Auf der falschen Seite

Debatte Das „neues deutschland“ bringt gleich zwei Artikel heraus, in denen sie der revolutionären Linke ihre Solidarität verweigert und sie paternalistisch attackiert. Damit schadet sich die Zeitung nur selbst.

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Was haben Rosa Luxemburg und Lützerath gemeinsam? So einiges. Der Klimakollaps, der durch den RWE-Konzern und die Zerstörung Lützeraths einen Teilausdruck erfährt, kann nur mit dem Sozialismus, für den Rosa Luxemburg bis zu ihrer Ermordung einstand, gelöst werden. Sie hätte vehement für das Recht der Klimaaktivist*innen gekämpft, die sich gegen den fossilen Kapitalismus stellen und für eine gerechtere Gesellschaft kämpfen, die frei von jeglicher Ausbeutung ist. Dass die Räumung Lützeraths teilweise mit der LLL-Demonstration vom 15. Januar 2023 zusammenfiel, kann man nun als Zufall oder gewolltes Manöver der herrschenden Klasse werten, um eine linke Mobilisierung zu schwächen. Ob man sich für Aktionismus wie in Lützerath oder für eine politische Demonstration wie in Berlin entscheidet, ist dabei immer eine Frage der theoretisch-praktischen Ausrichtung der jeweiligen Gruppe und es wäre letztlich unredlich, diese gegeneinander auszuspielen. Doch gerade das tut die Berliner Tageszeitung „neues deutschland“ (nd) mit einem Meinungsartikel vom 20. Januar 2023. Dabei handelt es sich nicht um eine organisatorische Kritik, sondern der Autor vollzieht einen Generalangriff auf die revolutionäre Linke an, lässt jedoch jeden analytischen Ansatz vermissen und bedient sich lieber einer infantilen Sprache, um seiner Emotion freien Raum zu lassen, die letztlich seiner Argumentation nur schadet.

Wo wart ihr in Lützerath?“, fragt das nd in besagtem Artikel und vertritt eine ultrapessimistische Ansicht, die vollumfänglich im Reformismus aufgeht. Der zentrale Kritikpunkt des Autors ist die scheinbare Verfremdung des Erbes Rosa Luxemburgs und ihrer theoretischen Arbeit. Für ihn bestand der Demonstrationszug ohnehin nur aus Stalinist*innen und Betonkommunist*innen, die jeglichen Bezug zum 21. Jahrhundert verloren haben und einer Ideologie anhingen, die längst an Aktualität eingebüßt hätte. Luxemburgs berühmte Losung „Sozialismus oder Barbarei“ ist für ihn nur eine inhaltsleere Phrase, da ein revolutionärer Systemwandel ohnehin illusorisch sei. Seine Flucht in den Reformismus ist dabei jedoch keine Absage an das herrschende System, welches für Klimakollaps, Pandemien und Kriege Verantwortung zeigt, sondern die Verwaltung des Apparats. Da ist es nicht ungewöhnlich, dass er sich am revolutionären Optimismus stört und Rosa Luxemburg in eine Dutzendliberale uminterpretiert, die im 21. Jahrhundert wie selbstverständlich dem reformistischen Flügel angehört hätte. Diese These begründet er mit der weiteren These damit, dass Luxemburg als nd-Chefredakteurin primär den „russischen Militarismus“ attackiert hätte.

Hier offenbart sich das absolute Unverständnis des Autors, wenn es um Luxemburgs Erbe und Politik geht. Der Vorwurf, die Demonstrant*innen vom 15. Januar 2023 würden nur der „Leiche“ gedenken, doch ihr Werk nicht verstehen, ist auf den Autor selbst anzuwenden, der eine falsche Rehabilitation anstrebt und versucht, wie alle Reformist*innen, jeden revolutionären Charakter des Werkes Luxemburgs zu tilgen. Um zu verdeutlichen, dass er selbst freilich kein Dutzendliberaler ist, sondern fest an der Seite der Arbeiter*innenklasse steht, wirft er der LLL-Demo vor, dass dort weder Arbeiter*innen noch Arbeitslose waren, sondern einerseits Kinder des wohlstandsverwöhnten Kleinbürger*innentums, die „mit dem Wochenendticket“ mit der Bahn anreisten, und andererseits – hier zitiert er Lothar Bisky – der “stalinistische Wanderzirkus”, der sich hinter Lenin-Bannern verstecke, doch über eine vermeintliche Symbolpolitik nicht hinausgeht. Dass Rosa Luxemburg neben Reformist*innen auch von Stalinist*innen falsch interpretiert wird, muss dabei klar benannt und auch kritisiert werden, allerdings nicht in der Art, wie es der nd-Artikel macht, sondern in einer theoretisch-analytischen Auseinandersetzung mit dem Werk und den Rezipient*innen.

Man könnte fast meinen, der Autor habe die Demonstration nur über Twitter verfolgt oder war nur wenige Minuten anwesend. Dann wäre ihm mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aufgefallen, dass mitnichten nur Stalinist*innen am Zug beteiligt waren, sondern auch trotzkistische Kräfte, die eine deutliche Kritik am Stalinismus formulieren, kurdische und palästinensische Gruppierungen, die gegen das zionistische Israel und die autoritäre Türkei die Stimme erheben oder andere linksradikale Organisationen. Wenn man jedoch die Losung, dass nur der Kommunismus die Menschheit befreien kann, mit dem Stalinismus gleichsetzt, kann man freilich nur zu dieser Schlussfolgerung kommen, läuft jedoch Gefahr, nicht nur das Erbe Luxemburgs zu verraten, sondern man verlässt dann auch den Marxismus als solchen, der gerade in der heutigen Zeit aktueller denn je ist. Mitnichten ging es auch nur darum, Luxemburg und Karl Liebknecht zu gedenken, sondern ihre Positionen in der aktuellen Krise zu verbreiten, da sie richtige Antworten auf dringende Fragen bieten. Für das nd mag dieser Moment ein „Deutschlandtreffen linksbekloppter Splittergruppen“ sein, doch damit schießt es sich nur selbst ins Aus und negiert jegliche Hoffnung und Notwendigkeit, den Kapitalismus von der Wurzel an zu überwinden.

Dass das nd seine Probleme mit der revolutionären Linken hat, beweist nicht nur der oben diskutierte emotionale Wutkommentar, sondern auch ein ähnlich infantil formulierter Bericht über die Konferenz der Fraktion Revolutionärer Bruch, die am selben Wochenende wie die LLL-Demo stattfand. Unter dem Titel „Die Revolution bleibt dope, alles andere ist whack“ berichtet der Autor, der ausgehend von dem Artikel wohl nur dem Auftaktpodium beiwohnte und sowohl die Workshops als auch das wichtige Abschlusspodium verpasste, von dem Zusammentreffen verschiedener revolutionärer Gruppierungen, die sowohl mit der Linkspartei als auch der Linksjugend Solid brechen wollen. Für den Autor sei das alles nur ein „Trauerspiel“ und eine „Absatzbewegung“, doch er schafft es nicht, diese Thesen zu untermauern. Sein einziger Versuch ist es, den radikalen Charakter als Schwäche zu verkaufen und den Plan, eine revolutionär-sozialistische Partei aufzubauen, in die Lächerlichkeit zu ziehen. Anders als der Wutkommentar über die LLL-Demonstration versucht dieser Autor eine neutrale Perspektive zu vermitteln, doch gelingt ihm das mit ständigen Querverweisen auf seine Ablehnung kaum. Was ihm im Gedächtnis blieb, war eine angebliche „Langatmigkeit“ der Grußworte und Podiumsbeiträge, denen er eine Mischung aus „Versatzstücken sozialistischer Theorie und Klassenkampf-Rhetorik“ vorwirft. Auch hier bleibt er eine Erklärung schuldig und begründet seine Behauptung nicht, weshalb das etwas zu kritisieren wäre.

Das ehemalige SED-Organ nd, das heute nur noch ein reformistisches Blättchen ist, hat sich zwar 2022 von der Linkspartei gelöst, doch ist sie weiterhin voll auf ihrer Linie. Mehr: sie fungiert als Sprachrohr einer reformistischen Strömung, die von der Revolution und vom Sozialismus nichts wissen möchte, sondern die Illusion propagiert, ein etwas gerechterer Kapitalismus sei der einzige Ausweg. Anders sind die Angriffe des nd nicht zu verstehen, das den Dialog mit Revolutionär*innen gar nicht sucht, sondern paternalistische Kommentator*innen ins Feld schickt, um sowohl jungen und alten Revolutionär*innen klarzumachen, weshalb sie nicht anders können, als falsch zu liegen. Es zeigt jedoch eindrucksvoll, dass eine vermeintlich linke Tageszeitung jegliche Solidarität über Bord wirft und anstatt neue Entwicklungen zu begleiten, der bürgerlichen Presselandschaft die Hand reicht und die revolutionäre Linke mit Dreck bewirft. Der kapitalistische Staat prügelt auf alle ein, die für eine befreite Welt kämpfen und der Reformismus schaut nur zu beziehungsweise kommt über eine rein mündliche Kritik nicht hinaus und betreibt letztlich dieselbe Politik. Revolutionärer Optimismus ist für das nd und Konsort*innen nicht nur ein Fremdwort, sondern ein Dorn im Auge. Sie tun alles daran, diese Entwicklung im Keim zu ersticken und diffamieren die Revolutionär*innen als „Linksbekloppte“ und „Trauerspielende“. Das nd hat sich für eine Seite entschieden – gegen die Zukunft der Jugend und Arbeiter*innenklasse.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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