Olaf Scholz als Friedenskanzler?

Aus Fehlern lernen! Mut ist nun gefragt. Bleibt der Kanzler bei seinem "NEIN" zu Taurus-Lieferungen in die Ukraine könnte er großes leisten - und als Friedenskanzler in die Geschichte eingehen.

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Olaf Scholz der Versager?

Heute habe ich wieder einmal eine zitierfähige Aussage in Gabor Steingarts Morning Briefing gefunden:

„Im Amerikanischen gibt es die wunderbare Redewendung: „If the man meets the moment.“

Damit ist gemeint: Jemand wächst in historischer Stunde zu übernatürlicher Größe auf. Der Unternehmer Oskar Schindler zum Beispiel, als er in der Nazizeit 1.200 bei ihm beschäftigte Juden vor der Deportation rettete. Oder Bundeskanzler Willy Brandt, als er beim Besuch des Warschauer Ghettos spontan auf die Knie sank.

Der Moment hat diese Menschen nicht erniedrigt, sondern erhoben. Er hat sie größer gemacht, als sie vorher waren. So wurden sie vor aller Augen, um eine weitere amerikanische Redewendung zu zitieren, zum „bigger than life character“.

Passt das auch aktuell für unseren Kanzler Olaf Scholz?

Scholz hat in seinem politischen Leben sicherlich schon vieles falsch gemacht; denn er ist mitverantwortlich für den Niedergang der SPD.

Seit Willy Brands Kanzlerschaft (1969 – 1974) mit rund 45% Wählerstimmen sank die SPD über die Schmidt-Ära (1974 – 1982) auf rund 40%, dann unter Kanzler Schröder (1998 – 2005) auf 35% und heute auf furchterregende 15%.

Olaf Scholz war daran entscheidend beteiligt :

Als Mitglied im Parteivorstand (seit 2001), als Generalsekretär (2002 – 2004), als Hamburger Innensenator (2001), als 1. Bürgermeister von Hamburg (2011 – 2018), als Bundesminister für Arbeit und Soziales (2007 – 2009), seit 2018 als Finanzminister der GroKo und seit dem 7.12.2021 als Kanzler der Ampelregierung.

Erstens: Er hat in Hamburg versagt:

bei seinem „Brechmitteleinsatz“ zur Beweissicherung bei Drogendealern als Hamburger Innensenator, der zu einem Todesfall führte und später vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als menschenrechtswidrig verurteilt wurde.

Bei dem katastrophalen G20-Gipfel in Hamburg; wobei er alle Warnungen im Vorfeld konsequent weglächelte. Mit G20 hat Olaf Scholz eine (seine) ganze Stadt in den Ausnahmezustand versetzt und zugelassen, dass massenhaft durch Polizei und auch Bundeswehr Gesetze gebrochen wurden. (etwa 30 000 Polizisten (!) waren dabei im Einsatz, die statt De-Eskalation das Gegenteil bewirkten)

Bezüglich der Absicht, an der Elbe Olympia feiern zu lassen – und damit die Bürger der Hansestadt mit Millionen zu belasten. Glücklicherweise hat die Kampagne OLYMPIA NO dies gestoppt.

Bei seiner Umsetzung der Schuldenbremse in Hamburg; denn er ist dafür verantwortlich, dass die Hamburger Verkehrs- Bildungs- und Sozialinfrastruktur extrem unterversorgt ist.

Auch bei seinen Privatisierungsprojekten in Hamburg, die z.B. das Gesundheitswesen erheblich verschlechterten.

Heute belasten ihn vor allem sein Versagen bei den Cum-Ex-Geschäften in Hamburg:

Banker, Top-Anwälte und Steuerberater haben sich jahrelang vom Staat Steuern erstatten lassen, die sie zuvor nie gezahlt haben - ein illegaler Griff in die Staatskasse, der den Fiskus mehrere Milliarden Euro gekostet hat.

Die Hamburger Privatbank MM Warburg hat, wie viele andere Banken auch, mit den illegalen Cum-Ex-Geschäften Millionen verdient. Nachdem das Landgericht Bonn 2019 die Bank zur Rückzahlung der Cum-Ex-Beute verdonnert hatte, erstattete die Bank das Geld an den Fiskus.

Warum wurde aus dem Fall Warburg eine Politaffäre? 2016 schaltete sich das Hamburger Finanzamt ein und prüfte, ob die Warburg-Bank die Cum-Ex-Beute zurückzahlen müsse. Allein für Cum-Ex-Geschäfte aus dem Jahr 2009 sollte die Bank 47 Millionen Euro erstatten. Lange Zeit sah es so aus, als würden die Finanzbehörden durchgreifen. Doch im November 2016 verzichtete das Finanzamt plötzlich auf die Millionenzahlung - angeblich wegen juristischer Risiken.Durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln kamen später Tagebücher des Warburg-Eigentümers Christian Olearius ans Licht. Darin beschrieb der Banker, der einflussreiche SPD-Politiker Johannes Kahrs und der frühere SPD-Innensenator Alfons Pawelczyk hätten ihm Hilfe zugesagt. Zudem traf sich Olearius im fraglichen Zeitraum demnach drei Mal mit dem damaligen Ersten Bürgermeister der Hansestadt und heutigen Bundeskanzler, Olaf Scholz. Laut Olearius soll es um Cum-Ex gegangen sein, Scholz gab an, sich nicht an die Inhalte der Gespräche zu erinnern. Scholz war gegenüber Kahrs und Pawelczyk weisungsbefugt!

Zweitens: Er hat als Generalsekretär versagt:

Für Hartz IV ist er mitverantwortlich – und damit für den neoliberalen Kurswechsel

Konsequenterweise wollte er gar den Begriff des „Demokratischen Sozialismus“ aus dem Grundsatzprogramm streichen.

Drittens: Er hat als Finanzminister versagt:

Er führte die Austeritätspolitik seines Vorgängers Schäuble nahtlos fort – mit verheerenden Folgen. Beispiele dazu:

  • Finanzminister Scholz setzte bei Bildung den Rotstift an. Der Etat für Bildung und Forschung im Bundeshaushalt wurde drastisch gekürzt
  • Ein Drittel des Bundesstraßennetzes und jeder sechste Autobahnkilometer sind substanziell marode. Auf 11813 Kilometer Bundesstraße wurden tieferliegende Schäden festgestellt. Auf 5481 Kilometer ist die Fahrsicherheit beeinträchtigt.
  • Kürzungen in Krankenhäusern und beim Bahnnetz sind ebenfalls inakzeptabel.
  • Der Rüstungshaushalt dagegen wurde erhöht.

Scholz beschreibt sein Versagen als verantwortlicher Finanzminister - scheinbar hilflos und apathisch - mit den Worten "die fetten Jahre sind vorbei"!

Viertens: Er hat als Kanzler der Groko versagt:

- durch das Anheizen des Ukraine-Krieges und weitestgehender Verzicht auf Diplomatie;

- durch geduldiges Hinnehmen der Nordstream-Sprengungen;

- durch das Mittragen einer weit überzogenen Anti-Corona-Politik;

- durch die Duldung einer wenig durchdachten und volkswirtschaftlich schädlichen Energiewende-Politik.

Kann man das alles vergessen; sollte man verzeihen?

Olaf Scholz der Friedensfürst?

In einer Zeit, in der der 3. Weltkrieg droht und Scholz durchaus einen sehr relevanten Beitrag zu seiner Verhinderung leisten kann?

Uneingeschränkt: ja!

Mit seinem "Nein" zu Taurus-Lieferungen verhindert er das Allerschlimmste.

Denn Taurus-Raketen tragen den Krieg nach Russland – u.U. bis nach Moskau:

„Die deutsche Luftwaffenführung bereitet einen Angriff auf russisches Territorium mit Taurus-Marschflugkörpern vor und hält den Einsatz unter Beteiligung von Bundeswehrsoldaten für effektiver, als wenn ukrainische Soldaten dies alleine machen würden. Angriffsziele sind nach einem Gespräch der Luftwaffen-Führung die Kertsch-Brücke zwischen der Krim und dem russischen Festland sowie schwer verbunkerte Munitionsdepots im russischen Hinterland. Hierin kann die Planung eines Angriffskrieges gesehen werden, was das deutsche Recht unter Strafe stellt. Die gesamte Luftwaffenführung sollte sich daher nach der gebotenen Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bereits in Untersuchungshaft befinden.

Kurz die Erläuterung der deutschen Rechtslage: Artikel 26 der Verfassung verbietet jeden Angriffskrieg. Paragraph 13 des deutschen Völkerstrafgesetzbuches lautet: „Wer einen Angriffskrieg führt oder eine sonstige Angriffshandlung begeht, die ihrer Art, ihrer Schwere und ihrem Umfang nach eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen darstellt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.“ Schon für die Planung oder Vorbereitung eines Angriffskrieges gibt es mindestens zehn Jahre Haft oder lebenslange Freiheitsstrafe.“ (Quelle: https://globalbridge.ch/deutsche-luftwaffe-bereitet-angriff-auf-russland-vor-taurus-angriff-auf-den-kreml/?utm_source=mailpoet&utm_medium=email&utm)

Putin dazu in seiner Rede in Moskau, 29. Februar 2024

  • Der Westen hat Konflikte in der Ukraine, im Nahen Osten und in anderen Regionen der Welt provoziert. Jetzt sagen sie ohne jede Verlegenheit, dass Russland angeblich einen Angriff auf Europa plant. Sie reden nur Unsinn.
  • Wir erinnern uns an das Schicksal derer, die einst ihre Kontingente in das Gebiet unseres Landes schickten. Aber jetzt werden die Folgen für mögliche Interventionisten noch viel tragischer sein. Sie müssen schließlich erkennen, dass auch wir Waffen haben, die Ziele auf ihrem Territorium treffen können. Und all das, was sie jetzt erfinden, womit sie die ganze Welt in Angst und Schrecken versetzen, dass das alles wirklich einen Konflikt mit dem Einsatz von Atomwaffen und damit die Zerstörung der Zivilisation androht.“

Es gibt keinen stichhaltigen Grund, Putins Kernaussagen nicht zu glauben!

Aber: Der „Westen“ wird von kollektivem Kriegsfieber geschüttelt.

Rüstungsbetriebe, Lehnstuhl-Strategen und Hau-drauf-Politiker bestimmten bisher die Debatte. Sowie Journalisten, denen Neutralität und Objektivität verloren gegangen ist – und durch natokonforme Parteilichkeit ersetzt wurde.

Papst Franziskus wagt es, dieses westliche Kriegsgeheul zu stören; indem er einen sofortigen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen fordert.

Auch er sieht, dass Jüngst mehrmals die Kriegslust des Westens dokumentiert wurde. Die CIA-Basen in der Ukraine, das Nein zu Russlands Vorschlag einer europäischen Sicherheitsarchitektur, der Abschuss eines unterschriftsreifen Abkommens zwischen Moskau und Kiew. Und: Nur Wladimir Putin hat mehrmals Verhandlungsbereitschaft zu erkennen gegeben. In Interviews und Reden.

Der Papst und Olaf Scholz sind aber nicht allein: Es gib weitere kritische Stimmen von Prominenten:

  • Der Krieg ist offensichtlich nicht zu gewinnen – und schon gar nicht von der Ukraine -, wie bereits mehrmals von Fachleuten wie Ex-General Harald Kujat und dem ehemaligen Brigadegeneral Erich Vad konstatiert.
  • Das SPD-Urgestein Klaus vón Dohnanyi gibt in einem Interviev im NDR ernsthaften Friedensverhandlungen eine große Chance; wobei er nicht Putin, sondern Biden als Verhinderer benennt!. Er erinnert dabei auch an das Friedensangebot aus dem März 2022, welches durch Boris Johnson verhindert wurde. Im Gegensatz zu westlichen Darstellungen waren sich damals die Ukraine und Russland einig, dass die geplante NATO-Erweiterung der Grund des Krieges war. Sie konzentrierten daher ihre Friedensverhandlungen auf die Neutralität der Ukraine und deren Verzicht auf eine NATO-Mitgliedschaft.
  • Auch der Ex-Oberst Ralph D. Thiele ist ähnlicher Meinung;

Indem er sagte: „Ich halte die Kriegshysterie für unangemessen; übrigens auch für unzweckmäßig, es sei denn man möchte den Waffengang mit Russland herbeibeschwören.“ Thieles Fazit: „Der deutschen und europäischen Politik ist zu raten, dass sie wieder lernt, dass sie nicht nur über Streitkräfte und Rüstungsgüter als Mittel der außen- und sicherheitspolitischen Problemlösung verfügt". Dann würde sich auch das „vollkommen unnötige Kriegsgeschrei“ wieder beruhigen.

Olaf Scholz will vermutlich mit seinem „Nein“ in den Wahlkampf ziehen: "Unser Kanzler hat Euch aus dem Krieg herausgehalten", so könnte die SPD-Parole bei der kommenden Bundstagswahl lauten.

In einem gemeinsamen Beitrag für die Frankfurter Allgemeine werfen der CDU-Mann Norbert Röttgen und der Grüne Anton Hofreiter dem Kanzler «Defätismus» vor.

Dümmer geht’s wirklich nimmer.

Röttgen und Hofreiter werfen dem Kanzler im Grunde genommen vor, dass er sich an seinen Amtseid hält, Schaden vom deutschen Volk fernzuhalten. Krieg, so muss es wohl gesehen werden, dürfte den grösstmöglichen Schaden darstellen.

Olaf Scholz braucht jetzt Zuversicht und Stärke – und er könnte darauf stolz sein: er dient seinen Bürgern und seiner Partei gleichermaßen!

CDU-Chef Merz, Außenministerin Annalena Baerbock, Agnes Strack-Zimmermann, Anton Hofreiter, Norbert Röttgen, Nato-Generalsekretär Stoltenberg, der Hessische Ministerpräsident Boris Rhein – seine größten Widersacher – werden irgendwann schweigen und als Kriegstreiber in die Geschichte eingehen.

Die Reihen der Ampel-Koalition sind in der Taurus-Debatte nicht geschlossen. Das dürfte sich auch am Donnerstag zeigen, wenn die Union im Bundestag erneut einen Antrag stellen will, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, das weitreichende Waffensystem „unverzüglich“ an die Ukraine abzugeben. Es gibt Anzeichen, dass dieser Antrag auch aus den Reihen von FDP und Grünen unterstützt werden könnte.

Ich hoffe, sicherlich mit Millionen Friedensfreunden aus aller Welt, dass sich Olaf Scholz durchsetzt;

mit dem Rückenwind aus seiner eigenen Partei:

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert verteidigte Scholz: „Ich bin überzeugt, dass Scholz mit dieser umsichtigen Art der Ukraine mittel- und langfristig einen großen Dienst erweist“(in einem Interview in der Zeit). Auch Scholz‘ Entscheidung den Marschflugkörper Taurus nicht zu liefern, hält Kühnert für richtig: Er erlebe, „wie zahllosen Menschen angesichts der Taurus-Äußerungen große Brocken vom Herzen fallen“. Die Bürger „schätzen am Kanzler, dass er sich nicht treiben lässt, sondern Risiken abwägt“, sagte er. Und: „Die SPD ist und bleibt Friedenspartei, was denn sonst?“

Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), hat sich gegen den von der Union geplanten Antrag zu Taurus-Lieferungen an die Ukraine ausgesprochen. „Es ist das gute Recht von CDU/CSU fortwährend denselben Antrag zur Abstimmung im Bundestag zu stellen. Aber wem nutzt das?“ sagte Roth dem „Tagesspiegel“: „Es dürfte an der bisherigen Entscheidung des Kanzlers nichts ändern.“

Ähnliches ist mittlerweile auch von Pistorius zu hören.

Analogie: der Untergang der Titanic

Am 14. April 1912 gegen 23.45 Uhr kollidierte die "Titanic" rund 550 Kilometer südostlich von Neufundland mit einem Eisberg. Das damals mit 269 Metern Länge größte Passagierschiff der Welt sank in etwas mehr als zweieinhalb Stunden und riss rund 1.500 Menschen mit in den Tod.

Die Hauptschuld am Untergang der "Titanic" trägt der Kapitän des Schiffes, Edward John Smith (1850-1912). Obwohl er von anderen Schiffen wiederholt vor Eisbergen auf seiner Route gewarnt worden war, drosselte er nicht die Geschwindigkeit des Dampfers und hielt den Kurs bei. Die schnelle Atlantiküberquerung von Southampton nach New York lag im Interesse des Kapitäns wie der britischen Reederei White Star Line, um die Leistungsfähigkeit der "Titanic" unter Beweis zu stellen. Wie Untersuchungen zeigen, hätte eine Reduzierung der Geschwindigkeit um nur wenige Knoten ausgereicht, dem Eisberg auszuweichen und so der todbringenden Kollision zu entgehen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Erich Becker

Buch- und Theater-Autor

Erich Becker

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