Es war ein unerwartet ruhiger Wahltag in Ecuador, nach den zahlreichen Gewalttaten in den vergangenen Wochen. Er brachte teils unerwartete Ergebnisse, insbesondere, dass es Daniel Noboa, Sohn des legendären „Bananen-Königs“, in die Stichwahl zum Präsidentenamt geschafft hat. Noch bemerkenswerter ist, dass Ecuador in der zeitgleichen Volksabstimmung einen ersten Schritt in ein postfossiles Zeitalter getan hat. Eine deutliche Mehrheit der Wahlberechtigten sprach sich dafür aus, die Erdölförderung im Amazonas-Naturpark Yasuní einzustellen.
Stichwahl in Ecuador am 15. Oktober
„Ecuador wird eine Botschaft an Lateinamerika und an die Welt senden, dass wir eine ökologische Macht darstellen, die das Leben verteidigt“, hatte der indigene
hatte der indigene Kandidat Yaku Pérez im Wahlkampf in Bezug auf das Referendum prophezeit. Er behielt recht, erfuhr jedoch mit seiner eigenen Kandidatur eine herbe Niederlage und endete mit vier Prozent weit abgeschlagen. Die Gründe hierfür lagen vermutlich in der Dominanz von sicherheitspolitischen Fragen am Ende des Wahlkampfes, aber auch in den internen Streitigkeiten der Indígena-Bewegung.Luisa González von der „Revolución Ciudadana“ des Ex-Präsidenten Rafael Correa erzielte 33 Prozent der Stimmen, während Noboa auf 23 Prozent kam; sie werden in einer Stichwahl am 15. Oktober gegeneinander antreten. Der Nachfolger des ermordeten Kandidaten Fernando Villavicencio kam mit 16,5 Prozent auf Platz drei. Im neuen Parlament wird seine Bewegung hinter den Correisten sogar die zweitstärkste Fraktion stellen.Gegen die Öl-IndustrieDer Sieg des Yasuní-Referendums stellt in zweierlei Hinsicht einen Paradigmenwechsel dar. Zum einen erlebte Ecuador den Sieg einer außerparlamentarischen Opposition, basisdemokratisch, jenseits aller Parteien, mit den Stimmen der besonders betroffenen Indigenen, maßgeblich koordiniert von jüngeren Menschen des Kollektivs Yasunidos, die sich über zehn Jahre lang mit einer bunten, emotionalen Kreativität für diese Abstimmung eingesetzt haben.Zum anderen schwächelt das bislang gültige Entwicklungsmodell, wonach Erdöl für Fortschritt stehe. Nicht nur die indigenen Völker im Amazonas, sondern 59 Prozent der Wähler*innen haben gegen die Ölindustrie gestimmt. Zu groß waren die Opfer für Mensch und Natur in den vergangenen Jahrzehnten. Zudem landen die Erträge einseitig in den Taschen korrupter Bürokraten und insbesondere internationaler Unternehmen, im Fall des Yasuní vorwiegend aus China. Für ein Ende rücksichtsloser Ausbeutung von Bodenschätzen votierten auch mehr als zwei Drittel der Menschen in der Hauptstadtprovinz mit dem Verbot jeder weiteren Ausweitung des Bergbaus in der Region Chocó Andino.Während vor Ort soziale und ökologische Argumente den Ausschlag für den Erfolg der Referenden gaben, ist der Entscheid für den Yasuní für Klimafragen höchst relevant. Die letzte Amazonas-Konferenz brachte fast so wenig konkrete Fortschritte wie die jährlichen internationalen Klimakonferenzen. Umso wichtiger scheint es, diese konkrete „Botschaft“ des kleinen Ecuador zeitnah zu unterstützen, damit der Ausstieg aus der Ölförderung innerhalb eines Jahres gelingt, wie es das Verfassungsgericht vorgeschrieben hat, die „grüne Lunge“ des Yasuní intakt bleibt und andere sozial- und umweltgerechtere Branchen im Land gefördert werden. Theoretisch sollte das gut in das Konzept der Bundesregierung passen, konkrete Pläne gibt es hierzu noch nicht.Daniel Noboa: Konservativer RealoDie Kandidaten für die Stichwahl zeigen zum Yasuní überraschend gegensätzliche Haltungen: Die „linke“ González hat im Wahlkampf ihre Ablehnung des Referendums deutlich gemacht, da die Erträge aus der Erdölförderung für soziale Zwecke unverzichtbar seien. Ihren Anhänger*innen wollte sie aber keine Stimm-Empfehlung geben, wohl weil sie um die Popularität des Referendums wusste. Ihr rechter Konkurrent Noboa dagegen war in der letzten Phase des Wahlkampfs für das Ende der Ölförderung im Yasuní eingetreten, da sie aus seiner Sicht wegen der schlechten Qualität des Öls und der hohen Förderkosten ökonomisch wenig Sinn mache.Mit dem smarten, jungenhaft wirkenden Unternehmersohn hatte niemand gerechnet. Nicht nur beim Yasuní gab er sich ein betont sachliches Image, auch um sich abzusetzen von seinem grobschlächtigen Vater Álvaro Noboa, einem der reichsten Männer des Landes, der sich fünfmal vergeblich um die Präsidentschaft beworben hat. Der Familie gehören einige der größten Bananenplantagen Ecuadors, auf denen Gewerkschaften teils mit Gewalt verfolgt werden.Das Bananen-ImperiumDaniel Noboa hat in diesem Imperium Karriere gemacht, im engen Zusammenschluss mit seiner Mutter, der konservativen Politikerin Anabella Azín, in den letzten Jahren eine politische Karriere vorbereitet und war bereits im letzten Parlament vertreten. Den Namen der alten Partei seines Vaters hat er geändert, die Struktur weitgehend übernommen. Daniel Noboa hat gute Aussichten, mit 35 Jahren zum jüngsten Präsidenten Ecuadors gewählt zu werden, da sich vermutlich die meisten anderen Parteien gegen González und Correa positionieren werden.In den Sternen steht allerdings noch, mit welchen Maßnahmen der junge Noboa zukünftig gegen die grassierende Armut und eklatante soziale Ungleichheiten sowie gegen die ausufernde Kriminalität und Macht der Drogenbanden vorgehen will. Und es wird spannend zu beobachten sein, wie konsequent die neue Regierung das Yasuní-Referendum umsetzt.