Ende der Dragon Ball-Saga? Zum Tod von Akira Toriyama

Manga Am 01. März 2024 verstarb Akira Toriyama im Alter von 68 Jahren. Mit seinen Geschichten erreichte er ein Millionenpublikum und beeinflusste Stars wie Jackie Chan.

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Vor drei Tagen teilte OSHIDORI Ken auf Facebook ein Foto von seiner neuesten Drahtskulptur. OSHIDORI Ken ist Komiker und Journalist. Meist tritt er zusammen mit seiner Ehefrau OSHIDORI Mako auf. Nicht nur das, die beiden, die auch in der Netflix-Serie Hibana: Spark (2016) kurz zu sehen waren, haben sich der Aufklärung über die anhalten Folgen der Nuklearkatastrophe vom 11. März 2011 in Fukushima verschrieben. Wer einmal einen Vortrag der Oshidoris besucht oder im Internet angeschaut hat, dürfte auch ihre Komik-Einlagen erlebt haben. Dabei gibt es Musik und eben jene Drahtskulpturen von OSHIDORI Ken. Vor drei Tagen teilte OSHIDORI Ken mal keinen Bericht oder Video von einer Demonstration und auch keinen Hinweis auf die Liveübertragung per Twitch einer Pressekonferenz bei der OSHIDORI Mako anwesend ist, sondern ein Bild von seiner neuesten Kreation, eine Drahtversion von König Nikochan.

König Nikochan ist eine Figur aus der Mangaserie Dr. Slump, eine der Serien aus der Feder des weltberühmten Mangazeichners TORIYAMA Akira, der aus der deutsch- und englischsprachigen Presse am besten als Akira Toriyama bekannt ist, weshalb ich mich von nun an in diesem Beitrag an diese nicht-japanische Wiedergabe der Reihenfolge seines Namens halte.

In der Serie, deren Manga-Fassung von 1980 bis 1984 zuerst bei Weekly Shōnen Jump erschien, geht es unter anderem um das Robotermädchen Arale, eine Erfindung von Dr. Slump, der mit bürgelichem Namen NORIMAKI Senbei heißt. In einem Film von 1985 - der als 'Lunar New Yaer Film', also als ein Film, der bewusst zum Mondneujahr erscheint, allerdings wohl kaum wegen des Inhalts, gilt - der in Deutschland unter dem Titel Tokyo Powerman bekannt ist, spielt Jackie Chan einen Polizisten, der zusammen mit einer Gang aus gemeinsamen Waisenhaustagen japanischen Gangstern auf den Fersen ist. Der Showdown beginnt auf dem Gelände eines Vergnügungsparks. Es gibt die Vereinbarung, dass der von Sammo Hung Kam-bo gespielte Kopf der Waisenhaus-Gang an die japanischen Gangster eine Lösegeldsumme aushändigt. Um keinen Verdacht zu erwecken, folgt der von Jackie Chan gemimte Polizist daher inkognito seinem alten Waisenhaus-Kumpamem zum Vergnügungspark, wo die Übergabe stattfinden soll. Er ist als Maskottchen getarnt, er trägt ein Arale-Kostüm.

Neben diesem direkten Bezug auf eine Figur aus Akira Toriyamas Feder gibt es umgekehrt schließlich auch Bezüge, die dann in die weltweit wohl noch bekanntere Dragon Ball-Saga eingegangen sind, so vor allem, was die Kämpfe im Kungfu-Stil angeht, die darin nicht selten vorkommen.

Der Einfluss chinesischer Kultur auf die Dragon Ball-Saga mit ihren verschiedenen aufeinanderfolgenden Serien reicht noch weiter. Der Drache, der erscheint um einen Wunsch zu erfüllen, wenn jemand sieben der besagten Bälle gefunden hat, trägt den chinesischen Namen Shenlong, was so viel wie "Gottes-Drache" bedeutet. Der Held der Saga trägt den japanischen Namen Son Goku, indes eine Variante des chinesischen Namens Sun Wukong. Sun Wukong ist eine Figur aus dem ebenfalls äußerst beliebten Roman aus der Ming-Dynastie 'Die Reise in den Westen' von Wu Cheng'en, der in Deutschland etwa als 'Monkeys Pilgerfahrt' bekannt ist. Es ist ein aus einem Stein geborener Affe, der Unsterblichkeit erlangt und einen chinesischen buddhistischen Mönch auf seiner Reise nach Indien begleitet, von wo aus letzterer buddhistische Schriften holen möchte.

In der Dragon Ball-Geschichte geht es nicht um eine Reise mit dem Ziel buddhistische Schriften zu erhalten, sondern um eine solche, um besagte Dragon Balls (Drachenbälle) zu erlangen - wobei sehr viel mehr passiert als nur die Suche an den Dragon Balls. Song Goku aus den Dragon Ball-Serien teilt mit demjenigen aus dem Roman allerdings, dass er - zumindest für einige Zeit - eine Stange zum Kämpfen bei sich trägt und als Junge einen Affenschwanz hat. Genaugenommen ist der Son Goku aus dem Manga kein Mensch, sondern ein Sayajin, ein Außerirdischer, trägt aber abgesehen vom Affenschwanz menschliche Züge, wobei er sich eine Zeit lang schließlich bei Vollmond vollständig in einen Affen verwandelt. Die kulturellen Bezüge in der Geschichte sind zahlreich und vielfältig, ein Gegner bei einem Kampfsport-Turnier, an dem Son Goku teilnimmt heißt etwa Mr. Satan, es gibt eine komplexe Kosmologie. Die epischen Kämpfe waren immer ein Pfeiler, nicht nur in der ersten Serie, die in der Manga-Fassung 42 Bände umfasst. Bei der Anime-Adaption unterstützt der Old-School-Soundtrack noch die Epik der fantasievollen Geschichte. Bei jüngeren Videospiel-Adaptionen sorgt die Übernahme jenes Soundtracks mit zu dem durchaus spannenden Spielerleben bei.

Aus der jüngeren japanischen Geschichte entstammen womöglich die Vorbilder für den Namen der 'Red Ribbon-Army', die als Gegenspieler Son Gokus in Erscheinung tritt. Es gab ja in unruhigeren Zeiten linke bewaffnete Gruppen in Japan - bzw. darunter eine Gruppe, die von Japan in den Libanon reiste und im Nahen Osten operierte - die Namen trugen wie Rote Armee-Fraktion (Sekigunha), Japanische Rote Armee (Nippon Sekigun) oder auch die Vereinigte Rote Armee (Rengō Sekigun). Kann man wohl kaum behaupten, dass das Auftreten dieser Gruppen nicht ebenfalls zum Teil martialisch, deren Mitglieder gewaltbereit und deren Anführer - besonders im Fall der Vereinigten Roten Armee - äußerst autoritär gewesen sind, so sind die Mitglieder der 'Red Ribbon-Army', zu denen allerdings neben Menschen auch anthropomorphe Tiere, Monster und Roboter gehören, sicherlich stärker noch an solche historischer faschistischer Organisationen angelehnt.

Der plötzliche Tod Akira Toriyamas auf Grund eines akuten Subduralhämatomsam 01. März diesen Jahres sorgte weltweit für Trauer und Bestürzung. Öffentlich bekundetes Beileid gab es aus der Politik nicht nur etwa von HAYASHI Yoshimasa (LDP), dem Leiter des Kabinettssekretariats in Japan sondern auch von der Sprecherin des chinesischen Außenministeriums Mao Ning, wie die South China Morning Post in einem Video berichtete. In dem Videobeitrag von Akio Wang kommen auch Fans zu Wort, die davon erzählen, dass bereits ihre Väter von Dragon Ball begeistert waren. Die Anime-Version ist auch eine der ersten japanischen Zeichentrickserien, die im deutschen Fernsehen zu sehen sind.

Die fantasievollen, actiongeladenen - oder wie Dr. Slump vor allem humorvollen - Geschichten aus der Feder Akira Toriyamas inspirierten ein weltweites Publikum. Es gibt aber auch Kritik, vor allem Toriyamas Art und Weise Frauen und Mädchen sowie sexuelle Übergriffe darzustellen, wurden angeprangert.

Bisherige Fans dürften sich nun fragen, ob und wie die Dragon Ball-Saga weitergeht. Tatsächlich wird es eine neue Serie, an deren Entstehung Akira Toriyama noch mitgewirkt hat, geben, wie etwa Kyodo News berichtete. 'Dragon Ball Daima' soll von Fuji Television Network im Herbst ausgestrahlt werden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ferdinand Liefert

Dipl.-Theologe (Studium in Greifswald / Marburg / Interreligiöses Studienprogramm in Kyoto ).

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