Liebe Grüße zurück

Generationsfragen Nina Pauer, die Erfinderin der Schmerzensmänner, hat ein neues Sachbuch geschrieben. Unter dem Titel "LG;-)" kündigt sie an, das digitale Ich zu analysieren

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Am 26. September erscheint bei Fischer ein neues Buch über ein nicht mehr ganz neues Thema: Internet, Social Media, Kommunikation im 21. Jahrhundert. Ein Blick auf den Ankündigungstext verrät das Genre: Generationenbuch. Eines, das, sofern erfolgreich, Begriffe prägen wird, die in eine Reihe mit "Generation Praktikum" und "Digital Natives" passen.

Der Name der Autorin, Nina Pauer, ist mir ein Begriff, seit ihr im Zeit-Feuilleton vom 5. Januar 2012 erschienener Text über die neuen Schmerzensmänner wochenlang als Stein des Anstoßes auf dem Küchentisch meiner WG lag. Die daraus entstandene Debatte hätte jedes Sommerloch bestens gefüllt. Im Januar waren es ein paar Blogs, Zeitungen und ein paar Abende, an denen der Begriff auftauchte und erst diskutiert, dann belächelt wurde. Das Konzept des Artikels ist so simpel wie das eines Buches über Generationsfragen: Man stellt für möglichst viele Menschen nachvollziehbare Beobachtungen zu einem Thema an, zu dem die meisten eine Meinung haben. Dabei geht es meistens um Moden oder gesellschaftliche Veränderungsprozesse, die aktuell genug sind, dass man sie noch nicht aus der Gegenwart heraus soziologisch, historisch oder politisch einordnen könnte. Der in popkulturkompatible Worte gekleidete Diskussionsgegenstand eignet sich so noch nicht für eine substanzielle Debatte, aber es reicht, um Aufmerksamkeit zu generieren.

Das selbe scheint Pauer nun mit ihrem neuen, dem Internet-Buch vorzuhaben. Die Sichtbarkeit von mobilen Endgeräten im öffentlichen Raum und den Menschen dahinter, die Mails verschicken, Tweets absetzen und ihren Facebookstatus aktualisieren ist für jeden erkennbar eine sowohl technische als auch soziale Neuerung, die als Phänomen diskutiert wird. Naheliegend also, darüber ein Buch zu schreiben, in dem hinter einem schicken Hardcover eingängige Thesen über die Auswirkungen des Social Web auf die Gesellschaft formuliert werden.

Besonderer Tiefgang ist allerdings wohl auch hier nicht zu erwarten - auf der Homepage des Verlags findet sich folgende Beschreibung des Buches:

"Noch nie haben wir auf so vielen Kanälen gleichzeitig kommuniziert. Vor allem Menschen zwischen 15 und 35 haben ein zweites, ein virtuelles Ich im Internet, das ihr Leben prägt wie nichts Vergleichbares zuvor. Wer nicht postet, ist nicht!"

Das klingt zunächst vor allem sehr erwartbar. Pauer ist nicht die erste, die Social Media als die Schaffung einer zweiten, von der realen entkoppelten, virtuellen Existenz beschreibt. Als Science-Fiction-Fantasie wirkt die These besonders plastisch, macht das Netz vermeintlich greifbar und ist dennoch falsch. Verbunden allerdings mit der Sorge, dass sich Menschen zwischen vielfältigen Kommunikationssträngen verheddern, die Oberflächlichkeit gewinnt und das Eigentliche bei der Datenübertragung verloren geht, gelangt man zu einer Grundaussage, in der sich zumindest einige Feuilletonisten bestätigt finden werden, die dem Text zu passablen Verkaufszahlen verhelfen. Dabei will Pauer angeblich nicht verurteilen, sondern den Nerv der Zeit treffen.

Das Internet ist ein Kommunikationsmedium - und es ist hoch am Nerv der Zeit, die dadurch entstehenden Möglichkeiten zu nutzen. Es verändert die Gesellschaft, indem es Verständigung vereinfacht und Informationen verfügbar macht. Nicht weniger, aber vor allem auch nicht sehr viel mehr. Der informationelle Mehrwert eines Buches wie "LG;-)" hat höchstwahrscheinlich eine Halbwertszeit von wenigen Monaten, spätestens in einigen Jahren wird sich kaum mehr jemand fragen, ob wir "vor lauter Kommunizieren unser Leben verpassen". Interessant wäre noch, warum (zumindest gefühlt) im Moment so viele von diesen Generationenbüchern auf den Markt gelangen, die Inhalte versprechen und bei Unterhaltung stehenbleiben. Vielleicht wird Frau Pauer mich auch überraschen und alles ist nicht halb so dünn wie es scheint. Aber ich glaube: Die Chancen stehen schlecht.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Eva Ricarda Lautsch

Cocktailkirschen zwischen dem Papier // Studentin, Bloggerin, Schreibtischgast @derfreitag.

Eva Ricarda Lautsch

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden