"Refugees welcome" - das Statement im Pop

Popkultur Bands wie Deichkind zeigen sich solidarisch mit Geflüchteten. Doch verändert dies nachhaltig Gesellschaft und Politik?

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"Refugees welcome" - das Statement im Pop

Foto: Joern Pollex/AFP/Getty Images

Der diesjährigen Echo-Verleihung wird selbstverständlich im Nachklang noch viel Aufmerksamkeit gewidmet, wobei zu fragen ist, welchen Stellenwert dieser Preis eigentlich tatsächlich hat. Via Facebook-Präsenz konstatiert Deutschland Radio Kultur, der deutsche Pop habe scheinbar "[...]nicht viel mehr zu bieten als Helene Fischer...".

Während der Veranstaltung war aber unter anderem auch ein Auftritt der für ihren Hedonismus bekannten Hamburger Band Deichkind zu sehen. Durch sie auf die Bühne und von ihnen selbst auf der Kleidung getragen eine klare politische Botschaft: "Refugees welcome". Deichkind sind nicht die einzigen innerhalb der deutschen Pop-Landschaft, die ihre Popularität für eine in ihrem Rahmen mögliche Unterstützung von Geflüchteten nutzen. Etwa unterstützen einige Bands die Pro-Asyl-Kampagne "Wir treten ein. Für Flüchtlingsschutz. Gegen Dublin III". Es handelt sich dabei um eine Kampagne, die auf einen Appell hinweist, der unterzeichnet werden kann.

Dieses Eintreten für die Rechte von Geflüchteten und eine medienwirksame Reklame einer Willkommenskultur, wie sie Deichkind betrieben haben, sind wichtige Signale. Sie zeigen, dass Personen des öffentlichen Lebens der europäischen Abschottungspolitik, wie sie auch durch die Bundesregierung mitgetragen wird und der Stimmungsmache gegen Geflüchtete deutlich widersprechen. Diese Botschaften richten sich an Fans und Politik, erreichen dank der Popularität ein großes Publikum.

Im Pop ist zudem das Eintreten für linke Politik keine Selbstverständlichkeit, die Zeiten, in denen die Popkultur als "Gegenkultur" auch einen subversiven, dabei emanzipatorischen Anspruch erhoben hat, wie zu Zeiten von Woodstock sind sicherlich vorbei. In manchen Subgenres oder in der sich selbst abgrenzenden Independent-Szene mag es einen solchen Zusammenhang noch oft geben.

Der Echo selbst zeigte gerade in den letzten Jahren, wie etabliert jedoch auch rechte Bands, wie etwa Frewild in der Popwelt sind. Die rechte Szene nutzt ja mittlerweile alle möglichen kulturellen Ausdrucksformen, um nationalistische Botschaften unters Volk zu bringen. Wenn während der Moderation bei der diesjährigen Echo-Verleihung auch mal wieder ein Griechenland-Klischee als humoristische Einlage genutzt wird, so mag einem das Lachen schnell vergehen.

Detlev Buck hat bei seiner Moderation ja den Einsatz Udo Lindenbergs in Sachen Asylpolitik angedeutet, doch in der filmisch inszenierten Laudatio ging es dann doch nur wieder um die historische Mauer, um die alte deutsche Erfolgsgeschichte der Wiedervereinigung. Deutsche Errungenschaften werden dem deutschen Pop-Publikum gerne noch einmal in Erinnerung gerufen. Daher kann der Auftritt von Deichkind mit deutlicher Botschaft, die ja den gesamten Auftritt über zu sehen war, kaum genug als politisches Statement gewürdigt werden.

Doch sollte es bei der Würdigung der Band nicht bleiben. Wie weit reicht eigentlich der Einfluss solcher Botschaften? Wo kommen sie an und können sie tatsächlich Gesellschaft und Politik verändern? Wenn Fans nun am Mate-Getränk nippend zustimmend nicken, um sich nach Registrieren des Deichkind-Auftritts oder der im Netz überall auftauchenden Bilder davon wieder ihrem Tagesgeschäft widmen, ist dies sicherlich nicht die gewünschte Wirkung. PopmusikerInnen kommt ja oftmals eine gewisse Narren-Freiheit zu. Wieviele der Konstantin Wecker bis hin zu Patty Smith-Fans stehen zu der politischen Einstellung jener MusikerInnen? Würde sich Joachim Gauck durch das Hören eines Jimmy Hendrix-Gitarren-Solos ( "Star sprangled banner", performed 1969 in Woodstock) seine Thesen zur außenpolitischen Verantwortung Deutschlands noch einmal durch den Kopf gehen lassen?

Immerhin, bei der Kampagne "Wir treten ein" geht es ja um eine weiterreichende Kooperation von bekannten Persönlichkeiten und Fans, diese - und nicht nur diese- sind ja dazu aufgefordert, den beworbenen Appell zu unterschreiben. Eine noch stärker die Fangemeinde und Geflüchtete selbst einbindende Aktion sind sicherlich die Touren von Strom und Wasser feat. The Refugees. Ein Projekt, wo Geflüchtete auch selbst involviert sind. Strom und Wasser sind hier sicherlich einerseits als Zugpferde zu sehen, aber andererseits ist es immerhin nicht nur ein medienwirksamer Einsatz einiger privilegierter, die nebenbei sich auch mal für eine gute Sache hergeben. Dieser Tage ist auf der Seite von Deutschland radio Kultur von dem auch populären, ebenfalls sicherlich im Vergleich zu vielen Asylsuchenden als privilegiert zu bezeichnenden Autor Martin Hyun zu lesen, er habe Deutschland den Rücken zugekehrt, um in Südkorea, dem Heimatland seiner Eltern eine Arbeit anzunehmen. Trotz mehrerer internationaler Abschlüsse bekam er keine feste Stelle in Deutschland.

Die Geschichte von Martin Hyun - ein Teil davon ist in dem humoristisch geschriebenen aber auf tiefsitzende ernste Probleme aufmerksam machenden Buch "Ohne Fleiß kein Reis" zu lesen - ist die Geschichte von unglaublichen Hürden bei der Integration. Wirklich willkommen sind selbst in Deutschland geborene, gut gebildete ambitionierte Menschen ja oftmals gerade nicht.

Nicht nur die Pegida-Bewegung, die zur Rechtfertigung der Austeritätspolitik immer wieder rezipierten anti-griechischen Ressentiments, die oftmals fehlende politische Unterstützung der vielen haupt- und ehrenamtlichen HelferInnen von Geflüchteten und nicht zuletzt die aktuelle Rechtslage, was das Asylrecht angeht, zeigen, wie weit die Gesellschaft in Deutschland noch von einer Willkommenskultur entfernt ist. Es bleibt für alle, die eine humanistische Gesellschaft herbeisehnen, zu hoffen, dass ein knackiges "Refugees welcome" nach der viralen Verbreitung in den sozialen Medien mehr bewirkt, als nur eine Selbstbestätigung derjenigen, die auch vorher schon diese Haltung vertreten haben.

Das würde etwa heißen, nach der Party die politische Arbeit aufzunehmen, praktische Hilfestellungen zu leisten, sich in die Debatte einzuschalten. Zwischendurch und hinterher kann ja ruhig wieder gefeiert werden, warum nicht z.B. mit Geflüchteten zusammen - für eine Dauerparty ist es für diejenigen, die es mit dem „Refugees welcome“ ernst meinen, sicherlich noch viel zu früh.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ferdinand Liefert

Dipl.-Theologe (Studium in Greifswald / Marburg / Interreligiöses Studienprogramm in Kyoto ).

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