Wenn es ums Weltall geht, ist die Zahl 42 seit Douglas Adams’ Kultklassiker Per Anhalter durch die Galaxis als Antwort auf die „endgültige Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“ unvermeidlich. Ben Moore, Professor für Astrophysik in Zürich, verleiht 42 Nobelpreise an Leute, die keine bekommen haben, obwohl sie Bahnbrechendes über den Kosmos herausfanden. Unter ihnen ist einer, der einen bekam, aber seiner Meinung nach mit der falschen Begründung: Einstein. Und immerhin sieben Frauen, also deutlich mehr, als bislang mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurden.
Was wie ein apartes Spielchen daherzukommen scheint, ist tatsächlich spielerisch erhellend. Wir lernen die unterschiedlichsten Biografien und nahezu alle wesentlichen Aspekte der Astrophysik kennen: von Eratosthenes, der nachwies, dass die Erde rund ist, und Aristarchos von Samos, der deren Platz im Sonnensystem bestimmte, beide lange vor unserer Zeitrechnung, über die üblichen Schulbuchverdächtigen Kopernikus, Kepler, Galilei, Newton, Kant und, und ... bis hin zur 1960 geborenen Fabiola Gianotti, die am Teilchenbeschleuniger LHC in Genf zusammen mit Tausenden Mitarbeitenden die Bedingungen während der ersten Sekunde des Urknalls nachbildete. Man liest es nicht ohne Ehrfurcht vor solch akkumuliertem Wissen und Bewunderung für Lebensläufe und Menschen, die oft genug mit Dummheit und Ideologie kollidierten, aber sich nicht aus der Bahn werfen ließen.
Es sei „eine bittere Ironie“, schreibt der Erkenntnistheoretiker Markus Gabriel, dass sich die vermeintlich am höchsten entwickelte Spezies „auf dem Wege ihrer Selbstausrottung befindet und dies sogar weiß“. Abgesehen davon, dass diese Spezies selbst bestimmt, was höchste Entwicklung sein soll, ist für Gabriel die eigentliche Pointe, dass ihr Wissen über das, was sie Evolution nennt, nur „ein komplexes Gewebe verschiedener Entwicklungen“ ist, „die wir keineswegs kontrollieren“. Schon deshalb sei es eine grandiose Selbstüberschätzung, wenn wir behaupten, im Anthropozän zu leben. „Wir sind weder der Anfang noch das Ende der Geschichte des Lebens.“
Starker Tobak – und kein Rauchverbot. Doch kommt man schnell aus der Puste. Denn zwar vollzieht Gabriel gerade aus der Einsicht heraus, wir seien der Erde ziemlich schnurz, die Volte, dass wir angesichts der Klimakrise, ob nun selbst- oder bloß mitgemacht, zu unserer Rettung nicht auf Technik und Naturwissenschaft allein setzen können, sondern durchaus der Moral (und Moralisierung) bedürfen. Indes erklärt er meist das philosophische Besteck, mit dem er jeweils hantiert, trägt aber, was er vorbringt, gern im Basta-Stil vor. So findet man oft mehr Schröder als Schrödinger, dessen hinduistische Denktradition Gabriel nicht unsympathisch ist, aber nichts mit Physik zu tun hat. Gleichwohl lohnt die Lektüre, schon solcher Überlegungen wegen, dass es eine Hybris der Moderne sei, wir wüssten, „dass der Tod das endgültige Ende ist“. Unsere „Ethik des Nichtwissens“ beruht auf Wissen, nicht zuletzt dem, dass wir zumindest „die Konturen der Ideen des Guten“ erkennen und damit unserem – selbst verliehenen – Artnamen, „unserer Weisheitsfähigkeit gerecht werden“ können.
Rücksturz zu Urwelten. Und zwar in Zeiten, die unvorstellbar lange her sind. Verschwunden, ausgestorben, aber Spuren hinterlassen habend. Fossilien. Der Paläobiologe Thomas Halliday von der Universität Birmingham nennt sie „biologische Hieroglyphen“. Und er entziffert sie für uns, um deren einstige Lebenswelten vorm inneren Auge hervorzurufen. Ganze Ökosysteme, ein für alle Mal dahin. Jeweils zentriert um Fundstätten, geht er in der Erdgeschichte, beginnend im Pleistozän vor 20.000 Jahren, Kapitel für Kapitel zurück bis vor 550 Millionen Jahren, zur Ediacara-Fauna, zu den fantastischsten Wesen, aus denen dennoch viele der heutigen Arten hervorgingen und über denen selbst der vermeintlich unwandelbare Sternenhimmel sehr anders aussah als heute. Unfassbar lang sei die Reise durch die Geschichte des Lebens, schreibt er. Aber wie er sie beschreibt, das ist ungeheuer spannend und lehrreich. Eine der Lehren wäre denn auch die, dass „unsere“ Erde bisher so viel durchgemacht hat, dass die derzeitigen Versuche zum Erhalt ihres Klimas, von Symbolkämpfen um ihre „Rettung“ erst gar nicht zu reden, zwar für unsere Spezies alles bedeuten mögen, aber so gut wie nichts für den Planeten.
Nun auch noch die Liebe! Nicht Romantik, sondern Gene, Gerüche, Gewohnheiten, Moleküle, Hirnzustände. Experimente. Die dänische Neurobiologin und Wissenschaftsjournalistin Lone Frank bekommt in Recherchen und Interviews mit einschlägigen Naturwissenschaftlern Erstaunliches heraus, das sie, manchmal etwas Ego-plauderös, insgesamt ansprechend vorbringt.
Sternenstaub. Die Geschichte des Universums in 42 nie verliehenen Nobelpreisen Ben Moore, Katharina Blansjaar (Übers.), Kein & Aber 2022, 352 S., 27 €
Der Mensch als Tier. Warum wir trotzdem nicht in die Natur passen Markus Gabriel Ullstein 2022, 352 S., 22,99 €
Urwelten. Eine Reise durch die ausgestorbenen Ökosysteme der Erdgeschichte Thomas Halliday, Hainer Kober (Übers.), Hanser 2022, 464 S., 28 €
Liebe. Vom höchsten der Gefühle Lone Frank, Kerstin Schöps (Übers.), Kein & Aber 2023, 272 S., 25 Euro
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