Wir schreiben jetzt Romane

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Seine Haare hängen wie ein Vorhang über der Stirn. Ja, stimmt, der erste Satz sagt bereits alles über den übrigen Text. Richtig, sehr aufmerksam, es handelt sich um eine Reportage der Süddeutschen Zeitung.

Auch das, ja, es geht um den "Maskenmann" und um die Verkündung des Urteils vor dem Landgericht Stade. Was wir erfahren? Ach, es wird hübsch nacherzählt, so bannig grauslige Fakten, so Details Biographie - schüchternes, ängstliches Kind, ach, ach -, so Geständnis. Und romanrund geschlossen mit dem hübsch aufmunternden Satz Sie sind und bleiben ein Mensch vom Richter an den Verurteilten mitsamt dem Hinweis, dass immer auch Hoffnung sei, wie schön ist die Welt in Stade.

Was wir draus lernen? Hm. Da schreibt offenbar der Journalist 2.0 vom Bildungsbürgertum neuen Typs: des BILDungsbürgertums. Gedanken kommen nicht mehr auf.

"Hoffnung" zum Beispiel, da hätte ein Gedanke wachsen können oder zumindest ein Zweifel, der einen Gedanken anschiebt: Will Richter Appelkamp den Verurteilten veräppeln? Gut, das ist nicht freundlich, das denkt man nur, das schreibt man nicht. Aber daraus hätte ein Gedanke wachsen können. Denn für Martin M. ist vorsorglich auch nach Ablauf der Haftzeit bereits jetzt Sicherungsverwahrung verordnet. Der Gedanke könnte lauten: Diese Gesellschaft ist unfähig, mit Menschen umzugehen, sie sperrt sie aus. Ich unterbrech hier mal.

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Geschrieben von

Dreizehn

Lebe in einem Winkel der Stadt, lese, schreibe gelegentlich.

Dreizehn

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