Ein Türöffner

Sciene-Fiction Dietmar Daths Epos „Venus siegt“ ist jetzt als Taschenbuch erhältlich – mit neuem 200-Seiten-Epilog!
Ausgabe 03/2017

Von Dietmar Dath erscheint gefühlt jedes halbe Jahr ein Buch. Seit 2012 hat er – abgesehen von Erzählungen, einer Graphic Novel, Sachbüchern und seiner feuilletonistischen Tätigkeit für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, in der er zuletzt anlässlich Carrie Fishers Tod die „Staatstrauer im Weltraum“ ausrief – mit Pulsarnacht, Feldeváye und Venus siegt drei Science-Fiction-Epen vorgelegt. Die sind allesamt jottwede im Weltraum auf fremden Planeten in einer weit entfernten Zukunft angesiedelt und zeigen einmal mehr, dass auf dem Gebiet der Fantastik Literatur einfach etwas kann. Das hat auch damit zu tun, dass Dath auf recht schlaue Art die Zukunft sprachlich gleich mitentwirft, ähnlich wie das Sci-Fi-Großmeister William Gibson praktiziert. Das macht Daths Bücher zwar nicht so benutzerfreundlich, dafür gibt es Dichte und Tiefe in einem Genre, das von Snobs immer noch als Trash verkannt wird.

Wer Daths 2015 erschienenen Roman Venus siegt noch nicht gelesen hat, kann sich nun das Taschenbuch holen. Es lohnt sich, denn zum einen geht es darin neben Daths Abrechnung mit dem autoritären Realsozialismus im Science-Fiction-Format vor allem um die überall so kontrovers diskutierte Frage, wie künstliche Intelligenzen und Roboter unser Leben verändern werden. Der Knaller ist aber, dass dem gut 350-seitigen Roman noch ein neuer 200-seitiger Epilog hinzugefügt wurde. Diese unorthodoxe Publikationspraxis ist dem Umstand geschuldet, dass die Erstauflage im Hablizel-Verlag schnell vergriffen war und der neue Tor-Verlag (bei Fischer) Interesse signalisierte, die Fortsetzung direkt mit ins Taschenbuch hineinzunehmen.

Galaktischer Realsozialismus

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Einen 30-seitigen Prolog gibt es außerdem, online auf der Verlagsseite. Der deutsche Ableger des US-amerikanischen Science-Fiction- und Fantasy-Verlags wartet kurz nach seinem Start mit einigen interessanten Titeln auf, unter anderem wird es Ende Januar eine Neuübersetzung von Ursula K. Le Guins Utopie-Klassiker Dispossessed als Freie Geister geben.

Um freie Geister, die sich in kein Zwangsregime packen lassen wollen, geht es auch in Daths Venus-Roman. Während der Hauptteil vom Niedergang eines autoritär gewordenen sozialistischen Regimes auf der Venus berichtet, wird im etwas süffiger geschriebenen Epilog von einer Zeit nach dem Zusammenbruch dieses Systems erzählt. Denn obwohl der galaktische Realsozialismus Krieg und faschistische Konterrevolution (die natürlich von der Erde kommt) überlebt hat, geht das „Bundwerk“, wie der zukünftige durchdigitalisierte Sozialismus heißt, schließlich im kapitalistischen Ringen der interplanetaren Märkte unter. Was folgt, ist ein so freizügiges wie repressives Regime, das sich plötzlich einem intergalaktischen Aufstand gegenübersieht. Dietmar Dath geht in seinem Epilog mit dem schönen Titel Venus lebt wirklich in die Vollen.

Unter anderem geht es um den Priester einer intergalaktischen Kirche mit Hauptsitz auf dem Mars, der im Schwarzwald mit seiner Geliebten lebt, einer Hybridin aus Mensch und Pflanze. Richtig blutig wird es bei einem Gemetzel, das ein Superkiller auf dem Merkur anrichtet, um einen militanten Studentenaufstand niederzuschlagen. Dann gibt es da noch einen sehr geschwätzigen kybernetischen Arm, dessen Besitzer als geheimer Verschwörer die Bundwerker im ganzen Sonnensystem organisiert, einen mit übermenschlichen Kräften ausgestatteten Sexroboter mit ziemlich viel Charakter und einige gigantische Roboter, die im Asteroidengürtel hausen. Die bilden sozusagen das Rückgrat der Revolte.

Dietmar Dath liefert damit einen substanziell kritischen Beitrag zur derzeit von der ARD bis zur postautonomen Bewegung überall geführten Debatte, wie Digitalisierung und Robotik zu bewerten sind. Bei Dath entwickeln digitale Netze, künstliche Intelligenzen und Roboter Bewusstsein. Und wer Bewusstsein hat, kann sowohl dem Herrschaftsapparat dienen als auch emanzipatorische Kämpfe führen. Diese Sichtweise ist ein erfrischender Counterpart zum altbackenen Jammern vor der Bedrohung, die in der Digitalisierung stecke.

Doch für Dietmar Dath ist das Venus-Projekt vor allem auch eine Beschäftigung mit der Frage, die derzeit viele Linke umtreibt: Wie ist mit dem Erbe des autoritären, orthodoxen Sozialismus umzugehen? Auf Nachfrage des Freitag erklärte Dath: „Kann man sich eine Fantasie ausmalen, in der Menschen ‚das Richtige‘ mit diesem schwierigen Erbe, mit dem Erbe einer Revolution, die einen Staat errichtet hat, der dann untergegangen ist, anstellen?“ Denn beim „literarischen Ausprobieren“ möglicher Zukunft könnte man ja immerhin ein „Zwischenergebnis träumen“. Dieser Traum sei Venus lebt, sagt Dietmar Dath. Gleichzeitig ist dieser Venus-Roman die Vorarbeit für ein größeres, mehrere Bände umfassendes Projekt, über das bisher nicht mehr bekannt ist. Man darf gespannt sein. Bis dahin sollte man sich die erweiterte Venus-siegt-Version nicht entgehen lassen.

Während in unserer profanen Gegenwart rechtspopulistische und neofaschistische Politiker ihre Hintern auf Regierungssessel hieven und das kapitalistische System unangreifbarer zu sein scheint denn je, könnte es ja auch mal im Hier und Jetzt zu der im Verlauf dieses Science-Fiction-Romans immer erfolgreicher werdenden Revolte kommen, um die Tür in eine andere Welt aufzustoßen. Zeit wird’s.

Info

Venus siegt Dietmar Dath Tor bei Fischer 2016, 544 S., 9,99 €

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