Großfamilie unter einem Dach, das werden sich in Österreich im Laufe der Jahre viele Politiker gesagt haben. Denn Berührungsängste hat man bei unseren Nachbarn eher wenig. Gleich ob mit den jungen Wilden des Lebensmenschen Haider oder mit einem von Anfang an in der Wolle gefärbten Strache: Jeder hat mit jedem schon irgendwie auf irgendeine Weise das Zusammenleben versucht vor allem unter der Devise, gebt der Jugend eine Chance.
Nun also am anderen Ende der Lebensskala ein gewesener Großindustrieller, der heute 81 Jahre alt geworden ist und über den seit ein paar Jahren viel geschrieben und gesendet wird. Denn der mit 22 Jahren als Franz Strohsack aus der Steiermark nach Kanada Ausgewanderte ist im gleichen Maß, wie er seine industriellen Tätigkeiten zurück gefahren hat, vom Heimweh gepackt worden. Und zwar derart, dass er seiner Heimat neben der Beglückung mit Glücksspiel die ganze Summe seiner Lebenserfahrung zukommen lassen will. Unter dem Dach des Hohen Hauses, wie das Parlament in Österreich auch genannt wird. Deswegen tritt er an, als Spitzenkandidat für eine Partei, die außer der Bezeichnung „Team“ vor allem eines trägt: Den Namen Stronach.
Dass es alleine schon schwierig ist, mit dem Mann zu reden, davon durfte sich das österreichische Publikum inzwischen mehrfach überzeugen. Legendär bereits seine Auftritte bei der ZIB2 (bei youTube hier, hier und hier verewigt), der zentralen Journal-Sendung zum tagesaktuellen Geschehen im österreichischen Fernsehen (ORF). Denn obwohl Anchorleute wie Lou Lorenz-Dittlbacher oder Armin Wolf sonst nicht auf den Mund gefallen sind, gegen die stur monologisierende Flut stronach’scher Phrasen hätten sie nur noch die Alternative gehabt, die Interviews abzubrechen. Und wären damit in die von Stronach aufgestellte Bärenfalle getappt, der ORF sei ein “Part des Systems, wo verhindert wird, dass die Menschen die Wahrheit erfahren.“
Sture Phrasen, Ideologien fern von Ort und Zeit
Wie sich also mit einem Mann inhaltlich auseinandersetzen, der nie einen Zweifel daran gelassen hat, dass er Österreich in die Zeit seiner Kindheit zurück führen möchte? Denn Klärungsbedarf besteht nicht erst, seitdem der „Magna“t die Neutralität Österreichs abschaffen will oder er keinen Zweifel daran lässt, zum Schilling zurückkehren zu wollen. Stronach also erkennbar einen streng nationalistischen Kurs fährt, als ob es Europa nie gegeben hätte. Sondern besonderen Anlass bietet seine unverblümte Forderung nach Wiedereinführung der Todesstrafe.
Hier von einem Tabubruch zu sprechen wäre geschmeichelt. Denn Österreich benötigte seit Wiedereinführung der standrechtlichen Todesstrafe am 10.11.1933 unter Engelbert Dollfuß und deren systematische Ausweitung 35 Jahre, bis Justizminister Christian Broda (SPÖ) am 7.2.1968 die Worte sprechen konnte: „Wenn durch die heutigen Gesetzesbeschlüsse jede Möglichkeit der zukünftigen Verhängung der Todesstrafe verfassungsgesetzlich ausgeschlossen wird …, wenn das überflüssig gewordene Wort „Todesstrafe“ aus unserer Verfassung und Rechtsordnung entfernt wird, ist das wohl ein Augenblick für innere Einkehr.“ Seither lautet Art. 85 der österreichischen Verfassung schlicht: „Die Todesstrafe ist abgeschafft.“ Nicht, dass das in Deutschland recht viel schöner wäre: In Bayern dauerte es bis zum 20. 2.1998, dass Art. 47 der Freistaat-Verfassung nicht mehr den Satz enthielt, der „Vollzug der Todesstrafe bedarf der Bestätigung der Staatsregierung“.
Einen Moment der inneren Einkehr hätte Stronach haben können, als ihm seine eigenen Worte um die Ohren geflogen sind. Denn nicht nur hat die Aussage, getroffen im Wahlformat des ORF „Die Wahlfahrt“ und samt Transskript verbreitet, für allgemeine Empörung gesorgt. Sondern sogar für ausdrückliche Distanzierungen aus seinem „Team“. Die Landesparteichefs in Niederösterreich, Kärnten und Salzburg wiesen umgehend die Forderung ihres Nestors zurück.
Im Gegenteil setzte Stronach in einer weiteren Aussendung nach, indem er über „Auftragsmorde“ hinaus bei „Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Gefährdung des Rechtsstaates und seiner Institutionen durch verbrecherische Organisationen“ eine Rechtfertigung für die Tötung von Menschen sieht. Dafür wird, so nun die Sprachregelung der Partei, die am 29. September in das Wiener Bundesparlament einziehen will, dieses als „persönliche Meinung“ bewertet, die das „Team nicht in das Parteiprogramm“ aufnehmen wird. Im Gegenzug wurde ein anderer Schuldiger gefunden: „ORF greift manipulativ in den Wahlkampf ein“ lautet der einschlägige gestrige Tweet.
Das Geschäftsmodell Stronach bröckelt schon nach wenigen Monaten
Dass die gesamte Mannschaft beratungsresistent ist, zeigt sich allerdings an einer besonders prominenten Personalie. Die ehemalige ORF-Chefin Monika Lindner, die am 12.8. ihre Kandidatur auf einem Spitzenplatz der Partei bekannt gegeben hatte, zog sich bereits nach 3 Tagen wieder zurück. „Stronach-Team“-Klubobmann Robert Lugar hatte laut verkündet, sie sei u.a. die „Speerspitze gegen das System ORF“. Eine solche Aussage decke sich nicht mit ihren Intentionen, meinte Lindner in einem ungewöhnlich knappen Kommuniqué.
Auch in der Praxis hat sich das Modell „Stronach“ nicht bewährt. Nach nur wenigen Monaten in der Verantwortung zeigt die Landespartei in Salzburg, wo sie seit Mai mitregiert, schwerste Erosionserscheinungen, wie die Salzburger Nachrichten berichten. Darin ist die Rede von „Angst vor Repressalien“, die daran hinderten, zum Personalkarussell Stellung zu nehmen, das in wenigen Monaten die gesamte Parteispitze und die Administration erfasst hat. Tatsächlich gebe es noch kaum demokratische Strukturen in der Partei, wird Parteichef Hans Mayr von der Zeitung zitiert.
Mit der Glaubwürdigkeit der eigenen Kandidaten hat die Partei, die in ihren Anfängen ohnehin als Resterampe nicht mehr so ganz aussichtsreicher Politiker wahrgenommen wurde, offenkundig keine Probleme. Wenn sie sich heute mit Spitzenkandidaten schmückt, deren Sachverstand als Anwalt oder Primar hervorgehoben wird, dann stehen die Personen nunmehr dezidiert unter dem Vorbehalt, was ihr Vordenker als staatstragend ansieht.
Oder seine „rechte und linke Hand“ wie die Nummer 2 der Liste, Kathrin Nachbaur in österreichischen Medien genannt wird. Schon vor Zeiten beschrieb die Tageszeitung die Presse „die Frau, der Frank Stronach vertraut“ als jemanden, der die Kunst beherrsche, „den alten Herren bei seiner Entscheidungsfindung diskret zu lenken.“ In vielfacher Weise mit dem Imperium Stronachs verbandelt war sie es auch, die auf der Rückbank des Mercedes beim Interview der „Wahlfahrt“ saß und nun zur Denkaufgabe nötigt: Ob das alles mit dem alten Herrn abgesprochen war –immerhin: auch schlechte Publicity bleibt eine solche. Oder er nur kurzfristig ihrer Kontrolle entwischt ist.
Die rechte und die linke Hand, des Patriarchen
Auf den ersten beiden Plätzen der Stronach-Liste zu den Parlamentswahlen finden sich also zwei Generationen zusammen. Das Bild der jungen Frau, die dem Großvater zur Seite steht, ändert sich. Denn diese geistige Familie ist weit mehr, als jenes Law & Order, dem sich ohnehin Parteien wie FPÖ und BZÖ oder der rechte Flügel der ÖVP ergeben haben. Sie stehen vielmehr für die Vollendung eines menschenfeindlichen Bildes, das unter Bemäntelung dessen, was staatsfeindlich sei, ohne weiteres bereit ist, menschliches Leben zu nehmen. Die Message hat die Zwischengeneration glatt übersprungen.
Im Hohen Haus zu Wien werden sich ab Oktober wieder die Szenen abspielen: Wer sich mit wem verbandelt, vielleicht sogar warum und im Zeichen einer Zukunft. Generationenfragen, kein Zweifel, die sich unter einem Dach abspielen werden. Vielleicht sogar mit einer Träne im Knopfloch, das der verloren geglaubte Sohn im 82sten Lebensjahr endlich heimgegangen ist. Seine Angehörigen dürfen sich jedenfalls heute schon erhöhter Aufmerksamkeit erfreuen. e2m
Der Artikel wurde zuerst veröffentlicht bei "die Ausrufer"
Kommentare 14
Danke für diesen ausgezeichneten Beitrag über "Fränk" Stronach. Wäre das, was er seinen Landsleuten verkaufen will, nicht so gefährlich, könnte man über den alten Zausl schmunzeln. So aber zeigt er sich als übler Populist, der mit seinen Thesen zur EU und dem Euro genau den gleichen Mist verzapft wie hierzulande die Republikaner, die NPD, Afd und die ganze rechtsgewirkte Bande. Hier, wie auch in Österreich gibt es m.E. zu viele, die diesen unausgegorenen Krampf aber für zutreffend halten.
Bleibt zu hoffen, dass solche Geister wieder verschwinden.
Ein interessanter Artikel über "Fränk" ist heute in der NZZ zu lesen:
http://www.nzz.ch/aktuell/international/auslandnachrichten/die-marke-frank-1.18146128
lieber ed2murrow,
zielsicher greifst du aus dem polittheater diese und jene figur heraus und führst sie vor.
beweisen diese leuchten nicht, dass es viel zu leicht gelingt, im chaos der herrschaftsspiele mitzumischen? ist das zündeln der brandstifter und biedermänner ein qualitätssignum des systems? von wegen, wir verkraften das schon. das schiff ist unsinkbar?
grüße, hy
Guten Abend, Helder,
den Zugang zum politischen Wettbewerb kann niemand ernsthaft verwehren wollen. Dass damit auch Konkurrenten antreten, die Governing through Crime propagieren, ist keine österreichische Spezialität, sondern Bestandteil von Regierungspolitik auch in Deutschland, parteiübergreifend von sog. Sicherheitsexperten propagiert. Stronach hat jetzt dazu bei unseren Nachbarn die Tollkirsche aufs Sahnehäubchen gesetzt: Sie ist in der Welt.
Beste Grüße, e2m
Danke für die Blumen und den Artikel der NZZ. Sollten Sie bei Gelegenheit ins Netz gehen, wenn gerade wieder eine besonders verpönte Tat begangen wurde, wundern Sie sich nicht, dass auch hierzulande der Ruf nach dem Henker und dem Lynchmob ganz schnell die Runde macht.
Beste Grüße, e2m
Danke, dass Sie Ihre Pause beendet haben. Was wären wir ohne Ihre Beiträge.
Den jedenfalls habe ich wieder mit ganz viel Interesse gelesen!
Morgen Abend bin auch ich wieder in Wien. Mal hören, was der Wiener Schmäh zum Stronach sagt.
LG, am
Guten Abend,
würde mich wundern, wenn in dem gleichen Wien, das 2010 Strache zu 26% in der Gemeinderatswahl verholfen und die FPÖ damit zur weitstärksten Partei gemacht hat, der kanadische Spezi von seinen bisher stabilen 8% in den Umfragewerten herunter käme. Eher wird man versuchen, das Thema tot zu schweigen, als ob man die Büchse der Pandora, die geöffnet worden ist, damit wieder verschließen könnte.
Was man ohne mich machen würde? Vermutlich ruhiger schlafen ;)
LG, e2m
Mogulismus, so wird es wohl werden. Die Mogule sind auf dem Weg zur Mogulherrschaft. Silvio, Fränk und Co.. Und wenn wir uns nicht wehren, wachen wir im Kastenwesen auf.
Es scheint eine Tendenz zu geben, auf Grundrechte zu pfeifen ... Stronach mit seiner Forderung zur Einführung der Todesstrafe in AUT und in GER die Berufung auf ein Supergrundrecht. Mal abgesehen auf die tagtägliche Verletzung von einfachen Grundrechten in GER.
den Zugang zum politischen Wettbewerb kann niemand ernsthaft verwehren wollen.
lieber e2m,
warum eigentlich nicht? was hat denn die politklasse aus der erfahrung der weimarer demokratie gelernt? jede/r hat 3 wurf? über die zweite chance hinaus, so irre und gefährlich das spiel mit den falschen spielern auch ist?
dein satz stimmt bis zum wort "verwehren". außer dem polizeilichen führungszeugnis fehlen die kriterien für den ausschluss.
dass aber auf das stimmvieh kein verlass ist, weiß mensch aus vielen abstimmungen. das volksvertrauen ist also dümmlich und gefährlich.
es fehlt eine instanz, die maßstäbe festsetzt wie bei jeder x-beliebigen prüfung. wo darauf verzichtet wird, behält platon in der einschätzung der demokratie am ende immer recht...
grüße, h.
Lieber Helder,
vielleicht liegt der entscheidende Unterschied im von Dir verwendeten Wort „Stimmvieh“.
Ich zitiere Emil Ludwig, der in „Colloqui con Mussolini“ (dt: Mussolinis Gespäche mit Emil Ludwig, 1932) folgenden Satz des Duce wiedergibt: „Die Masse ist nichts für mich als eine Herde Schafe. Ich bin keineswegs gegen sie. Ich negiere nur, daß sie sich selbst regieren kann. Führt man sie aber, so muß man sie an zwei Zügeln führen: Enthusiasmus und Interesse.“
Später ersetzte der Diktator in einem Aufsatz (Geschichte eines Jahres, veröffentlicht 1944) die beiden Substantive mit „Stock und Möhre“: Das Volk hatte sich in Esel verwandelt.
Diese Weise den eigentlichen Souverän zu sehen, gleich ob man ihn "motivierend führt“ oder ihn „antreibt“, ist in jeder Hinsicht undemokratisch, trägt in nuce die Instrumentalisierung bereits in sich und birgt den Anfang jeden Allmachtstraums. Derartiges ist mir nicht nur fremd, sondern zutiefst zuwider.
Ich darf Dich daher höflich auffordern, mir in Zukunft mit derartigen Wendungen weg zu bleiben.
Beste Grüße, e2m
Diese Weise den eigentlichen Souverän zu sehen, gleich ob man ihn "motivierend führt“ oder ihn „antreibt“, ist in jeder Hinsicht undemokratisch, trägt in nuce die Instrumentalisierung bereits in sich und birgt den Anfang jeden Allmachtstraums. Derartiges ist mir nicht nur fremd, sondern zutiefst zuwider.
lieber e2m,
verstehe, weiß aber nicht, was ich mit dem duce soll.
was du den eigentlichen souverän nennst, hat z.b.platon, aber auch walter lippmann mit fragezeichen versehen. beide muss mensch nicht für sakrosankt halten, ihre argumente aber sind solide. nicht mit einer handbewegung abzutun.
und noch eine kleine anmerkung zum stimmvieh, ein wort, das ich nicht erfunden hab: mussolini sah sich als treiber dem vieh gegenüber, ich steh auf der seite des stimmviehs, bin teil dessen...
grüße, h.
Da werden die Wählerwanderungen interessant. Darüber werden wir wohl erst in der Nacht bzw. morgen informiert.
Ist es ja auch, wenn ÖVP, FPÖ, Stronach und NEOS jetzt eine (theoretische) Mehrheit haben: Die Gestaltungsspielräume von SPÖ und Grüne (obwohl Letztere zugelegt haben) sind extrem eng geworden.
http://orf.at/wahl13/ergebnisse/
Na ja, das LiF war wenigstens bis 2008 eine Kreatur von Heide Schmidt, die die FPÖ weniger wegen deren Politik verlassen hatte, sondern weil Haider keine anderen Profis mit Zeug zum Volkszugriff neben sich duldete. Die 5 Jahre dazwischen haben mich noch nicht davon überzeugt, dass sich der Saulus zum Paulus gewandelt hat. Bisher können die ihr Glück selbst nicht fassen.