was man ihr gesagt hat. Und das war Schlager! Sie wollte eigentlich immer was anderes machen, aber andere Musik wollte niemand von ihr hören. Dieses Schicksal kennen wir von vielen Stars, wie zum Beispiel Roy Black. Er wollte immer Rock 'n' Roll singen. Das konnte er nicht machen, da er immer als Schlagersänger abgestempelt wurde. Das ist auch in Ordnung; ich sage immer, dass es keine schlechte Musik gibt, sondern nur schlecht gemachte Musik.

Schlager können fantastisch gut produziert sein, das sieht man auch am Erfolg des Schlagers. Auch zu seinem Stellenwert ist nichts hinzuzufügen. In diesem Theaterstück wollte ich auch nie auf irgendeine Art und Weise zynisch sein. Ich muss aber den Schlager skizzieren, weil er eben die Metamorphose der Polly Hunter zeigt. Aber letztlich macht sie mit dem Jazzmusiker dann zusammen Musik. In dieser neuen Rolle fühlt sie sich auch ganz wohl. Es kommt zu einem fulminanten Höhepunkt, denn es entsteht ein Popsong, wie ihn Whitney Houston hätte singen können! Jetzt darf Polly Hunter endlich das machen, was sie immer schon gerne machen wollte! Es kommen sehr unterschiedliche Musikrichtung in diesem Theaterstück vor: Blues, sowie ein vollkommenes Nonsens-Lied, das die beiden dann auf der Straße spielen, quasi als Straßenmusiker agieren und überhaupt keinen Erfolg damit haben, aber dann trotzdem wieder die Gelegenheit haben, ein Stück miteinander in einem Club zu spielen. Damit sind sie erfolgreich und streiten ums Geld. Es kommt auch Bossa Nova vor, man wird einen breiten Bogen meiner musikalischen Arbeit kennenlernen."

Wird es die Musik auch auf CD Oder Vinyl geben?

Harold Faltermeyer: „Das kann durchaus sein. Ich wurde inzwischen öfters danach gefragt, ob es eine Tonträger-Veröffentlichung gibt.“

Eines der Lieder heißt „Nur die Liebe zählt“…

Harold Faltermeyer: "„Nur die Liebe zählt“ ist das erste Lied, das in dem Stück vorkommt. Der Schlager. Der Taxifahrer erkennt die Berühmtheit nicht, die zu ihm ins Taxi steigt, um vom Studio nach Hause gefahren zu werden. Polly Hunter ist sehr pikiert, dass er sie nicht erkennt! Er ist eben musikalisch aus einer vollkommen anderen Welt als sie. Jeder andere würde Polly Hunter sofort erkennen! Aus der heutigen Sicht hätte sie den Bekanntheitsgrad einer Helene Fischer, Claudia Jung, Andrea Berg. Sie war in den achtziger Jahren so berühmt wie dieses Standing.“

Einer ihrer Kult-Popsongs ist das Instrumental „Axel F“, das so ziemlich jeder kennt, sei es im Original oder in der Cover-Version. Haben Sie eigentlich vor, noch einmal so etwas in dieser Art zu produzieren?

Harold Faltermeyer: „Man wird das immer versuchen wollen, doch es ist halt in der Natur der Dinge: Ein Hit gelingt nicht immer! Ich hab sehr viele Lieder geschrieben, die wurden Hits – aber ich hab wesentlich mehr geschrieben, die Flops wurden. Man hat mich oft gefragt, ob es von „Axel F“ eine Fortsetzung geben wird. Ich entwickle mich ständig weiter und meine Melodien sind jetzt anders, als wie sie es vor 40 Jahren waren. Wenn sich jetzt wie im konkreten Fall mit „Top Gun Maverick“ eine Melodie wie das „Top Gun Anthem“ für den neuen Film wieder neu entwickelt, neu erfindet – dann ist es eine Hommage an den Komponisten und nicht zu verhindern. Darüber bin ich auch froh. Aber einen Hit auf Kommando zu schreiben, das ist unmöglich. Der Hit wird durch die Zuhörer gemacht und nicht durch die Plattenfirmen. Das ist wie beim Fisch: der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler!

Ich hab nie dasselbe wieder machen wollen. Kurz nach „Axel F“ gab es eine Melodie, die ist auch in den Clubs hoch gewertet worden, die „Fletch“ hieß, aus dem gleichnamigen Film mit Chevy Case. Dieser Song ist auch von der Methodik her „Axel F“ ähnlich. Es geht aber schon in eine härtere Gangart hin zu Rock 'n' Roll, während „Axel F“ ja vollkommen spielerisch ist."

Ihr erster größter Hit war „Hot Stuff“ mit Disco-Queen Donna Summer. Das Lied schaffte es im Remix von Kygo wieder in die internationalen Charts. Wenn Sie sich die sonstigen Platzierungen in den aktuellen deutschen Charts als ernstzunehmender Musiker anhören, können Sie damit noch etwas anfangen?

Harold Faltermeyer: „Damit tue ich mich fürchterlich schwer! Durch diese Schnell-Veröffentlichungen von verschiedenstem Liedgut, hat das einzelne Lied gar keine Zeit mehr hochzukommen. Es geht alles viel zu schnell. Man macht auch keine Promotion mehr für eine Single oder ein Album. Es ist alles sehr schnell produziert, jeder hat sein eigenes Label, es ist alles sehr schnell hochgeladen. Innerhalb weniger Tage hat man einen Upload, der weltweit veröffentlicht und als Stream bereit ist. Die heutige Zeit ist vollkommen anders und das tut der Musik nicht gut!"

Haben sie zu Ihrem diesjährigen 70. Geburtstag schon etwas geplant?

Harold Faltermeyer: „Der 70. Geburtstag wird ganz privat werden. Wir feiern nur mit family&friends. Am 05. Oktober ist mein Geburtstag und im Nachgang wird es dann in München am 9. Oktober eine große Vernissage in der bekannten Galerie Andreas Baumgartl geben, wo wir alle Freunde und auch die Presse einladen. Ich mache mit meinen Lieblingskünstlern eine Ausstellung, die heißt „6 + 1 = 70“ (lacht).

Ich male seit Jahren u.a. Poparthirschen, es sind nur kaum welche mehr da, also muss ich mich ranhalten. Es sind 6 Künstler von Berlin (der berühmte Mauerkünstler Kiddy Citny) über Salzburg (Jürgen Fux) bis London (Tilo Kaiser) und meine Person und das Schlagwort 70.“

Gibt es eine Veröffentlichung als „Special Edition“ zum 70. Ehrentag?

Harold Faltermeyer: „Nein, bisher ist hinsichtlich dessen noch nichts geplant, obwohl ich mir das noch offen halte.“

Erstmals in der Historie von Harold Faltermeyer wurde sein Werk in Form eines großen Orchesterkonzertes von MOSMA, dem Festival für Filmmusik in Malaga, geehrt.

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Termine "Brauchen Sie 'ne Quittung?"

27.07.2022, Mi, 20:00 Premiere

28.07.2022, Do, 20:00

29.07.2022, Fr, 20:00

30.07.2022, Sa, 20:00

31.07.2022, So, 18:00

02.08.2022, Di, 20:00

03.08.2022, Mi, 20:00

04.08.2022, Do, 20:00

05.08.2022, Fr, 20:00

06.08.2022, Sa, 20:00

07.08.2022, So, 18:00

Telefonische Kartenvorbestellung:

(030) 88 59 11 88

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Autorisiert von Birgitt Wolff, Harold Faltermeyer
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Geschrieben von

Martin Döringer

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