Die Aufgabe ist ebenso dringlich – wie unmöglich zu lösen. Und dennoch ist sie immer wieder anzugehen – und es ist dafür zu kämpfen, sie wieder lösbar zu machen.
Denn es steht nicht nur fest, dass die Menschheit von der Klimakrise, wie sie sich etwa in Gestalt der Brände in Australien exemplarisch und spektakulär destruktiv auswirkt, so ernsthaft in ihren Lebensweisen bedroht ist, dass unbedingt etwas wirklich Wirksames gegen ihre Ursachen unternommen werden muss – nach einer dreißigjährigen internationalen Debatte ohne wirklich wirksame Konsequenzen. Sondern es ist eben auch absehbar, dass genau das nicht dauerhaft gelingen kann, wenn nicht die tiefer liegenden Strukturen als solche angegangen und überwunden werden, wie sie in dieser akuten Krise zusammenkommen.
Wer die Klimakrise wirklich nicht nur hinausschieben und abmildern, sondern überwinden will, muss nämlich auch dazu bereit sein, von Kapitalismus, Patriarchat, Imperialismus und Industrialismus nicht nur zu reden, sondern ihre gegenwärtigen Konstellationen wirksam politisch zu thematisieren, zu bekämpfen und zu überwinden – und dies auf allen Ebenen des menschlichen Lebens und der dessen Bedingungen gestaltenden Politik: global, kontinental, national, regional und lokal.
Unter den bisher seit dem Ende des so genannten Realsozialismus marginalisierten Kritiker*innen von Kapitalismus, Imperialismus, Androzentrismus oder auch Industrialismus kann niemand mehr eine Haltung des „Je-schlimmer-desto-besser“ rechtfertigen – nach einem Überschreiten der nächsten klimatischen Kipppunkte bleibt einfach kein Raum mehr für radikal befreiende politische Alternativen, weil Kämpfe ums Überleben für die allermeisten zur ersten Priorität zu werden drohen. Im Gegenteil ist die Furcht gut begründet, dass die scheinbare Alternativlosigkeit der herrschenden Politik weiterhin herrschaftsaffirmative, mehr oder minder faschistoide Scheinalternativen für viele Menschen plausibel macht.
Kein Hoffen auf Wunder
Ein Rückzug auf Zufluchtsprojekte, durch welche Menschen den nahenden Katastrophen zumindest entkommen wollen, lässt sich nicht mehr mit guten Argumenten abweisen. Nun gibt es aber keinerlei Grund, auf Wunder zu hoffen. Jedenfalls hat die Menschheits- und auch die Erdgeschichte die Art von Wundern, wie sie nötig wären, um die globale Klimakrise zu überwinden, schlicht noch nicht gesehen. Aber es ist auch nicht unausweichlich, mehr oder minder untätig in Verzweiflung zu verfallen: Denn es ist in der Tat durchaus möglich, kleine, letztlich unzureichende Veränderungen zu erreichen – welche zwar die Probleme nicht lösen werden, aber doch zumindest einige Katastrophen noch hinausschieben, vielleicht auch mildern und wohl auch noch in ihren destruktiven Auswirkungen erst einmal auffangen können.
Aber ist das nicht schon die Kapitulation vor den strategischen Aufgaben? Nicht mit Notwendigkeit: Denn zugleich bleibt es möglich, eine Politik der Aufklärung zu betreiben, um auch die genannten Herrschaftsstrukturen konkret und wirksam politisch zu thematisieren. Und dies auf eine Weise, welche die ideologischen Filterblasen durchbricht, die heute die große Menge der Menschen davon abhalten, diese tieferliegenden Herrschaftsstrukturen überhaupt als solche in Betracht zu ziehen. Dabei hat es bis heute deren immer noch anhaltende Wirksamkeit unmöglich gemacht, die Herrschaftsstrukturen von Kapital, Patriarchat, Imperialismus und Industrialismus nicht nur akademisch zu kritisieren – denn zum einen ist deren gegenwärtige konkrete Gestalt nur in Ansätzen begriffen, zum anderen fehlt es an erprobten und bewährten Modellen einer radikal kritischen und alternativen Praxis.
Alle diejenigen, die bereits zur Einsicht in diese Herrschaftsstrukturen vorgedrungen sind, stehen in dieser Lage vor einer großen strategischen Aufgabe – nämlich nicht nur theoretisch genau genug zu begreifen, wie sich diese Herrschaftsstrukturen mit ihren spezifischen Eigenlogiken in den gegenwärtigen Krisen überlagern. Sondern im Ausgang von den bereits entfalteten Formen von Gegenwehr eine umfassendere strategische Praxis zu entwickeln, welche auf allen Ebenen die Fähigkeit dazu findet und entwickelt, antikapitalistische und feministische Kämpfe sowie Kämpfe zur Überwindung internationaler Abhängigkeitsverhältnisse und zur Vermeidung ökologischer Zerstörungen mit bereits laufenden Kämpfen zur Abwehr von Belastungen und zur Schaffung von Gestaltungsräumen zu verbinden und untereinander produktiv zu verknüpfen. Und zwar, was von entscheidender Bedeutung ist, diese nicht ganz allgemein bekenntnishaft zu postulieren, sondern sie so konkret praktisch aufzunehmen, dass dadurch in den wirklichen Kämpfen neue Ressourcen freigesetzt und aktiviert werden, durch welche die eigene strategische Wirksamkeit erweitert und qualitativ entwickelt wird.
Damit kommen wir aber auch zu dem entscheidenden Punkt, der in der Vergangenheit emanzipatorischer Politik immer wieder schief gegangen ist: Dem Punkt der Vermittlung derartiger strategischer Orientierungen an die ansprechbare Menge der Vielen (die „multitudo“ der politischen Philosophie der Neuzeit, wieder erstanden in Gestalt der Multitude bei Hardt und Negri), durch die sie eben erst wirklich dauerhaft stark und wirksam werden können. Das ist mehr als eine Frage der Organisation und der Kommunikation – es ist nämlich letztlich die Frage, wie die beherrschten „Massen“ zum Subjekt ihrer eigenen Befreiung werden können.
Nur in einem Prozess, in dem eben diese „Massen“ als konstitutive „Menge der Vielen“ zusammen und einzeln wieder zu eigenständig handlungsfähigen Subjekten in den Kämpfen zur Befreiung von den verknüpften Herrschaftsstrukturen von Kapital, Patriarchat, Industrialismus und Dependenz werden, wird eine dauerhafte Überwindung der gegenwärtigen großen Krise in ihrer ganzen Komplexität möglich werden. Und allein durch die produktive Überwindung dieser komplexen Krise kann die Menschheit für sich eine dauerhafte Lebensperspektive zurück gewinnen.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.