Sachdienliche Hinweise zu einer Kontroverse von gestern

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Als Bürger (lat. civis) werden die Angehörigen eines Staates und einer Kommune bezeichnet. Im staatsrechtlichen Sinne ist der Staatsangehörige der Staatsbürger, auf kommunaler Ebene der Bürger einer Stadt oder Gemeinde. [...] In einem weiteren Sinn kann Bürger aber auch alle Menschen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit oder Nationalität bedeuten (Wikipedia).

Nanu? It's a man's world? Hm. Wie das? Abstraktionsvermögen nennen wir die oft vorhandene Fähigkeit unseres Schädelinhalts, von Details - in diesem Fall der Geschlechtszugehörigkeit - abzusehen, um übergeordnete Zusammenhänge zu verstehen bzw. sprachlich darzustellen.

Bürger, mask., bezeichnet ursprünglich einen Stand und wandelte sich im Lauf der Geschichte, siehe oben. Ähnlich gibt es Berufsbezeichnungen - Arzt, Lehrer, Schlachter. Die grammatische Form ist maskulin, weil abstrahiert und nicht an Geschlechtszugehörigkeit gedacht wird, sondern an die Person bzw. an ihre berufliche Tätigkeit (auch beim Wort Person, feminin, denken wir nicht an Geschlechtszugehörigkeit).

So weit, so gut. Andersherum stellt sich ja nun beinahe die Frage, weshalb es denn überhaupt die weiblichen Formen (Ärztin, Lehrerin, Schlachterin) gibt. Nein, es ist nicht kompliziert. Man benutzt die weibliche Form, wenn die konkrete Person vor einem steht oder man sie vor Augen hat bzw. über sie spricht: Frau Müller ist Ärztin. In diesem Fall ist's konkret, unser Schädelinhalt weiß das und abstrahiert nicht, und unser Sprechwerkzeug sagt Ärztin.

Das gilt ebenso für den Plural; wenn man vor Ärzten steht: Sehr geehrte Ärztinnen und Ärzte; wenn man vor Menschen steht: Liebe Bürgerinnen und Bürger, und es ist eine zur Selbstverständlichkeit gewordene Form von Höflichkeit, die weibliche Form zu gebrauchen.

Doch reichst du mir den kleinen Finger, so greif ich gleich nach deiner ganzen Hand, irgendwer hatte Ehrgeiz und überschüssige Energien, und eine unversehens mißhandelte Sprache erkennt sich nicht wieder. Da wird die freundliche Form des Redens im persönlichen Umgang plötzlich schriftlichen Texten aufgezwungen, die Sprachreform promotet die Majuskel i auf den Markt.

Fragt man sich, was einem als nächstes ins Haus steht und ob man die begrenzten Energien nicht besser den Problemen zuwenden sollte.

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Geschrieben von

Dreizehn

Lebe in einem Winkel der Stadt, lese, schreibe gelegentlich.

Dreizehn

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