Wortklingelei

Politiksprech Die persönlichen Verunglimpfungen auf zwischenstaatlicher Ebene nehmen zu. Deutsche Medien sind begeistert.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Mehr Leser als Schreiber gibt es für mich die Momente, da ich doch zweifle, was der ein oder andere Ausdruck für einen Sinn macht. Wenn etwa ein deutscher Finanzminister den griechischen Ministerpräsidenten, gerade vier Tage im Amt, der „Erpressung“ zeiht, dürfte das Bild anhand der meisten Strafkodizes dieser Welt klar sein: Das ist jemand, der das Opfer mit einem empfindlichen Übel bedroht, um einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu erlangen.

Erstaunlich aber ist, dass Griechenlands Botschafter nicht deswegen bei der deutschen Regierung intervenierte, sondern weil kürzlich derselbe deutsche Minister seinen griechischen Fachkollegen als „dümmlich naiv“ bezeichnet hat. Der unbefangene Leser könnte nun auf die waghalsige Idee kommen, dass unter Politikern, zumal solchen verschiedener Staaten und unterschiedlicher Couleur, die Durchtriebenheit arglistigen bis drohenden Verhaltens, mithin das Kriminelle höher im Kurs steht als das Mentalblonde. Und das wäre eine ziemlich verkehrte Welt, speziell für Fans christlicher Volksparteien. Denn heißt es nicht bereits in der Bergpredigt, „[s]elig sind,die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich“?

Dass Irdisches und Himmlisches speziell in der Politik nicht zusammenpassen, wissen wir spätestens seit dem sehr deutschen Mauvais-Mot vom „Feind, Erzfeind, Parteifreund“. Da sind Caritas und Verzeihung nur noch am Platz, um allfällige Scherben zusammen zu kehren. Noch deutlicher dürfte es allerdings werden, wenn so etwas wie Fügung und Schicksal in die Dinge gemischt wird.

Davon waren in den letzten 6 Wochen die Medien allerdings voll, die hierzulande die Verhandlungsthemen und –führung zu Griechenland durchweg als Pokerspiel kommentiert haben. Kaum ein Tag, an dem nicht über „Lächeln“ als das „Pokerface“ von Tsipras & Co. berichtet wurde, oder dass dieses mit der Zeit immer mehr gefroren sei. Dass die „Einsätze“ erhöht worden seien, mal mit Annäherung wahlweise an „die Russen“ oder dann an „die Chinesen“. Dass nun die nächsten „Chips“ auf den Tisch gelegt würden: Flüchtlinge nach Deutschland durchzulassen und längst fällige Reparationen zu fordern.

Man fiebert mit ganz so wie beim Kartenspiel, von dem jeder kraft der Kenntnisse aus TV-Lehrsendungen in Sachen Hold’em weiß: Bei aller Wahrscheinlichkeitsrechnung, Selbstbeherrschung und Fähigkeit zum Bluff entscheidet letztlich das Glück. Schon die sonst sehr geschäftstüchtigen alten Römer gaben ihm als Fortuna eine verführerische Gestalt und erhoben sie zur Schicksalsgöttin. Immerhin wurde so ein Imperium erbaut. Wäre das also die eigentliche Fügung, die letztlich über „GrExit“, „GermanPay“ oder Europäische Einigung entscheiden würde?

Der Zynismus, mit dem deutsche JournalistInnen Wohl und Wehe von Menschen überwiegend auf einen Einsatz am Glückspieltisch reduzieren, ist bestürzend. Denn da ist nicht nur die intendierte Feststellung, Personen wie Geld oder seinem Äquivalent in Chips zu behandeln. Oder die schier unglaubliche Dreistigkeit von Handelsblatt, heute und ARD, spielerisch verbrämt einem „Showdown“ das Wort zu reden, während die europäische Idee von ihnen selbst per Wortwahl zu Grabe getragen wird.

Sondern da ist vor allem die Vermittlung einer unkritischen Nähe zur hiesigen Politik, die in der Logik des Szenarios selbst am Spiel beteiligt wäre, nur auf der anderen Seite des bespannten Tisches. Präsente Armut, Massenarbeitslosigkeit einer ganzen Generation und fehlende Gelder für Rentenzahlungen, nicht nur in Griechenland sondern Wirklichkeit in vielen europäischen Ländern, ist aber weder ein Wink des (Un)Glücks noch zu deren Beseitigung eine Frage des Schicksals. Sondern eine von Verhandlungen und gemeinsamer seriösen Anstrengung.

Im Unseriösen trifft sich deutsches Regierungshandeln mit der ihr kongenialen Publizistik als Rudel. Den griechischen Finanzminister als „dumm und naiv“ zu bezeichnen entwertet nicht nur den etwaigen „Mitspieler“, sondern erst recht den Verhandlungspartner. Er wäre, mit anderen Worten, erst gar nicht ernst zu nehmen. Damit ist das Ende aller Gespräche bereits signalisiert. Game Over.

Wer in dieser Form der Präpotenz sein Heil sucht, sollte sich an eine andere Tradition halten, diesmal aus Spanien. Dort wird in Richtung der Miuras gesagt: Verunglimpfe nie ein Kalb, es könnte ein Kampfstier werden. e2m

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

ed2murrow

e2m aka Marian Schraube "zurück zu den wurzeln", sagte das trüffelschwein, bevor es den schuss hörte

ed2murrow

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden