"Aufstehen" unter Beschuss.

linke Bewegung Am neoliberalen Zeitgeist und der ihr adäquaten Politik darf offensichtlich nicht gerüttelt werden

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Die Kritik an der neuen linken Bewegung „aufstehen“ ist so dümmlich, verzerrend und erkennbar interessengesteuert, dahingehend, dass am neoliberalen Credo nicht gerüttelt werden soll. So versuchen sich Professoren, Journalisten, Politiker und Künstler (z.B. Lothar Probst, Holger Schmale , Meli Kijak, Thomas Oppermann, Johannes Kahrs, Klaus Staeck) dieses neue "Pflänzchen" mit viel Kanonendonner wieder von der politischen Bühne zu fegen.

Völlig absurd wird es hierbei, wenn versucht wird, „aufstehen“ in die Nähe von Marine Le Pen und ihrer „ Nationalen Sammlungsbewegung“ („Rassemblement National“: RN) zu rücken.

Ich fühle mich daher motiviert, diesem extremen Diskreditierungsversuch, durch einen kurzen Vergleich der jeweiligen Schlüsselanliegen entgegenzuwirken.

Bezüglich „aufstehen“ gibt es kein offizielles Manifest oder Programm, aber zahlreiche Texte mit Manifestcharakter ( von Wagenkneht, Antje Vollmer, Sevim Dagdelen, Marko Bülow, Oskar Lafontaine u.a.), auf die ich mich hierbei stütze.

"aufstehen" kontra Le Pen

  • Le Pen wünscht ein Referendum über einen Austritt Frankreichs aus der EU ("Frexit").

Ein Austritt aus der EU plant "aufstehen" (gegenwärtig) nicht; wohl aber eine Reform in Richtung mehr Demokratie, Stopp der Austeritätspolitik, Politik für die Menschen in Europa, nicht für die Konzerne und Banken

  • Le Pen sieht den Sieg von Donald Trump in den USA als Zeichen, dass auch ihre Stunde gekommen ist.

"aufstehen" kritisiert die Trumpsche Politik vehement - und sieht natürlich in Trump kein zu imitierendes Vorbild

  • Le Pen will den Euro aufgeben und zu einer nationalen Währung zurückkehren. Eine europäische Gemeinschaftswährung solle aber beispielsweise für die Geschäftstätigkeiten großer Unternehmen möglich bleiben.

"aufstehen" will keinen Austritt aus dem Euro

  • Xenophobie ist ein bestimmendes Thema bei Le Pen: Statt Judentum ist das neue Feindbild der Islam. Ein Thema, das Le Pen vor allem vor dem Hintergrund der islamistischen Anschlagsserie in Frankreich herausstellt.

"aufstehen" lehnt Xenophobie" ab - und fordert eine Bekämpfung des Terrorismus durch bessere Polizeiarbeit und Prävention. Dazu gehört auch, Einfluss zu nehmen auf die westlichen Kriegsparteien (USA, aber auch England und Frankreich), die durch ihre Interventionskriege (Irak, Lybien,Pakistan, Jemen, Somalia ..) den Terrorismus produziert haben

  • Marine Le Pen setzt wirtschaftlich auf Protektionismus, nach dem Motto "Frankreich zuerst"

"aufstehen" setzt auf europäische und globale Solidarität, Abbau des deutschen Außenhandelsüberschuß und Stärkung der Binnenwirtschaft… Re-Nationalisierungen (Re-Verstaatlichungen) sind denkbar und wünschenswert. Hierbei wären Änderungen im EU-Wirtschaftsrecht erforderlich und zielführend (!). Nationalisierungspläne für die Bahn, Post, Energie - sowie etlichen öffentlich-privaten Partnerschaften (z.B. bei BABs) sollten avisiert werden.

Während viele Mitgliedsstaaten der Europäischen Union über nationalisierte Industrien und Versorgungsunternehmen verfügen, geben EU-Vorschriften einen Privatisierungskurs vor und machen Renationalisierung bestenfalls ineffektiv und schlimmstenfalls unmöglich. Denn staatlichen Monopolen gegenüber ist die Europäische Union notorisch feindlich gesinnt und fordert, dass öffentliche Unternehmungen den gleichen Wettbewerbsregeln unterliegen sollen wie der private Sektor. In der Praxis bedeutet die EU-Vorschrift zum Verbot öffentlicher Monopole, dass der Staat lediglich als Eigentümer eines Dienstleistungsanbieters auf dem freien Markt auftreten, nicht aber diesen Markt gänzlich abschaffen darf. Staatliche Anbieter wären gezwungen mit anderen Anbietern zu konkurrieren, die ihrerseits nicht den gleichen Zwängen unterliegen. Die Geschichte solcher Regelungen in ganz Europa zeigt, wie einfach staatliche Anbieter von Konkurrenten unterboten werden, die ihre Kosten durch geringere Löhne sowie Gesundheits- und Sicherheitsstandards senken oder nur dort ihre Dienstleistungen anbieten, wo diese Profite versprechen.

  • Le Pen will in der Französischen Verfassung das Prinzip der "nationalen Priorität" verankern - Franzosen sollen den Vorzug beispielsweise bei Arbeitsplätzen und Sozialwohnungen erhalten.

"aufstehen" spielt nicht "deutsche" gegen "nichtdeutsche" Bürger aus, sondern versucht, durch eine verbesserte Steuerpolitik, die die Reichen stärker belastet als bisher, durch engagierten Kampf gegen Steuerflucht und durch Kürzungen im Rüstungshaushalt so viel Geld zu generieren, dass genug Sozialwohnungen bzw. bezahlbare Wohnungen finanzierbar sind.

Durch die Stärkung des Binnenmarktes entstehen auch neue Arbeitsplätze; z.B. auch durch zusätzliches Personal in der Pflege.

  • Freihandelsabkommen lehnt die Front National ab. Importierte Waren und Dienstleistung sollen mit einer Sondersteuer von drei Prozent belegt werden. Mit dem Geld soll eine Prämie für Geringverdiener und Rentner finanziert werden.

"aufstehen" ist für bessere Löhne durch Änderung der Hartz-Gesetze, für eine Rentengesetzgebung nach dem Beispiel Österreichs und für eine Wiederherstellung der sozialen Sicherungssysteme.

Und: Freihandelsabkommen sollten so formuliert werden, dass sie vor allem den Interessen der Menschen dienen ( europäische Standards etwa im Verbraucher- und Umweltschutz oder im sozialen Bereich müssen eingehalten werden; keine Einschränkung demokratischer Rechte; keine Sondergerichte, keine Entschädigungszahlungen, wenn die Einfuhr bestimmter Waren gestoppt wird) und nicht einseitig den Konzernen!

  • Le Pen befürwortet die Todesstrafe.und bei besonders schweren Straftaten lebenslange Gefängnisstrafen ohne Aussicht auf Haftentlassung. Sie will Volksinitiativen in Frankreich einführen - und regt an, dass die Franzosen auf diesem Weg eine Rückkehr zur Todesstrafe beschließen könnten.

"aufstehen" setzt dagegen auf Prävention und Resozialisierung.

  • Die RN ist sehr auf die Leitfigur Le Pen fixiert;

"aufstehen" dagegen setzt auf viele, die mitarbeiten und eine gemeinsame linke Alternative entwickeln!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Erich Becker

Buch- und Theater-Autor

Erich Becker

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