Gewöhnen wir uns an eine Politik des geringeren Übels?

Demokratie Mögliches Comeback von Trump in den USA, AfD zweitstärkste Oppositionspartei in der BRD: Was wird aus der Demokratie?

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Nachdem Ron DeSuntis seine Kandidatur für die US-Präsidentschaft zugunsten von Donald Trump aufgegeben hat, bereitet man sich bereits auf globaler Ebene auf eine mögliche Rückkehr Donald Trumps vor. Julian Ryall schrieb in einem Beitrag für die South China Morning Post vom 18. Januar etwa darüber, dass die japanische Regierung bereits dem Team von Donald Trump die Hände gereicht habe, da man sich um die Folgen seiner Wiederwahl sorge. Das wäre die Aussicht, dass auch Verbündete der USA neue Zölle drohen könnten und dass er seine Männerfreundschaft ("bromance") mit dem Staatsschef der Demokratischen Volksreupublik Korea, wie Nordkorea offiziell heißt, KIM Jong-un wiederbeleben könnte. Beides für die aktuelle Regierung Japans keine Wunschvorstellungen.

Dass es Auswirkungen auf die amerikanische Außenpolitik haben dürfte, wenn Trump tatsächlich wiedergewählt wird, darüber ist man sich auch in Europa einig. Besonders virulent wird dann die Frage nach der Unterstützung und die Verteilung der Ausgaben für diese, für die Ukraine werden, auch der Status der NATO könnte sich durchaus wieder wandeln, wie das transatlantische Verhältnis insgesamt. Die Frage, ob nicht auch deshalb das diesjährige NATO-Manöver "Steadfest Defender" so dermaßen groß ausfällt, weil man es sich auch als ein letztes Aufbäumen denken kann, sei an dieser Stelle den Militärexperten überlassen.

Innenpolitisch dürfte es für Trumps Gegner mindestens unbequem werden, wenn er der POTUS 47 wird (Präsident der Vereinigten Staaten Nr. 47). Eine Frage, die die Innenpolitik europäischer Staaten betreffen dürfte, ist, ob dies dann auch der globalen Rechten Aufschwung veleiht.

Im September diesen Jahres stehen sodann Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg an. Laut Merkur vom 11.01. diesen Jahres, könnte die AfD in allen drei Ländern stärkste Partei werden. Auf Bundesebene wäre sie nach aktuellen Umfrageergebnissen zweitstärkste Kraft. Hierzulande hat sich jüngst Protest formiert, nachdem Pläne bekannt geworden sind, die bereits in Buchform nachzulesen waren und das Potential haben - so hat sich gezeigt - doch einen Teil der Gesellschaft aufzuschrecken. Hüben wie drüben stellt sich neben der Frage nach dem zivilgesellschaftlichen Engagement auch die Frage nach dem eigenen Wahlverhalten und damit verbunden, dem Agieren der Parteien insgesamt. Ist nun strategisches Wählen angesagt um Rechtsaußen zu stoppen, ist gar die Ampelregierung grundsätzlich in Schutz zu nehmen, da - ganz unabhängig von dem Abschneiden der AfD - die bisher wahrscheinlichste Entwicklung ist, dass die nächste Bundesriegung deutlich konservativer wird und dieses jedenfalls im Selbstverständnis Mitte-links-Bündnis das geringere Übel darstellt?

Aus den USA, wenngleich mit den großen dominanten Parteien dort eine deutlich andere Situation vorherrscht, ist doch eines zu lernen: Es hilft gegen Rechts kaum, sich einfach nur als das geringere Übel zu verkaufen. Das mag in Frankreich gerade so noch einmal funktioniert haben, in den USA ist das schon Hillary Clinton nicht geglückt. In einem Beitrag im Freitag, der auch im Guardian erschienen ist, wies Bernie Sanders auf Erfolge der Biden-Regierung hin, zeigte aber auch auf, welche Forderungen Progressive an die Demokratische Partei zu stellen haben, bzw. welche Aufgaben für Progressive angesichts der Präsidentschaftswahl in diesem Jahr zu erledigen hätten.

Auch wenn einzelne progressive Demokratinnen und Demokraten wie Bernie Sanders oder etwa Alexandria Ocasio-Cortez durchaus populär sind, so sind sie für Gemäßigte womöglich weiterhin zu links und es ist fraglich ob sich diese Strömung durchsetzen kann. Wenn es auch Biden gelingt eigene Anhänger zu mobilisieren, wird abzuwarten sein, ob Enttäuschte doch umschwenken. Es dürfte jedenfalls schwer werden, Trump noch einmal abzuwenden, indem man sich als geringeres Übel darstellt.

In Deutschland bietet die Parteienladschaft im Grunde die Möglichkeit für eine diverfiziertere Stimmenabgabe. Es ist ja nicht nur entweder - oder, wodurch ja auch die beobachtbare Polarisierung in den USA mit begünstigt wird, die sich nun auch in der südkoreanischen Politik zeigt, wo jüngst ein Politiker und eine Politikerin der größten Oppositions- und der Regierungspartei brutal angegriffen worden sind. Solchen Attacken gehen Online-Kampagnen voraus. Von der Präsenz gerade auch in den digitalen Medien versteht man nicht nur, aber auch gerade rechts außen etwas.

Es kommt vielleicht nicht ganz hin, dies als Gegenteil von Polarisierung zu verstehen, aber in Südkoreas östlichem Nachbarland Japan sieht die politische Parteienlandschaft deutlich anders aus. Dort sitzt die LDP zusammen mit ihrer Junior-Partnerin, der Komeito fest im Sattel. Das bedeutet keineswegs, dass diese Parteien so derart beliebt sind. Jüngste Umfragen zeigen eine leichte Erholung der Zustimmungs-Werte für Premierminister KISHIDA Fumio, diese befanden sich in letzter Zeit jedoch in einem deutlich Tief, was durch verschiedene Umstände zustande kam, zuletzt auf Grund eines Spendenskandals innerhalb der LDP.

Doch ist es mehr als fraglich, ob das den Oppositionsparteien nutzen kann. Bei den Wahlen in der jüngeren Vergangenheit hat sich gezeigt: In Japan traut man es der Opposition auch nicht zu, es besser zu machen. An dem Zeitraum, an dem LDP und Komeito bereits wieder die Regierung stellen, kommen 16 Jahre Angela Merkel nicht heran.

Zuletzt erkannte man in Deutschland, dass eine zu lange Aneinanderreihung von Legislaturperioden, in denen eine große Koalition die Rgeriung stellt, was ja im Grunde eine Art Kompromisslösung darstellt, dem Land nicht gut tun würde. Es gab nicht nur von rechts, auch von links ein deutliches Signal für einen Wandel. Die darauffolgende als Fortschrittskoalition angetretene Regierung aus SPD, Grünen und Liberalen ist derweil zur Zeitenwende-Koalition geworden und sieht sich mit dem unbarmherzigen Erbe der Schuldenbremse konfrontiert. Fortschritt und selbst der Respekt, von dem Olaf Scholz im Bundestagswahlkampf gesprochen hatte - das sieht für viele Menschen anders aus, insofern sie ersteres überhaupt wollen. Man könnte nun darüber diskutieren, dass Gesetzesvorhaben, die in gewisserweise auf einen ökologischen Fortschritt hin ausgerichtet waren zu den umstrittensten gehören - und darauf verfallen, dass dabei ein Fehlen einer sozialen Absicherung nicht gerade hilfreich ist um Bestand zu haben.

Es ist eine denkbar ungünstige Situation für das Parteiengefüge, dass mit der Linkspartei eine eben linke Oppositionspartei aus den viel debattierten bekannten Gründen, die man sicher unterschiedlich bewerten kann, einen so starken Machtverust erlitten hat. Auch auf dieser Basis gelingt es der AfD sich als Fundamental-Opposition darzustellen. Es ist indes fraglich für welches linke oder mitte-linke Projekt nun noch mit Aussicht auf Erfolg stimmen ließe. Wird das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht eine gewisse Lücke schließen, wird man sich im linken Spektrum Stimmen gegeinseitig streitig machen?

Die Ampelparteien haben in letzter Zeit versucht, sich vermeintliche oder tatsächliche Befindlichkeiten potentieller AfD-Wähler zu eigen zu machen, man denke da nur an die so genannte "Migrationsdebatte" vergangenen Jahres oder das jüngst verabschiedete Rückführungsgesetz. Gleichzeitig können sie bisher den Eindruck vermitteln, dass sie eben weniger schlimm sind als die AfD. Dazu passt auch, dass Olaf Scholz Demonstrierenden dankt, die sich an den Kundgebungen gegen Rechts beteiligt haben. Es wäre sicherlich fatal, wenn er sich anders dazu verhielte. Dass auch aus der Union lobende Töne für jene Demonstrationen kommt, kann allerdings schon aufhorchen lassen. Auch die Union versucht sich an einer Anbiederung in Sachen Migration und gleichzeitiger Abgrenzung, auch wenn die im einzelnen nicht ganz so konsequent durchgehalten wird.

Geht es jetzt also nur darum gegen die AfD zu sein und diese zu verhindern? Eine solche Haltung sollte nicht zur Entpolitiserung führen, denn sonst macht man es der AfD und anderen rechten Einzelpersonen und Parteiströmungen mitunter zu leicht. So werden Themen aufgegriffen, die aus dieser Richtung kommen und sich daran abgearbeitet ohne eine grunsätzliche Alternative zu konservativen bis ultrakonservativen oder rechtsextremen Konzepten vorzulegen. Genau das beschreibt das Wort "Rechtsruck". Den Umfragewerten hilft diese Strategie bisher auch nicht so recht.

Ob man nun auf eine Stärkung einer Opposition von links abzielt oder, aus welchen Gründen auch immer, die Ampel verteidigen möchte, so kann es der demokratischen Kultur nur schaden, wenn man politische Inhalte und politische Differenzen nur wegbügelt, wenn an die Regierung keine Forderungen gestellt werden sollen, weil dies ja der rechten Opposition helfen würde. Es ist wohl kaum fraglich, dass es auch einen gewissen Zusammenhalt braucht für ein deutliches Engagement gegen Rechtsaußen und dass eine Polarisierung à la USA oder Südkorea keine befriedigende Lösung sein kann, dass auch das Festhalten an nur einer einzigen Konstellation zuweilen zu Entpolitiserung und zu einer gewissen Stagnation beizutragen vermag. Letzteres wird auch als Grund dafür gesehen, dass es beispielsweise in Taiwan eher ungewöhnlich ist, dass nun ein drittes Mal die DPP einen Präsidenten stellt. Dafür hat diese schließlich auch die Mehrheit im Parlament verloren.

Wenngleich die Frage ob wir uns in Deutschland an eine Politik des geringeren Übels gewöhnen wohl vorerst offen bleibt, wäre dies ein wenig vielversprechendes Szenario. Gute politische Projekte könnten die Demokratie dafür in einem positiven Sinne dynamisieren. In Taiwan etwa hat schließlich die TPP (Taiwan People's Party/ dt.: Volkspartei Taiwans) zum Beispiel ein überraschend starkes (so die taz) Ergebnis erhalten, da sie sich Fragen junger Leute, wie etwa der nach dem Einkommen und der Wohnungsfrage, gewidmet hat.








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Geschrieben von

Ferdinand Liefert

Dipl.-Theologe (Studium in Greifswald / Marburg / Interreligiöses Studienprogramm in Kyoto ).

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