Der älteste Sohn von Álvaro Noboa, dem „Bananen-König“ und reichsten Mann in Ecuador, hat am 15. Oktober durchaus Chancen, zum jüngsten Präsidenten des Landes gewählt zu werden. Diese Stichwahl ist – in umgekehrter Form – eine Neuauflage des Präsidentenvotums von 2006. Seinerzeit hatte es der linke Newcomer Rafael Correa zunächst überraschend auf Rang zwei hinter dem Patriarchen Álvaro Noboa geschafft, den er dann im zweiten Wahlgang klar schlug. Diesmal war es am 20. August in Runde eins die Überraschung, dass der 35-jährige Daniel Noboa die zweithöchste Stimmenzahl unter den acht Bewerbern erhielt.
Stichwahl gegen Luisa González
Vor ihm lag nur Luisa González (46) von der Partei Revolución Ciudadana Rafael Correas. González hebt den Ex-Staatschef als ihren zentralen Berater hervor, der nach einer Verurteilung wegen Korruption im belgischen Exil lebt. Noboa hat es mit einigem Geschick und viel Geld vermocht, sich als Sunnyboy mit ausgiebig publiziertem Beziehungsleben und als Frischer-Wind-Spender zu präsentieren, obwohl er aus der gleichen kleinen Elite Guayaquils wie der amtierende Präsident Guillermo Lasso stammt. Luisa González wirkt gegen ihn etwas steif und ihr wiederkehrender Slogan – „wir haben das schon mal gut gemacht“ – lähmend.
Álvaro Noboa hat dreimal versucht, Präsident zu werden – und ist stets gescheitert. Zumeist agierte der einzige Milliardär des Landes zu plump und vulgär. Sein Sohn und Erbe vermied bisher jeden Auftritt mit ihm, obwohl die Kandidatur familienintern abgesprochen sein soll. Im Wahlkampf aber lässt er sich lieber von seiner Mutter, einer erfahrenen konservativen Politikerin, und seiner jungen Frau, einer erfolgreichen Influencerin, begleiten. Von ihr hat Noboa gelernt, wie man sich im Fitnessstudio oder in Badehose am Strand in Szene setzt und dazu seine Playlists auf Spotify veröffentlicht.
54 Prozent sind unter 40
Dies scheint jüngere Wähler anzusprechen, die sich vielfach abgestoßen fühlen von der traditionellen Politik. 54 Prozent der 13,5 Millionen Wahlberechtigten sind unter 40. Hinter dem schönen Schein verbirgt sich freilich eine Historie krasser Ausbeutung. Ecuador ist der weltgrößte Exporteur von Bananen und das Unternehmen Noboa der einzige nationale Akteur, der mit den großen Fruchtmultis mithalten kann. Daniel Noboa war von 2010 bis 2018 im Topmanagement seines Vaters beschäftigt; in dieser Zeit wurde die letzte Gewerkschaft im Familienunternehmen gezielt zerschlagen. Nicht nur die Plantagen der Noboas sind es – der gesamte Sektor ist eine gewerkschaftsfreie Zone mit prekären Arbeitsbedingungen.
Seit mehr als einem Jahrzehnt bemüht sich ASTAC, die Vereinigung der Land- und Bananenarbeiter, um den Aufbau einer Branchengewerkschaft. Bereits unter Präsident Correa wurde das vereitelt. Trotz eines klaren Gerichtsurteils hat unternehmerischer Druck Gewerkschaftsfreiheit in der Bananenbranche bis heute verhindert. Ein Präsident Noboa dürfte hier für Kontinuität sorgen. Schädlich für seine Reputation könnte der Verdacht wegen Verbindungen zum Drogengeschäft werden. Ecuador gilt als wichtigster Lieferant von Kokain für den europäischen Markt. Gut die Hälfte des weißen Pulvers soll in Bananenkartons das Land verlassen.
Außenministerium und Drogenmafia
Im Februar trat Agrarminister Bernardo Manzano, langjähriges Mitglied des Noboa-Managements, umgehend zurück, als sein Name im Zusammenhang mit einem Telefonat auftauchte, das zwischen der albanischen Drogenmafia sowie dem Schwager des derzeitigen Staatschefs Lasso über Kabinettsbesetzungen geführt und ruchbar wurde. Inzwischen recherchieren ecuadorianische Medien, was es mit solchen Kontakten auf sich hat.
Der in New York und Harvard ausgebildete Daniel Noboa beschreibt sich selbst als „moderater Sozialdemokrat“ und Anhänger eines „freien Unternehmertums mit sozialer Verantwortung“, ohne dies mit Inhalten zu versehen. Dies wurde beim jüngsten TV-Duell mit González überdeutlich, in dem der sonst so smarte Noboa überraschend blass blieb. Zumindest bis dahin lag er in den – nicht immer zuverlässigen – Umfragen vorn.
Das Yasuní-Referendum
Indirekt stärken ihn Vorbehalte von unabhängigen Linken und Indigenen sowie feministischen und ökologischen Bewegungen, für Luisa González zu stimmen. Die Erinnerung an die autoritäre Regentschaft Correas wiegt schwer. Auch zeigt die Kandidatin eine konservative Haltung zur Abtreibung und Skepsis gegenüber einem Referendum für den Stopp der Ölförderung im Yasuní-Amazonasgebiet. Natürlich würde er dem demokratischen Votum folgen, meinte Daniel Noboa, zumal die dortige Förderung ökonomisch nicht sehr lohnend sei.
Doch an eine Wende hin zu einer postfossilen Ökonomie denkt er keineswegs, sondern will die Ölförderung an anderen Orten, dazu ökologisch ebenso schädliche Bergbauprojekte vorantreiben. Er setzt außerdem auf Steuererleichterungen – schon sein Vater hat nur ungern Steuern gezahlt – und ausländische Investitionen, um die Wirtschaft zu stimulieren. Ein fundamentaler Wandel, um Ecuadors Staats- und Sicherheitskrise zu beenden, wäre von einem Präsidenten Noboa nicht zu erwarten.
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