Mörderische, rassistische Gewalt ist in Friday Black von Nana Kwame Adjei-Brenyah allgegenwärtig. Die zwölf Texte des 29-jährigen afroamerikanischen Autors und Sohns ghanaischer Eltern aus der sozial randständigen Kleinstadt Spring Valley im Staat New York, dessen Debüt in den USA 2018 von der Kritik einhellig gefeiert wurde, sind in einem einzigartigen Spannungsfeld zwischen Sozialrealismus und Fantastik angesiedelt. Sie entwerfen ein dystopisches Amerika, das in seiner rassistischen Borniertheit und Brutalität dem echten sehr ähnelt. Bisher wurde das Buch von der hiesigen Kritik kaum beachtet. Durch die weltweit geführte Debatte über Rassismus nach dem Tod von George Floyd könnte sich das ändern. Wobei Adjei-Brenyahs Erzählungen auch jenseits dieses plötzlichen Aktualitätsbezugs bestechend gut sind. Das liegt vor allem an seiner Fähigkeit, die Erzählsujets, in denen es um rassistische Polizeigewalt, die kapitalistische leistungsorientierte Arbeitswelt, Familienbeziehungen, prekarisiertes Leben und Alltagsrassismus geht, so zu verfremden, dass nicht weniges fast schon als Science-Fiction durchgeht.
Motorsäge und Freispruch
Am verstörendsten ist die erste Erzählung Die Finkelstein Five, wohl eine Anlehnung an die Central Park Five, eine Gruppe schwarzer Jugendlicher, die von der Polizei zu Geständnissen gezwungen, mehrere Jahre zu Unrecht in Haft saßen und deren Geschichte vergangenes Jahr auch in einer Netflix-Miniserie thematisiert wurde. In Adjei-Brenyahs Erzählung trennt ein weißer Familienvater fünf schwarzen Jugendlichen, von denen er sich in seiner Paranoia bedroht fühlt, mit einer Motorsäge den Kopf ab und wird von einem Gericht wegen Notwehr freigesprochen. Um die Finkelstein Five, wie die Ermordeten von den Medien genannt werden, zu rächen, kommt es zu einer Welle von Übergriffen gegen Weiße, wobei auch hier am Ende wieder Schwarze sterben, sobald die Polizei eintrifft. Erzählt wird dies aus der Sicht eines Mannes, der in einem inneren Monolog seine Schwarzheit („blackness“) in einer Skala von eins bis zehn misst. Auf 1,5 drückt er seine Stimme herunter, wenn er wieder einmal vergeblich wegen eines Jobs in einem Betrieb anruft, auf 8,5 schnellt seine Blackness hoch, wenn er beim Verlassen des Einkaufszentrums von einem Detektiv aufgehalten wird und eine Quittung vorlegen muss. Als er am Ende der Geschichte mit seinen Mitstreitern von Polizisten umringt ist, alles in rot-blaues Licht getaucht wird und ein Beamter eine Waffe auf seinen Kopf anlegt, steigt sie auf zehn. Nana Kwame Adjei-Brenyahs Amerika ist ein albtraumhafter Ort, wo schwarze Menschen versuchen, mit Würde zu überleben, was kaum funktioniert.
Eine andere Erzählung handelt vom im Titel anklingenden Black Friday, dem umsatzstärksten Tag im US-amerikanischen Einzelhandel. Ein Angestellter versucht, möglichst viele Winterjacken zu verkaufen. Kaufgierige Konsumenten stürmen den Mega-Shop, reißen sich die hippen Jacken von „PoleFace“ aus den Händen, treten und schlagen aufeinander ein, klettern Regale hinauf, stürzen zu Boden. Es gibt jede Menge Tote. Adjei-Brenyah hat selbst jahrelang als Verkäufer in einem Bekleidungsdiscounter gearbeitet. Wie Lohnarbeit und Rassismus miteinander verknüpft sind, fiktionalisiert er in Zimmer-Land. Da arbeitet ein junger Mann in einem Erlebnispark, in dem Kunden erleben können, wie es wäre, einen jungen, unbekannten schwarzen Mann auf der Straße vor ihrem Wohnhaus zu erschießen. Wobei Adjei-Brenyah auch gleich noch über den autoritären und dabei so jovialen Chef schreibt, den der junge afroamerikanische Angestellte erdulden muss, während er sich jeden Tag aufs Neue von weißen Familienvätern abknallen lässt. Der 29-jährige Nana Kwame Adjei-Brenyah, der heute Creative Writing an der Universität von Syracuse unterrichtet, sagt, er habe die Erzählungen im Lauf von zehn Jahren verfasst und die zwölf in dem Band enthaltenen Texte aus über 80 Texten ausgewählt. Die anderen seien „trash“, behauptet er. Dass das stimmt, ist schwer vorstellbar. Seine Fähigkeit, fantastische und albtraumhafte Szenarien zu entwerfen, ist enorm.
In der finalen und längsten Erzählung geht es um Menschen, die nach einer Atomexplosion in einer Endlosschleife gefangen sind und die letzten Stunden vor der Apokalypse immer wieder erleben. Obwohl sie dabei brutal aufeinander losgehen, sich gegenseitig foltern und ermorden, kommen sie irgendwann an den Punkt, etwas verändern zu wollen und gegen die mörderische Routine anzugehen. Denn trotz aller Brutalität, Erniedrigung und Gewalt in diesen Erzählungen: Nana Kwame Adjei-Brenyahs Figuren kämpfen stets für eine bessere Welt.
Info
Friday Black Nana Kwame Adjei-Brenyah Thomas Gunkel (Übers.) , Penguin 2020, 240 S., 20 €
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