Recht auf Asyl mit Obergrenze nicht vereinbar

Flüchtlingsdebatte Derzeit wird oftmals eine Obergrenze für die Aufnahme von Geflüchteten gefordert. Ein grundsätzliches Recht auf Asyl verträgt sich damit nur schlecht.

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Es ist doch frappierend, dass ausgerechnet Angela Merkels vergleichsweise humane Flüchtlingspolitik für so drastische Kritik an ihr als Kanzlerin hervorruft, während vieles, was unter ihrer Kanzlerinnenschaft sonst passiert, einfach so hingenommen wird.

Die Strategie, die mit dieser Politik verbunden ist,dürfte ruhig umfassender sein, auch die Integration sollte nun im Fokus stehen. Doch den meisten Kritikern sind es ja schlichtweg zu viele Menschen auf der Flucht, die die Möglichkeit erhalten,in Deutschland Asyl zu beantragen und möglicherweise zu bekommen. Dabei wurde gerade erst erneut das Asylrecht verschärft: Durch Beschluss des Asylpaket II soll der Familiennachzug eingeschränkt werde und Asylverfahren beschleungt. Das bedeutet im Klartext, dass auch schneller abgeschoben werden soll. Auch andere Bausteine im gesamten Komplex der Möglichkeit in Deutschland Asyl gewährt zu bekommen, setzen eher auf Abschreckung, als dass Deutschland tatsächlich so außergewöhnlich gastfreundlich wäre.

Gastfreundschaft ist ja eine Tugend, die z.B. in stärker islamisch geprägten Kulturen viel verbreiteter und wichtiger ist. Dass so arme Länder wie Pakistan, der Libanon oder auch Jordanien eine - pro Kopf gemessen - viel größere Zahl an Menschen auf der Flucht aufnehmen als europäische Staaten, dürfte auch damit zu tun haben.

Jenseits von kulturellen Prägungen hat der Rassismus und die Angst vor zu viel Zuzug in Europa natürlich noch weitere, lokal zum Teil doch recht unterschiedliche Ursachen. Im Gegensatz zu etwa osteuropäischen Staaten, die noch stärker von der Finanzkrise betroffen waren, nach dem Zusammenbruch des Ostblocks als sozialistischem Block ihren Nationalismus zum Teil erst neu entdeckten und nur wenig Erfahrung mit Einwanderung haben, mag Deutschland wohl wirklich als besonders großzügig wirken.

Die Rede von einer Obergrenze für die Aufnahme von Menschen auf der Flucht wird indes hierzulande heftig diskutiert und die AfD hat auch schon einen äußerst frappierenden Vorschlag unterbreitet, wie eine solche im Zweifelsfall durchzusetzen wäre.

Doch ist dieser Vorschlag wirklich so viel drastischer als die Politik anderer Parteien, bedenkt man etwa das Vorhaben, Menschen in Länder wie Afghanistan abzuschieben, weil man jene Länder als sicher erklärt hat und es damit eine Rechtsgrundlage dafür gibt? Afghanistan scheint weit weg genug zu sein, um die Wirklichkeit dort völlig zu ignorieren. Doch wer dies nicht tut, muss nicht allzu viel Phantasie aufwenden, um auch schreckliche Szenarien zu entwerfen, was dort mit heimgekehrten Menschen geschieht, die zuvor von dort geflohen sind.

Ist es also schon gar nicht so, dass es besonders leicht ist, in Deutschland Asyl gewährt zu bekommen und können sich die Kriterien nach nicht immer ganz nachvollziehbaren Maßstäben deutlich verändern, so ist trotzdem der Ruf nach einer Obergrenze äußerst laut.

Doch was bedeutete so eine Obergrenze für eine liberale Demokratie, die die Bundesrepublik schließlich beansprucht zu sein? Bedeutet eine Obergrenze für die Aufnahme von Menschen auf der Flucht nicht eigentlich eine Aushebelung des Asylrechts - und somit eines Menschenrechts? Asyl kann nicht an eine Zahl gebunden sein, ist es doch das Recht auf Schutz, welchen Menschen, die vor Krieg und Verfolgung ihre Heimat verlassen, benötigen.

Wenn ein Land nun für dieses Recht eine Obergrenze festlegt, so kommen zu den üblichen Kriterien zur Entscheidung über eine Aufnahme zusätzlich der Zufall ins Spiel oder aber die Willkür. Wem wird der Zutritt verwehrt und wem nicht, wenn die Obergrenze erreicht ist?

Es würde nur bedeuten, dass Menschen, die aus ihren Herkunftsländern ausgegrenzt werden, auch aus einem möglichen sicheren Zielland erneut ausgegrenzt werden ohne Perspektive.

Ist das europäische Politik, soll das deutsche Politik sein, eine Politik der Perspektivlosigkeit?

Gerade Deutschland sollte seiner historischen Verantwortung nachkommen. Dass die Flüchtlingspolitik anderer europäischer Staaten noch restriktiver ausfällt, sollte nicht zu falschen Schlüssen führen. Andererseits wäre eine gemeinsame europäische Lösung äußerst wichtig. In der aktuellen Situation, in der ein steter Rechtsruck die EU erschüttert, dürfte eine solche aber noch vergleichsweise lange auf sich warten lassen oder zu einer noch stärkeren Abschottung der "Festung Europa" führen.

Für Europa hieße dies sodann, sich noch weiter der Zukunft zu verschließen. So wie die Rückkehr zum Nationalismus eine regressive Entwicklung ist, welche auf die Herausforderungen unserer Zeit, wie eben die Flüchtlingskrise, die Beilegung multinationaler Konflikte und letztlich den Klimawandel wohl kaum eine weiterführende Antwort sein dürfte, so ist auch die Hinderung an Einwanderung, abgesehen, dass sie das Leid und den Tod zahlreicher Menschen zur Folge hat, ebenso aus anderen Gesichtspunkten keine wirklich nachhaltige Lösung.

Denn eins steht fest: Die aktuellen Konflikte werden in den nächsten Jahren nicht so schnell beigelegt werden und auch der Klimawandel bewirkt, dass immer mehr Menschen ihre Heimat verlassen müssen. An dieser Entwicklung können auch nicht restriktive Gesetzte etwas ändern, die Einwanderung möglichst erschweren. Menschen, die in ihrer Heimat keine Perspektive haben überhaupt zu überleben, werden auch weiterhin anderswo nach einer solchen suchen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ferdinand Liefert

Dipl.-Theologe (Studium in Greifswald / Marburg / Interreligiöses Studienprogramm in Kyoto ).

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