UKRAINE-KRIEG - UND KEIN ENDE?

Aus Fehlern lernen Jacques Baud - Ex-Oberst der Schweizer Armee und exzellenter militärischer Fachmann - äußerte sich kürzlich in einem Interview sehr kenntnisreich zum Ukraine-Krieg, auf das ich mich nachfolgend beziehe

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Ich möchte dieses Interview (Quelle: Zeitgeschehen im Fokus, Nr. 10/11 | 12. Juli 2023 | 8. Jahrgang) hinsichtlich seiner Kernaussagen - in Thesenform mit nachfolgenden Baud-Zitaten - wiedergeben bzw. präsentieren; weil ich glaube, dass dies ein sehr relevanter Beitrag zur aktuellen Diskussion ist.

Erstens: Fehleinschätzung des Westens, Putins Machtposition betreffend

In Abwesenheit konkreter realistischer Ziele beschwört der Westen die etwas bizarre Idee herauf, die Gegenoffensive löse «eine Panik» in der militärischen und politischen Führung Russlands aus, die

zu einem «Regimewechsel» führen könnte! Aus diesem Grund löste Prigoschins Meuterei im Westen eine große Begeisterung aus, da sie zu zeigen schien, dass diese Strategie funktionieren könnte.

Aber wie üblich basieren die Analysen unserer Pseudo-Experten nicht auf ihrem Wissen und einer Reflexion, sondern auf Vorurteilen. In Wirklichkeit scheint dieser Vorfall Wladimir Putin eher gestärkt zu haben.

Zweitens: Prigoschins Wagner-Truppe wird nicht mehr gebraucht

Ende April 2023 läuft der Sechsmonatsvertrag aus, und das Ziel, den Feind in Bachmut zu vernichten, ist

erreicht. Die russische Armee stellt daher ihre Artillerie- und Logistikunterstützung für Wagners Truppen ein, die abgezo-gen und durch reguläre russische Truppen ersetzt werden sollen.

Das Verteidigungsministerium teilte dazu mit, dass Wagners Einsatz in Bachmut eine Ausnahme gewesen sei und dass man nicht mehr auf private Streitkräfte zurückgreifen wolle. Das Problem ist,

dass die Einbindung privater Truppen in einen Kampf der verbundenen Waffen zahlreiche Probleme mit sich bringt. So sollten ab dem 1. Juli die Wagner-Kampftruppen aufgelöst werden, und ihre Angehörigen hätten Möglichkeiten, sich der russischen Armee anzuschließen. Prigoschin wollte die Auflösung seines Kampfverbands verhindern und wollte direkt – von Angesicht zu Angesicht – mit Generalstabschef Gerassimow und Verteidigungsminister Schoigu verhandeln. Er hatte absolut nichts gegen Putin, wie in unseren Medien behauptet wurde. Es handelte sich um einen Unternehmer, der sein Geschäft retten wollte. Der Marsch auf Moskau war kein Putschversuch, es ging nicht darum, die Regierung zu stürzen, und auch nicht darum, Gerassimow und Schoigu zu stürzen, sondern Prigoschin wollte beide zu Gesprächen zwingen.

Drittens: Unterbewertung des russischen Militärs und Überbewertung des ukrainischen Militärs

Die gewollte Folge dieser permanenten und verlogenen Unterbewertung durch unsere Medien ist, dass die Ukrainer trotz des Wissens um die Aussichtslosigkeit ihres Kampfes zum Kämpfen gedrängt werden. Denn die Moral des ukrainischen Militärs ist sehr niedrig. Dies wurde sogar zu einem Argument für Wolodymyr Selenskij, der gegenüber «CNN» erklärte, dass eine Einladung zur Nato zum jetzigen Zeitpunkt "eine enorme Motivation für die ukrainischen Soldaten wäre".

Viertens: Die USA wussten, dass die Gegenoffensive scheitert

Die USA wussten von Anfang an, dass die Gegenoffensive zu sehr hohen Verlusten für die Ukrainer führen würde, da sie diese berechnet hatten. Wir wussten es also. Das ist die perverse Rolle unserer Medien. Anstatt die Situation richtig darzustellen, um vielleicht eine vernünftigere Lösung zu finden, ermutigt man die Ukraine, diese Offensive zuführen, obwohl man genau weiss, dass sie scheitern wird.

Fünftens: Die Lügen und Fehleinschätzungen des Westens sind letztendlich eine menschliche Katastrophe

Die westlichen Fantasien und Spekulationen sind reine Propaganda und Desinformation. Sie spiegeln jedoch die Art und Weise wider, wie unsere Medien den Konflikt seit 2014 darstellen: Sie halten ihr Wunschdenken für Realität. Das ist eine Art, Krisen zu bewältigen. Das ist genau das, was derzeit in Frankreich passiert. Dort wird angewandt, was die Franzosen die «Coué-Methode» nennen. Man redet sich ein, dass alles gut ist, und macht weiter. So haben sie es 60Jahre lang mit der Einwanderung gemacht! So haben sie es mit dem Minsker Abkommen gemacht und so tun sie es immer noch, um den Konflikt in der Ukraine darzustellen. Das Ganze ist letztlich eine menschliche Katastrophe!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Erich Becker

Buch- und Theater-Autor

Erich Becker

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