Rollenbilder älterer Herren

Abenteuer Bisweilen haben die Geschichten älterer Herren durchaus eine bewusstseinserweiternde Funktion. Vor allem auch, wenn sie mit einem abenteuerlichen Geruch versetzt sind.

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Vielfach ist heute eine Abenteuerlust antreffbar, die sich in adipösen Leidenschaften erschöpft. Deren Erweiterungen des Bewusstseins halte ich für fragwürdig, trotz Vorführung durch deutsche Umweltminister.

Speziell ein, in München wohnhafter, nicht unsympathischer älterer Herr der hierorts gern seine Weisheiten verbreitet, befleißigte mich jüngst zur schriftlichen Absonderung adrenalingetränkter Wegpunkte meiner gescheiterten Sozialisation. Als gescheitert betrachtet werden darf die, weil sie sich vorwiegend auf eine Tierart jenseits meiner eigenen Rasse bezieht: die Pferde.

Einer der wenigen für mich glaubwürdigen Lehrmeister, jenseits der bereits erwähnten Vierbeiner, brachte es einmal wie folgt auf den folgenden Punkt:

„weißt du, Fahrer von Vierspänner denken wie Pferd, fühlen wie Pferd, stinken wie Pferd und können mit ihre Tiere machen alles, aber mit Menschen haben sie Problem.“ (Seine polnische Herkunft bedingte eine eigenwillige Grammatik).

Im Rahmen der Erfüllung dieser Prophezeiung kam es dann, in meiner ebenfalls leider lang zurückliegenden Jugend, zu einer beeindruckenden Konfrontation von modernistischer Abenteuerlust und meinen pferdetechnischen Anliegen:

Im Rahmen einer gewerblichen ‚Vatertagstour’ hatte ich 4 meiner liebsten Arbeitskollegen vor eine recht große Kutsche stählerner, moderner Bauart gespannt. Die 10 Passagiere dieser Fahrt entstammten dem benachbarten Dorf und hatten es verstanden einen unbegnadeten Musiker zur Teilnahme zu überreden. Der quälte, vom Start weg, die Ohren aller mit einer voluminösen ‚Quetschkommode’. Trotzdem die Pferde derartige Eindrücke erstmalig sammeln mussten, muckten sie nicht. Das Türchen führte uns zunächst durch zwei ebenfalls benachbarte Dörfchen mit bescheidenen verkehrstechnischen Anforderungen.

Erst nach 8 – 10 Kilometern steigerten sich die verkehrsbedingten Erfordernisse. Vor dem Einbiegen in eine, von den übrigen Verkehrsteilnehmern legal mit Tempo 100 zu befahrene, Landstraße schickte ich meinen begnadeten Beifahrer voraus an neue Mittellinie. Die bauartbedingt extrem lange Motorhaube meines Gefährtes verhinderte meinen persönlichen Einblick in die momentanen Verhältnisse dieser, gern von potentiellen Organspendern frequentierten, Rennstrecke.

Nachdem der Beifahrer seine Position bezogen hatte, signalisierte er mir die Unbedenklichkeit meiner Einfahrt. Zügig absolvierte ich das Anfahren und die Rechtswendung meines dreigliedrigen Zuges in perfekter Manier. Kaum jedoch waren wir komplett in der neuen Fahrtrichtung angekommen, der Beifahrer besetzte noch die Mittellinie, kam uns eine Horde beachtlich motorisierter Zweiradfahrer über die nächste Hügelkuppe entgegen geflogen. Der Anführer der Bande reduzierte, vielleicht aus tierschützerischen – eher wohl aus touristischen – Erwägungen, sein Tempo auf ein legales Maß. Das gelang auch den beiden, an seinem Hinterrad klebenden, nachfolgenden Kollegen.

Der Vierte der Rotte verfügte leider nicht über deren Reaktionsgeschwindigkeit. Dank übermäßigem Einsatz seiner Bremse kam er zu Fall und kollerte zügig in den rechten Straßengraben. Sein Maschinchen fiel auf die Seite, kreiselte dabei scheppernd und krachend in der Horizontalen, dabei auf meine Vorderpferde zurutschend. Scheiß

Die zügige zeitliche Abfolge erlaubte mir das Anhalten der, trotz beachtlicher Geräuschkulisse steuerbaren, Pferde und das Öffnen des Mundes, mehr nicht.

Erst unmittelbar vor den Vorderpferden wechselte das zerbröselnde Moped sein Ziel und knallte kurz darauf endlich auf ein anderes der Rotte.

Alle meiner Mitarbeiter hatten eine überdurchschnittliche Einsichtsfähigkeit bewiesen, waren auf den Beinen, keine ‚rote Soße` verunzierte den Asphalt: ein schönes Ergebnis. Das auch der Reaktionslahme aus dem Graben krabbelte und sofort lautstarke Reklamationen absonderte kam mir nicht Ungelegen, war aber nur ein Nebenschauplatz.

An einem nahe gelegenen, schönen Plätzchen im Wald konnten wir kurz darauf ausgiebig unseren vereinten, außerplanmäßigen Geburtstag feiern. Im Rahmen dieser Feierlichkeit wurde darüber nachgedacht wie das erlebte Abenteuer anlässlich der Fahrt im Folgejahr zu übertreffen sei. Mangels hinreichenden Bekanntheitsgrads von Tuareg in der Eifel blieb uns der Gedanke an einen Indianerüberfall.

Ob es sinnvoll ist weitere derartiger Erlebnisse gerade hier zu verbreiten?

Ich danke Lord, Edano, Darius, Karie, & Herbert
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Geschrieben von

fahrwax

Lieber auf dem Wagen, als unter den Rädern.... Bekennender, autonomer Pferdeknecht

fahrwax