20. Nippon Connection - zum 1. Mal online

Japanisches Filmfestival Jubiläum eines besonderen Filmfestivals in ungewöhnlichen Zeiten

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Als klar war, dass auf längere Sicht auf Grund der Ausbreitung des Coronavirus Großveranstaltungen mit einem hohen Publikumsverkehr vorerst Zukunftsmusik bleiben würde, begannen die Absagen etablierter Festivals, während andere eine Online-Version planten.

Wer einmal in Frankfurt auf dem Festival für japanischen Film Nippon Connection war, kennt die besondere Atmosphäre dort: in der urischen Naxoshalle, dem immer belebten Mousonturm, mit den verschiedenen Essens- und Merchandise-Ständen, dem Rahmenprogramm für verschiedene Altersgruppen, Konzerte und Film-Q&As. Dass dies zum 20. Jubiläum nicht möglich sein sollte, ist sicher ein Wehrmutstropfen für viele. Doch das Festival nicht ausfallen sondern zum ersten Mal online stattfinden zu lassen war angesichts der besonderen Lage eine erfreuliche Entscheidung.

Während der diesjährigen Ausgabe von Nippon Connection vom 09.06. bis zum 14.06.2020 zum 20. Jubiläum gab es also keine physischen Treffen aber „Connection“ wurde durchaus hergestellt. Es gab livestreaming-Konzerte aus Frankfurt und Japan, Panel-Diskussionen im Livestream und ein breitgefächerte Angebote zum Kennelernen japanischer Kultur, darunter auch solche zum Mitmachen. Dabei hat die Technik fast bis zuletzt mitgespielt. Ein corporated design und die Website, bei der alles zusammenlief, machten es klar, dass alles zu einem Festival gehörte.

Zum diesjährigen Jubiläum konnte das Festival zudem das vollbringen, wofür es unter anderem so bei den loyalen Fans beliebt ist: Die ganze Bandbreite des japanischen Films zeigen, von Filmen von jungen FilmemacherInnen über solche von Kultregisseuren wie Sabu, über Dokumentationen bis hin zum Kurzfilmformat.

Der Schwerpunkt war gesellschaftlich relevant und entsprach auch einem Trend der in den Panel-Diskussionen angesprochen wurde: Die größer werdende Zahl an Filmermacherinnen. War es noch bis Ende der 90er Jahre äußerst ungewöhnlich, als Frau nicht nur als Schauspielerin sondern auch als Produzentin oder Regisseurin in der Filmbranche in Japan tätig zu sein, gab es, so Filmemacherinnen im Gespräch livestream, seit den frühen 2000ern eine Trendwende. So gab es dann zur Jubiläumsausgabe zum Thema "FEMALE FUTURES? – NEUE FRAUENBILDER IN JAPAN" eine ganze Reihe von Filmen neben Vortrag und Podiums-Diskussion.

Die Auswahl an Filmen wie The Shape Of Red, die aus der Sicht ihrer Protagonistin, die durch die Begegnung mit ihrem Exfreund hinterfragt, ob sie wirklich glücklich ist als Ehefrau ihres netten und reichen Mannes und Mutter einer Tochter oder die Dokumentation This Is Not My Planet über eine Ikone der japanischen Frauen-Befreiungsbewegung sind nur zwei Beispiele, wie hier Themen gesetzt werden konnten, die in der aktuellen japanischen Gesellschaft virulent und gleichzeitig universell anknüpfungsfähig sind.

Unter den Dokumentationen waren zudem unter anderem The Prison Circle, die bewegende Geschichte von Häftlingen, die an einem besonderen Resozialisierungsprogramm teilgenommen hatten, das Porträt einer besonders kouragierten Journalistin der Tokyo Shimbun i - Documentary Of The Journalist neben solchen wie ein einfühlsamer Film über Ainu, den Natives von Hokkaido und einer kompositorisch einen reinen Realismus überschreitende Reise zu einer Unterwasserhöhle in Mexiko.

Zum diesjährigen Programm des Festivals gehörte übrigens auch mit The Journalist ein Spielfilm-Äquivalent zur Dokumentation über jene mutige Tokyo Shimbun-Journalistin. Wer die Zeitungsberichte der liberalen bis links-liberalen Presse in Japan der vergangenen Jahre verfolgt hatte, wird unschwer die Prallelen zur echzten Tokyo Shimbun-Journalistin, sowie zu zahlreichen Politikskandalen wie etwa um Korruption im Zusammenhang mit dem günstigen Erwerb von Staatsland durch eine Privatschule erkennen. Die Hauptdarstellerin wurde von einer Koreanerin gespielt, da es für japanische Kolleginnen Zurückhaltung gegenüber ein politisch so brisantes Projekt gab.

Ermöglicht das unter gewöhnlichen Umständen in Frankfurt am Main stattfindende Festival je eine Momentaufnahme des japanischen Kinos - und dies auch in dem low-budget, wie Independent-Bereich - wo es für Filmschaffende einfacher ist, auch sozial und politisch kontroverse Themen anzusprechen, so gab es in diesem Jahr auch ein Best-Of, darunter einige, die von dem Verleih Rapid Eye Movies zur Verfügung gestellt wurde, ein Verleih, der mittlerweile ebenso bei Produktionen beteiligt ist und ebenfalls eine große Rolle für das Bekanntmachen von ostasiatischem Kino in Deutschland spielt.

Trends der vergangenen Jahre, die in den Diskussionen zur Sprache kamen waren der bereits erwähnte, dass die Zahl von Fimemacherinnen größer geworden ist. Ein anderer Trend, sder ausgemacht wurde, sei, dass das Segment mit einem mittleren Budget weggefallen ist. Es ist fraglich, wie nachhaltig Filmschaffende eine Karriere aufbauen und auch davon leben können, wenn sie im Niedrig-Budget, von einigen während der Diskussionen auch „no-budget“ genannten Bereich arbeiten. Doch, so wurde deutlich, scheint gerade hier Potenzial zu liegen für die Filmindustrie in der aktuellen Situation und der Post-Corona-Zeit.

Sicher, nicht nur für Filmschaffende, die bei solchen Festivals auch mögliche Kooperationspartner finden oder von dem direkten Feedback der BesucherInnen zehren, auch für die FilmliebhaberInnen, die als ZuschauerInnen das Festival verfolgen, wäre es wünschenswert, im nächsten Jahr sich wieder analog zu begegnen. Dass die Jubiläumsausgabe nach zwei Jahrzenten neue Wege gegangen ist und damit auch in diesem Jahr zur Sichtbarkeit von ostasiatischem Kino in den immer noch stark von Hollywood geprägten Breitengraden beigetragen hat - dieses Experiment hat sich gelohnt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ferdinand Liefert

Dipl.-Theologe (Studium in Greifswald / Marburg / Interreligiöses Studienprogramm in Kyoto ).

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