Es ist mitunter deprimierend, wenn man auf die Ergebnisse der bisherigen Klimakonferenzen blickt. Jedes Jahr treffen sich die Verhandlungsführer aus aller Welt, jedes Jahr wird zu wenig für den Klimaschutz getan. Woran es im Detail hakt, ist für Außenstehende oft schwer zu durchschauen. Bei einigen Aktivisten macht sich das Gefühl breit, dass die UN-Verhandlungen sinnlos seien. Ja, es ist wahnsinnig schwierig, mit 196 Staaten eine globale Lösung zu finden. Nur: Die Alternativen wären noch schlechter.
Der Prozess unter dem Dach der Vereinten Nationen ist demokratischer als alle anderen Versuche, die Erderwärmung zu stoppen. Trotzdem wäre es falsch, zu sagen, auf der diesjährigen Konferenz in Paris ginge es um die Frage, ob das CO2-Problem demokratisch zu lösen ist – und damit um die Zukunft der Demokratie.
Dies mag den Druck erhöhen, dass dort ein passabler Vertrag beschlossen wird. Das birgt allerdings auch das Risiko, dass der Bumerang bei einem Scheitern zurückkommt: Die Demokratie funktioniert offenbar nicht, also brauchen wir jetzt eine Öko-Diktatur. Zudem ist der UN-Prozess keinesfalls die Demokratie in Reinform. Entscheidungen werden im Konsens getroffen, jeder Staat hat ein Vetorecht. Solange kein Konsens gefunden wird, gibt es aber faktisch auch ein Ergebnis: Weiter wie bisher! Auch wenn die Mehrheit anderer Meinung ist. Falls der Pariser Gipfel scheitert, dann nicht an der Demokratie, sondern am Konsensprinzip.
Ein Staat, eine Stimme – zumindest formal
Die Verhandlungen im UN-Rahmen sind trotzdem das Beste, was im Moment zur Verfügung steht. Es ist der Versuch einer kollektiven Problemlösung, das ist die erste Voraussetzung für echte Demokratie. Die Macht des Stärkeren ist gebrochen, wenn auch nicht ganz aufgehoben. Jeder Staat hat genau eine Stimme, zumindest formal haben alle Länder die gleiche Macht.
Vorstellbar wären auch ganz andere Modelle, die vermutlich ziemlich intransparent wären: Ein weltweites Klimaregime könnte unter den G7- oder G20-Staaten ausgehandelt werden. Sie sind für den Großteil der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich und hätten die wirtschaftliche Macht, kleinere Länder ebenfalls zu Reduktionen zu zwingen, zum Beispiel durch Handelssanktionen. Ebenfalls möglich wäre eine neue informelle Entscheidungsrunde, die sich aus den Staaten mit dem höchsten Treibhausgasausstoß zusammensetzt. Oder alles läuft unreguliert so weiter wie bisher und die Erde wird gegrillt.
Diese Szenarien finden sich auch abgeschwächt im UN-Prozess. Die Stimmen der Staaten haben unterschiedliches Gewicht. Ob ein den Anforderungen entsprechender Klimavertrag beschlossen wird, hängt hauptsächlich von den Industriestaaten ab, sie stoßen am meisten CO2 aus und können ein Abkommen blockieren. Die Entwicklungsländer hingegen können ihre Stimme nur symbolisch verweigern. Sie haben kein Druckmittel und sind auf einen Klimavertrag angewiesen, weil sie unter den Folgen der Erwärmung am stärksten leiden und am wenigsten Mittel haben, um sich anzupassen. Das Geld für Anpassungsmaßnahmen kommt übrigens auch von den Industrieländern. Zudem gibt es weitere Abhängigkeiten, von Handelsbeziehungen bis zur Entwicklungszusammenarbeit.
Wenn der globale Klimaschutz wirklich demokratisch ausgehandelt werden soll, müsste man zum einen die enormen wirtschaftlichen Ungleichheiten beseitigen. Zum anderen müsste sich der Entscheidungsprozess am Konzept der Weltbürgerschaft orientieren. Nicht alle Staaten, sondern alle Menschen hätten den gleichen Einfluss. Das Stimmgewicht eines Landes hinge von der Bevölkerungsgröße ab.
Wirtschaftliche Interessen
Zudem muss das Mehrheitsprinzip gelten. Dann können Länder zwar überstimmt werden, doch das ist jetzt schon möglich. Durch ein Veto kann ein einziger Staat alle anderen blockieren. In einer Demokratie muss auch der Minderheitenschutz gewährleistet sein, jede Minderheit muss zur Mehrheit werden können. Daher darf es nicht sein, dass ganze Länder im Wasser versinken, wenn der Meeresspiegel aufgrund einer von der Mehrheit beschlossenen Politik weiter steigt. Noch demokratischer als Verhandlungen zwischen Staaten wäre ein Weltparlament, das über Maßnahmen gegen die Erderwärmung abstimmt.
Auch im jetzigen UN-System mit Konsensprinzip ist ein internationales Klimaschutz-Regime aber möglich. Dafür sorgen schon die ökonomischen Bedingungen: Weiter Emissionen zu verursachen wird für die weltweite Wirtschaft langfristig deutlich teurer, als jetzt gegenzusteuern. Die Staaten haben also ein gemeinsames Interesse an Klimaschutz. Für das einzelne Land ist es jedoch anders: CO2-Einsparungen belasten die heimische Wirtschaft, es profitiert jedoch die ganze Welt, der Vorteil für das einzelne Land ist relativ gering. Solange die Staaten nicht in großem Stil ökonomisch uneigennützig handeln, kann die Lösung für dieses Problem nur in einem Vertrag bestehen, mit dem sich die Staaten untereinander zum Klimaschutz verpflichten – zum Nutzen aller.
Weil dabei jedes Land so wenig wie möglich zahlen möchte und es tausende Varianten gibt, wie die Reduktionsverpflichtungen verteilt werden können, ziehen sich die Verhandlungen in die Länge. Gerecht wäre es, allen Ländern den gleichen Pro-Kopf-Ausstoß zu erlauben. Danach können die Emissionsrechte zwischen den Staaten gehandelt werden. Das würde die Industrie in den reicheren Ländern schonen und gleichzeitig riesige Geldströme in die armen Länder leiten. Um Gerechtigkeit geht es bei den Klimaverhandlungen aber leider nur in den Reden der Politiker und Diplomaten. Am Ende sind die nationalen Interessen dann in der Regel doch wichtiger.
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