Mit Alina Manrique vom Fernsehsender TC hat als einzige Journalistin Ecuadors die engen Verbindungen der Bananenindustrie mit dem Kokainhandel in ihrer Reportage Narco Bananen herausgearbeitet. Bei beiden Produkten ist Ecuador wichtigster Lieferant für den europäischen Markt. Mehr als die Hälfte der Drogen soll in Bananenkisten verschifft werden, mehr als sieben Millionen pro Woche bieten dazu reichlich Gelegenheit. Zumal machbare und nötige Kontrollmechanismen wie spezielle Scanner in den meisten Häfen des Landes fehlen. Der Einfluss der Drogenmafia auf staatliche Stellen ist in den vergangenen Jahren dramatisch gewachsen. Der aus der Bananenindustrie ist traditionell groß.
Vor laufender Kamera wurden Waffen an die Köpfe der Moderatoren gehalten
Alina Manr
;.Vor laufender Kamera wurden Waffen an die Köpfe der Moderatoren gehaltenAlina Manrique war skeptisch, was die Zukunft ihres Landes angeht. „Wenn es noch schlimmer wird, wenn die Gewalt mich oder meine Kinder direkt betrifft, dann werde auch ich mir überlegen, ins Ausland zu gehen.“ Nachdem ich sie getroffen hatte, musste sie los zu ihrem Sender in der Hafenstadt Guayaquil. Noch am gleichen Tag stürmte ein Dutzend bewaffneter Männer die Räume von TC. Vor laufender Kamera hielten sie Waffen an die Köpfe der Moderatoren und drohten mit Sprengstoff. „Ich weiß nur noch, dass einer mit einer Waffe auf mich zeigte, ich mich auf den Boden warf, und erst als ein Uniformierter mich hochzog, fing ich wieder an zu leben“, so Alina Manrique danach.Angst und Schrecken zu schüren, darin bestand das Motiv dieses Überfalls und anderer Mafia-Attacken während der zurückliegenden Tage in Ecuador. Zugleich liefen jede Menge Fake-Meldungen über soziale Netzwerke: In der Universität von Guayaquil würden Geiseln genommen, im Präsidentenpalast in Quito seien Schüsse gefallen. Nichts davon traf wirklich zu, auch wenn in Guayaquil Schulen und die meisten Büros geschlossen blieben. Auf den Straßen jedoch waren ungewöhnliche Ereignisse nicht zu bemerken.Wenn Zeitungen berichteten, es habe zehn Tote in Guayaquil gegeben, ließe sich dem entgegenhalten: Das ist an manchem Tag die Todesrate in dieser Metropole mit gut drei Millionen Einwohnern. Am häufigsten sterben die Mitglieder von Drogenbanden, die in den ärmeren Vierteln um die Kontrolle kämpfen. Ecuador gilt mittlerweile als das gefährlichste Land Lateinamerikas.Drogenboss Adolfo Macías war plötzlich aus dem Gefängnis verschwundenDer neue Präsident Daniel Noboa hat vor knapp zwei Monaten sein Amt angetreten und seitdem wenig Akzente gesetzt. Peinlich für ihn war, dass vor Tagen plötzlich ein Drogenboss wie Adolfo Macías – genannt „Fito“ – aus dem Gefängnis verschwunden war. Offiziell hieß es, die Nachricht wäre aus dem staatlichen Sicherheitsrat durchgesickert. Am Tag nach seinem Verschwinden hätte „Fito“ in ein spezielles Hochsicherheitsgefängnis gebracht werden sollen. Noboa selbst verkündete kurz zuvor in einem Radiointerview, die drei wichtigsten inhaftierten Narcos würden verlegt – „Fito“ inklusive, so hatte es den Anschein. Interessanterweise kursieren nun Informationen, er wäre schon im Dezember aus einer Strafanstalt entwichen.Dass die Drogenmafia Unruhen angezettelt hat, wird als möglicher Auftakt für einen Sturm auf die Regierung gedeutet. Auch wenn das nicht ausgeschlossen werden kann, hätte dies unprofessionelle Praktiken offenbart, wie sie ansonsten nur staatlichen Institutionen bescheinigt werden. Die Besetzer der Fernsehstation waren teils minderjährig und leisteten keinen Widerstand gegen ihre Verhaftung, das spricht nicht wirklich für brutale Drogenbanden. Zudem gab es bislang keinerlei Einheit unter den mehr als 20 bekannten Banden, die teils mit mexikanischen, kolumbianischen und albanischen Kartellen verknüpft sind und bislang auf eigene Rechnung und gegeneinander arbeiteten. Sollte sich das ändern, wäre die Situation in Ecuador deutlich verschärft.Niemand erwartet vom jetzigen Präsidenten Daniel Noboa soziale ReformenNicht auszuschließen ist allerdings, dass die Besetzung von TC und Revolten in mehreren Gefängnissen zumindest von der Regierung genutzt wurden, um eine stärker militärisch orientierte Lösung innerer Konflikte voranzutreiben. Die TC-Besetzung dauerte noch keine halbe Stunde, da erließ der Präsident ein detailliertes Dekret, wonach es im Land einen „internen bewaffneten Konflikt“ gäbe. Das Militär habe daher weitgehende Befugnisse, u. a. zum Einsatz in den Gefängnissen und bei öffentlicher Kontrollen. Kurz danach tauchten Bilder von Hunderten Gefangenen auf, die nur in Unterhose bekleidet waren und in einem Gefängnis von bewaffneten Soldaten bewacht wurden. Vieles erinnerte an die Kampagne gegen Kriminalität, wie sie im El Salvador des autokratischen Präsidenten Bukele üblich ist. Staaten wie die USA haben der ecuadorianischen Regierung militärisch und logistische Hilfe angeboten. Manche sprechen bereits von einem „Plan Ecuador“ analog zum milliardenschweren „Plan Colombia“ zur Aufstands- und Drogenbekämpfung in Kolumbien. Der war bekanntlich nicht wirklich erfolgreich, sondern hat zu einer enormen Brutalisierung der dortigen gesellschaftlichen Konflikte und einer Verlagerung des Drogenhandels ins dollarisierte Ecuador geführt.Ohne eine radikale Säuberung von Polizei, Justiz und Regierungsstellen wird es in dem kleinen südamerikanischen Staat ebenso wenig gesellschaftlichen Fortschritt geben wie ohne soziale Reformen gegen Armut, Ungleichheit und Menschenrechtsverletzungen. Dies erwartet von dem Präsidenten Noboa aber niemand, stammt er doch aus einer der größten Oligarchen-Familien, die es mit Bananen, Immobilien und weiteren 100 Unternehmungen zu einem Milliardenvermögen geschafft hat. Seine bisherigen wirtschaftspolitischen Entscheidungen setzen auf klassische neoliberale Maßnahmen. Auch wenn die genauen Hintergründe der jüngsten Unruhen noch unklar sind, zeigen sie doch, dass die instabile Situation für Ecuador fortbesteht.