Filmische Zugänge zu Hiroshima und Fukushima

Film Wie eine Schweizer-japanische und eine deutsche Filmemacherin die Folgen radioaktiver Strahlung verarbeiten.

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In diesem Jahr veranstaltet die Gruppe Sayonara Nukes Berlin anlässlich des 5. Jahrestages der Dreifach-Katastrophe von Fukushima und des 30. Jahrestages der nuklearen Katastrophe von Tschernobyl ein "Protestival", in dessen Rahmen eine Demonstration, Diskussionen, eine Fotoausstellung und Filmvorführungen durchgeführt werden.

Einer der Filme, die während des "Protestivals", das am 11.03.2016 begonnen hat und noch bis zum 26.04.2016 andauert, gezeigt wurde, ist der Dokumentarfilm "Als die Sonne vom Himmel fiel".

In einem Publikumsgespräch via Skype hat die schweizerische/japanische Filmemacherin Aya Domenig erklärt, wie sie dazu gekommen ist, mit der Arbeit daran zu beginnen.

Es war das ganz persönliche Interesse an der Geschichte ihres bereits verstorbenen Großvaters, das dazu geführt hat, mit den ersten Recherchen zu beginnen. Ihr Großvater war 1945 nach dem Atombombenabwurf als Arzt in einem Rotkreuz-Krankenhaus tätig. Er selbst hat über seine Erfahrungen aus jener Zeit nie viel erzählt.

Aya Domenig trifft bei ihrer Spurensuche auf einen ehemaligen Arzt und eine ehemalige Krankenschwester, die Ähnliches erlebt haben und spricht mit ihrer Großmutter über ihre Erinnerungen. Mit ihr zusammen liest sie auch Gedichte, die ihr Großvater geschrieben hat.

Im Laufe der Dreharbeiten hatte Aya Domenig auch andere Jobs, so ließ sie das sehr persönliche Material für einige Zeit ruhen, bevor sie dann das unfassbare Ereignis der Dreifachkatastrophe von Fukushima im Fernsehen verfolgt hat.

In dieser Situation fingen ehemalige Weggefährten ihres Großvaters an aktiv zu werden, Aufklärung zu betreiben und vor allem die Öffentlichkeit über ihre Erfahrungen mit den gesundheitlichen Folgen radioaktiver Strahlung und deren Geheimhaltung nach 1945 zu berichten.

So hat die persönliche Familiengeschichte, die weit zurückreicht und eng mit Hiroshima verbunden ist, ganz unerwartet nochmals an Aktualität und Brisanz gewonnen.

Aya Domenig fängt dann auch das Engagement der Protagonisten ein, lässt ihre teils mahnenden Stimmen zu Wort kommen. Die persönliche Note des Films, die ihn letztlich berührend sein lässt, wird bis zum Ende durchgehalten. Es ist kein politisches Manifest, jedoch ist es eins der vielen Beispiele, wie persönliche Schicksale mit den zeitgeschichtlichen Ereignissen verwoben sind. Eines, das nachdenklich macht.

Das Ereignis, das gewissermaßen ganz ungeplant in den Dokumentarfilm Eingang gefunden hat, ist für einen ganz anders gearteten Film der deutschen Filmemacherin Doris Dörrie wiederum der Ausgangspunkt.

Der Spielfilm "Grüße aus Fukushima", der ja auch bei der Berlinale lief, hebt mit seinem Schwarz-Weiß und seinen klischeehaften, etwas überzogenen Figuren zunächst die Distanz zum Publikum hervor, das hier nun als Zuschauer und nicht als Zeuge angesprochen wird.

Doch die Überzeichnung bewirkt auch, dass man sich mit den schemenhaften Figuren leicht identifizieren kann. Entweder mit der frustrierten Deutschen, die offenbar ohne große Vorbereitungen nach Japan kommt und ständig in Fettnäppfchen tritt und andererseits ihre neue Umgebung nicht richtig zu verstehen weiß, auf der anderen Seite die einheimischen JapanerInnen, welche genau dadurch genervt sind oder eben aufgelockert werden.

Fukushima spielt hierbei durchaus eine wichtige Rolle. Hier ist es vor allem ein Gebiet der Katastrophe, das auf Grund der Strahlenbelastung zum Teil immer noch nicht wieder bewohnbar ist. Ein Gebiet, das mit persönlichen Einzelschicksalen verwoben ist. So entwickelt sich die Begegnung der jungen deutschen Clownin und der ehemaligen Geisha zu einer letztlich ganz rührenden Geschichte über Ängste, Schuld, Verdängung und Verständigung über - zunächst noch bestehende - kulturelle Grenzen hinweg.
Ganz am Ende des Films taucht dann doch noch ein Hinweis auf die politische Dimension des Themas auf, in Form des Hinweises auf die Anti-Atom-Bewegung in Japan.

Es handelt sich aber doch eher um einen, wenn auch interessanten, Unterhaltungsfilm.

So ist es für den Spielort Berlin folgerichtig, dass er hier unter anderem bei der glamourösen Berlinale läuft, bei einem "Protestival" aber solch ein Dokumentarfilm, wie "Als die Sonne vom Himmel fiel", der die beiden desaströsen Erfahrungen nuklearer Verstrahlung nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima und nach dem Unglück von Fukushima durch persönliche Kontinuitäten verbindet.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ferdinand Liefert

Dipl.-Theologe (Studium in Greifswald / Marburg / Interreligiöses Studienprogramm in Kyoto ).

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