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Spanien In der Autonomen Region Madrid arbeitet Isabel Ayuso an einem rechtsfaschistischen Regierungsbündnis. Pablo Iglesias scheint dagegen nicht anzukommen
Isabel Ayuso
Isabel Ayuso

Foto: Comunidad de Madrid via Getty Images

Inzwischen hat in der Autonomen Region Madrid der Wahlkampf begonnen für die von Präsidentin Isabel Ayuso auf den 4. Mai vorgezogenen Neuwahlen. Diese Wahlen waren ja für Pablo Iglesias, Generalsekretär der Linkspartei Podemos, die offizielle Begründung dafür, sein Amt als Vizepräsident der Regierung von Pedro Sánchez niederzulegen und in Madrid gegen Ayuso, die der Rechtspartei PP angehört, anzutreten. Ziel: eine rechtsfaschistische Regierung der Rechtspartei PP und der faschistischen Partei VOX in dieser nach Andalusien und Katalonien mit 6,8 Millionen bevölkerungsreichsten Region Spaniens zu verhindern.

Von Anfang an sprach wenig dafür, dass das gelingen würde. Denn es waren keinerlei Absprachen mit den restlichen beiden Oppositionsparteien, nämlich den Madrider Sozialisten (PSOE), zurzeit stärkste Partei im Madrider Parlament, und der Podemos-Abspaltung Más Madrid, in Sicht. Kurz darauf hatte der Kandidat der Sozialisten, Ángel Gabilondo, öffentlich erklärt, für ihn käme eine Regierung mit dem „radikalen“ Pablo Iglesias nicht in Frage. Und auch mit Más Madrid zeichnet sich keinerlei gemeinsame Strategie ab.

Sensation und Schock

Der einzige Effekt des Eingreifens von Pablo Iglesias in den Madrider Wahlkampf ist bisher – traut man den Umfragen – eine Wählerabwanderung von Más Madrid zu Podemos: die eine verliert drei Sitze und die andere gewinnt vier. Damit würden beide Parteien zusammen mit 28 statt bisher 27 Abgeordneten im Madrider Parlament sitzen. Auf der anderen Seite würden die Sozialisten von 37 auf 36 Sitze fallen. Dramatische Veränderungen sind das nicht.

Eine wirklich sensationeller und schockierender Umbruch fände aber rechts von der Sozialisten statt, denn Ayusos Rechtspartei PP kann nahezu mit einer Verdoppelung der Sitze rechnen, einem Anwachsen von 30 auf 57 Abgeordnete, und das auf Kosten der rechtsliberalen Partei Ciudadanos, die nach 19,5 Prozent bei den letzten Wahlen an der Fünf-Prozent-Klausel scheitern und ihre 26 Sitze im Parlament komplett verlieren würde. Die Fraktion der faschistischen Partei VOX würde dagegen von zwölf auf 17 Abgeordnete anwachsen. Da Ayuso für eine absolute Mehrheit zwölf Stimmen fehlen würden, ist damit das von ihr angekündigte Bündnis mit den Faschisten so gut wie sicher. Das Ergebnis wäre also genau die rechtsfaschistische Regierung in Madrid, die Pablo Iglesias mit seinem Eingreifen verhindern wollte.

Bleiben zwei Fragen: Wieso hat die Linke in der Region Madrid, die noch vor zwei Jahren in der spanischen Hauptstadt mit Manuela Carmena die Bürgermeisterin stellte, so wenig Mobilisierungspotential? Wie ist es zu erklären, dass Ayuso, ein abschreckendes Beispiel der spanischen Rechten, deren zweijährige Regierungszeit mit Skandalen gepflastert war, sich in den „shooting star“ der Wahlen verwandelt konnte?

Der linke Klassiker

Die Frage nach dem Versagen der Linken ist relativ einfach zu beantworten: Während auf nationaler Ebene Pedro Sánchez einen Schnitt setzte, einen Wandel einleitete, am Ende seine Berührungsangst mit dem Wahlbündnis Unidas Podemos überwand und sich dabei sogar mit seinen rechten Parteibaronen anlegte, hatten auf der regionalen Ebene Madrid die Sozialisten den Skandalen und der Inkompetenz von Isabel Ayuso praktisch nichts entgegengesetzt. Gabilondo, bis zu Beginn seiner Politikerkarriere im Jahr 2009 Philosophieprofessor und Hegel-Spezialist an der Autonomen Universität Madrid, versucht im Wahlkampf sein fehlendes Charisma in einen Slogan umzumünzen: „Soso, serio y formal“, was in etwa heißt: „Ich bin langweilig, seriös und zuverlässig“. Offensichtlich ohne Erfolg. Dass er das dann noch gleich zu einer Wahlaussage konkretisiert, nämlich zur kleinbürgerlichen Warnung vor dem „radikalen“ Pablo Iglesias, hat ihm offensichtlich keine zusätzlichen Sympathisanten eingebracht. Was den Rest der Linken angeht, nämlich Podemos und Más Madrid, ist es der linke „Klassiker“: Anstelle politischer Strategien und Bündnisse siegen am Ende die Richtungskämpfe und persönlichen Eitelkeiten.

Die zweite Frage, die nach dem erwarteten rauschenden Triumph von Ayuso, trotz aller Skandale und fehlender Erfolge, ist rein politisch nicht zu beantworten. In der Region Madrid konzentriert sich die ökonomische, finanzkapitalistische und mediale Macht des Landes. Gleichzeitig allerdings auch die sozialen Widersprüche und das Elend. Um das zu illustrieren, genügt eine Fahrt durch den Süden der Hauptstadt, und wenn das nicht reicht bis zur Cañada Real. Dieses Elend hat sich aber seit langem entpolitisiert. Am Ende vereint sich in der Region Madrid aktuell die konservative bis faschistische Rechte mit der Ausweglosigkeit und dem Überdruss angesichts der Pandemie, ja der Rebellion gegen „die da oben“, dem Hass auf die politische „Kaste“, die die Probleme nicht gelöst kriegt.

Kreatur der Kaste

Ayuso, selbst Kreatur dieser „Kaste“, hat das Kunststück vollbracht, sich gleichzeitig als Interessenvertreterin der Privilegierten und als Anwältin der kleinbürgerlichen Rebellen zu installieren. Dabei kann sie sich auf Medien stützen, die die Wähler mit Lügen bombardieren, was etwa die Corona-Pandemie betrifft, für deren Bekämpfen Ayuso verantwortlich ist: 15.000 Todesfälle bis heute in der Region Madrid, 20 Prozent der Gesamtzahl in Spanien bei einem Bevölkerungsanteil von nur 14 Prozent; auf Rang vier unter 21 der am schlimmsten betroffenen Regionen; trotzdem bei steigenden Inzidenzen (im Augenblick 190) das Aufheben von Restriktionen.

Ayuso hat zu ihrem Gegner nicht die linke Opposition und schon gar nicht Pablo Iglesias erklärt, sondern keinen Geringeren als den Präsidenten des Landes, Pedro Sánchez. Kein Tag vergeht ohne gegen ihn gerichtete Schmähungen und Provokationen: ständige Herausforderungen mit dem erklärten Ziel eines Sturzes von Pedro Sánchez und seiner „sozialkommunistischen“ Regierung. Das ganze verpackte sie in einer Wahlkampfrede in eine Art Leitmotiv eines faschistischen Ständestaates: ein Leben auf Madrider Art, wo „Arme und Reiche sich in der gleichen Bar bei einem Bier vereinen und verstehen“ – mit der „Freiheit“, sich gegenseitig zu infizieren – im Geist einer besonderen Art von „Gleichheit“ und „Brüderlichkeit“...

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