Achtung, hier twittert die Polizei

Netzgeschichten Die Polizei von Manchester hat einen Tag lang getwittert, was sie tut. Und die Beamten haben bewiesen: Ordnungshüter leben gefährlich – sofern Langeweile gefährlich ist

Eine Internetpolizei, die überwacht, ­reguliert, einschränkt in der letzten Oase der Freiheit, dem World Wide Web: Ist sie nicht ein Horrorszenario für viele, die im Netz unterwegs sind? Gegen eine Internetpolizei, die sich nur zu Werbezwecken im Netz aufhält, ­haben aber viele offenbar nichts einzuwenden, solange sie sonst offline arbeitet. Im britischen Manchester hat die Polizei einen Tag lang all ihre Aktivitäten getwittert.

3.205 Vorkommnisse wurden innerhalb von 24 Stunden über den Kurznachrichtendienst verbreitet. Ziel der Mission: Der Öffentlichkeit zu zeigen, wie hoch die Arbeitsbelastung ist. Einen Blick hinter die Kulissen werfen, live bei der Gangsterjagd dabei sein, alles in Echtzeit miterleben, bequem vom heimischen Computer aus: Die Zahl der Mitlesenden schoss jedenfalls rasant in die Höhe. Hatten vor der Aktion 3.000 Menschen die Polizeinachrichten abonniert, interessieren sich inzwischen knapp 16.000 User dafür.

Die Dokusoaps im Fernsehen sind spannender

Ob die aber das gelesen haben, was sie sich erhofft hatten, ist eine andere Frage. Ein gestohlenes Fahrrad, ein Streit unter Nachbarn, ein aggressiver Ladendieb – interessiert das die Welt? Ein vermisster Teenager, Kühe auf der Straße, ein Autoschaden – sterbenslangweilig. Zumindest, wenn es nicht mehr als 140 Zeichen zu lesen gibt. Wer die verrücktesten Geschichten der Polizei kennen möchte, schaut im Fernsehen eine Dokusoap. Einen Vorteil hat das Polizeigezwitscher aber doch: Es ist authentisch. Es bietet einen realis­tischen Einblick in den Polizistenalltag. Und der ist oft eben: ziemlich öde.

Zwar gibt es genug Leute, die über Twitter verbreiten, wann sie duschen oder rauchen. Aber das lesen dann höchstens Freunde. Die zweite Art der Twitter-Nutzung sieht anders aus: ­Verschickt werden relevante Infor­mationen, Links zu spannenden ­Geschichten oder lustige Kuriositäten. Hier abonniert man nicht die Person, sondern den Inhalt. Wenn die Polizei im Netz ernst genommen werden will, muss sie ihren Kanal auf diese Art nutzen und nicht jede Kleinigkeit in die Welt hinausposaunen.

Man könnte das Medium auch anders nutzen

Oder sie interpretiert Twitter auf eine dritte Art: In New York überwacht die Polizei Kurznachrichten jugendlicher Straßengangs, die sich damit zu Offline-Kämpfen verabreden. Vielleicht kommen Polizisten auch bald auf die Idee, die Netzgemeinde nach Tathinweisen zu fragen oder Fahndungsfotos über Twitter zu senden. Das wäre innovativ. Mehr als 3.000 belanglose Nachrichten hingegen nerven bloß. Vielleicht hätte man die Polizei rufen sollen. Bloß: Dann wäre noch ein Tweet hinzugekommen.

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