Apokalyptiker unter sich

Newsletter Ein Werbeinsert auf der online-Seite einer renommierten deutschen Wochenzeitung und die Frage: Wann ist es endlich aus?

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Mit Untergangsszenarien lassen sich gut Kunden fangen. Denn gleich, wer sich mit den Offenbarungen des Johannes, dem Maya-Kalender oder bestimmten Daten (besonders beliebt: Jahrtausendwenden) herumschlägt: Unser aller Ende ist ein Thema für ultimative Gewissheiten und Survival-Checklisten.

Nun also die Furcht vor dem bürgerlichen Tod. Denn was passiert, wenn erst einmal die Schwelle zur Mittellosigkeit überschritten ist? Sie und ich wissen, auch Dank des eifrigen Bemühens heutiger Job-Center, das ist ein Leben in der modernen Hölle. Bestenfalls einmal in der Woche Fleisch, Suchtmittel sind, weil nicht leistbar, genauso tabu wie eine gesunde Ernährung dank deren unerschwinglichen Bio-Etiketten. Der Mensch ist dann irgendwo zwischen dem zweiten und fünften Kreis von Dantes Inferno gefangen und die Rehabilitation aus der prekären Lage ein schier unmögliches Unterfangen.

Nicht verwunderlich also, dass seit Monaten im iNet die werbliche Botschaft millionenfach (danke, plista.de) verkündet wird: „Der totale Zusammenbruch kommt!“ Und damit es deutlicher wird: „Alles was Sie sich aufgebaut haben ist in Gefahr. Es gibt nur noch einen Ausweg“. Und der heißt Günter Hannich. Mit einer seitenlangen Fanfare für die eigene Gratis-„Newsletter“ beackert der „beste Experte für sichere Geldanlage in Krisenzeiten – der beste den Deutschland anbieten kann“ nicht nur das Feingefühl deutschen Qualitätsbewusstseins, sondern beruhigt mit seinem verträumt blickenden Konterfei German Angst in der Mittelschicht: Das ist „der Mann an ihrer Seite“.

So etwas kann auch als Warnung aufgefasst werden, wen man sich sonst noch als mögliche Begleiter einfängt. Denn die Bücher, denen er seinen, Eigenwerbung: „schon beinahe legendären Status“ verdankt, hat Hannich überwiegend im Kopp-Verlag zu Rottenburg a.N. veröffentlicht. Kongenial zum Programm, das vornehmlich Esoterisches mit Verschwörerischem verbindet und zum alarmistisch reißerischen Ton, werden von Hannich in Wirtschaft und Staat Dunkelmänner und ebensolche Kräfte ausgemacht: Sie führten die Menschen wie „Marionetten“ und mit dem Euro ins Verderben, letzteres 2001 zynisch betitelt in der Frageform „Endlösung für Europa?“. Und natürlich darf nicht fehlen, dass der Mann seine eigenen iNet-Präsenzen mit Adressen wie „geldcrash“ versieht.

Das scheint sich gebessert zu haben, seitdem er für GeVestor veröffentlicht. Hatte Hannich als Autor 2002 noch „Bloß weg!“ gerufen und im Untertitel beziehungsreich „wie Sie Krisen, Frust und Steuern entkommen“ gesetzt, versichert er heute „120% Kapitalschutz“: „Und das vollkommen ohne jegliche Finanztricks, ohne dubiose Koffer voll Bargeld. Vollkommen legal und sofort durchführbar.“ Wie auch GeVestor über jeden Zweifel erhaben ist. Oder wer wollte diesem „Unternehmensbereich der Verlag für Deutsche Wirtschaft AG (VNR)“ auch nur einen Hauch andichten? Da die Muttergesellschaft doch von einem preisgekrönten Vorstand wie Helmut Graf geführt wird und zum Gründer wie Aufsichtsratschef einen Norman Rentrop hat, dem Um und Auf von Cicero- und Predigtpreis.

Geschäftsideen von Jenseits (des Atlantiks)

Wäre da nicht weiterhin, ganz im Stil der sieben Sendschreiben, der apokalyptische Ton, im online-Shop von GeVesto modernistisch aufgepeppt als: „Sicher durch die Endzeit“ mit dem „Crah-Investor“. Und passend zum Credo des Aufsichtsrates Rentrop (über Rentrop): „Ich will Gottes Freundlichkeit bekannt machen“. Mit höchster wie freundlicher Genehmigung also das Euro-Survival-Pack für weniger als 20 in ebensolcher Währung und das pro Woche - ein Spottpreis für eine Versicherung gegen das Jenseits von bürgerlichem Gut und Böse. Wäre da nicht

Überlegung Eins: Wenn erst einmal Alle „vertraulich“ die „wenig bekannten Anlagen“ mitgeteilt bekommen haben, wie es die Newsletter verspricht, wie ließe sich dann ein Mehrwert herstellen, wenn unvermeidbar auch diese spezielle Blase platzt? Natürlich stellt sich die Frage umso insistenter, wenn man vom Gratis-Appetizer "Newsletter" auf den Bezahlcontent "Börsenbrief" für lächerliche 1.000 Euronen im Jahr umschwenkt;

Überlegung Zwei: Irgendwann hat jeder, der die letzte Katastrophe voraussagt, immer recht. Sicher dann, wenn unsere Sonne sich zum roten Riesen aufbläht, also in etlichen Milliarden Jahren. Bis dahin nutzt das „Wenn nicht … dann“ vor allem denjenigen, die es aussprechen und sich damit unsterblich machen, und sei es nur mit spot(t)reifen Werbungen;

Überlegung Drei: Der Aufsichtsrat begleitet, davon macht das Muttergeschäft VNR keine Ausnahme, „Strategie und Geschäftsentwicklung des Verlages“. Dessen Vorsitzender (VNR über Rentrop) fördert „den Ideenimport von den USA nach Europa. Hinter all seinem unternehmerischen Handeln steht die Strategie der innovativen Imitation.“ Wenn aber das letzte Mal, da von einem "Versprechen von 20% Gewinn" die Rede war, der Versprechende Bernard L. Madoff von einem New Yorker Gericht zu 150 Jahren Haft wegen organisierten Betrugs verurteilt worden ist, was wäre an der Imitation innovativ?

Was mich wirklich beunruhigt ist: Was hat das online-Werbeinsert auf meiner Leib- und Magenlektüre zu suchen, einer der Aufklärung gewidmeten Wochenzeitung, die sich den Titel „Meinungsmedium zu Berlin“ sauer verdient? Wieder ein Irrläufer im undurchdringlichen Gewirr von Bits & Bytes würde ich gern sagen, wäre da nicht die nächste Drohung: Dass die Wege des Herrn unergründlich seien. Man sollte mit ihm ein Wörtchen reden, vor allem über Hartz-IV. e2m

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Geschrieben von

ed2murrow

e2m aka Marian Schraube "zurück zu den wurzeln", sagte das trüffelschwein, bevor es den schuss hörte

ed2murrow

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