Neue Rubrik

Aufmerksamkeitsökonomie Probleme dieser Tage werden gar nicht erst gelöst, sondern werden nur abgelöst von wieder neuen Problemen. So summieren sich die Probleme, dass es schon eng wird in den Nachrichten.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Wird eng in den Nachrichten.
Kaum Platz für all das Brisante, was in der Welt so passiert.
Man weiß ja schon gar nicht mehr, wo man sich am meisten sorgen, einlesen und bekümmern soll.
Probleme dieser Tage werden gar nicht erst gelöst, sondern werden nur abgelöst von wieder neuen Problemen.

Vor gar nicht allzu langer Zeit, im Februar 2020, sahen sich die Nachrichtenmacher rasch bemüßigt, dem Corona-Thema die prominentesten, besten und exklusivsten Plätze im Medienbetrieb zu überlassen.
Eine Flut an Artikeln strömte alsbald auf das Publikum ein, als gäbe es nichts anderes mehr als dieses eine Virus und es entstanden eigene Rubriken, eigens eingerichtet für die Pandemie.
Neben den althergebrachten Rubriken „Politik“, Wirtschaft“, „Sport“ oder „Wetter“ war nun auch „Corona“ in den Medien eine neue, eigenständige Rubrik, welche sogleich tatkräftig mit Inhalt gefüllt wurde.
Fallzahlen, Krankenhausauslastung, Todesfälle… wurden auf sogenannten „Dashboards“ zugänglich gemacht, eskortiert von Textbeiträgen, in denen Virologen vom jeweiligen Stand ihrer Wissenschaft berichten durften oder man erzählte uns was vom Krieg gegen Viren, der gar nicht martialisch genug gekämpft werden konnte.
Und so schrieben sie, meist ohne ein konstruktives Wort, das die Lage wahrhaft besser gemacht hätte, bis die Zeitungen das Thema zerschrieben und das ihrige dazu beigetragen hatten, die Menschen zu entzweien, Probleme zu schaffen.
Konflikte und Unstimmigkeiten, die aus jener Zeit stammen, blieben bislang auffallend ungelöst.
Die gesamte Rubrik harrt ihrer Aufarbeitung - dennoch wurde bald eilfertig zur nächsten übergegangen.

Im Februar 2022 redete kaum noch jemand über Corona und vom Krieg gegen Viren.
Auf einmal hatte man wieder den echten, den heißen Krieg, Krieg mit Feuer, Krieg zwischen Menschen, Krieg in der Ukraine - und nur darüber wurde fortan geredet.
Inzidenzen und der ganze Corona-Schrecken waren mit einem Schlag wie ausgeknipst.
Nun hatten die Zeitungen ein neues Thema zum Zerschreiben – und so schrieben sie, meist ohne ein konstruktives Wort, das die Lage bessern könnte.
In den Nachrichten wurde im Februar 2022 neben „Politik“, Wirtschaft“, „Sport“, „Wetter“… alsbald die Rubrik „Ukraine“ als eigenständiges Themenfeld eingeführt, fruchtbar für kriegerische Nachrichtenschreiber und grimmige Geschichtenerzähler, die es oft darauf anlegen, Themen zu zerschreiben und Menschen zu entzweien.
Das entthronte mit einem Schlag jene Rubriken, die man ehedem eigens für Corona eingerichtet hatte, nachhaltig. Die Rubrik „Corona“ war nunmehr verschwunden und ersetzt worden. Jetzt schaukelte sich was anderes hoch. Das Thema der Stunde hieß ab da: Ukraine.
So beeinflussen die gedruckten Buchstaben unsere Wahrnehmung und unsere Wirklichkeit.
Wie zuvor die Pandemie hatte nun dieser Krieg alles eingenommen, alles: den Raum beim Denken, Sprechen, Tun.


Heute im Kurier ist mir eine neue Rubrik aufgefallen. *
Neben „Politik“, Wirtschaft“, „Sport“ und „Ukraine“ prangt dort jetzt der „Nahost-Konflikt“ als erste Überschrift über allem.
Ein neuer Krieg, Mensch gegen Mensch, steht auf dem Programm.
Auf der Startseite im Internet ganz oben im roten Banner, gleich neben dem großgeschriebenen Eigennamen gibt es auf einmal zwischen den Schaltflächen „E-Paper“, „Video“ und „Neues“ das Thema „Nahost-Konflikt“ als eigenständige Rubrik.
Der Kurier prescht vor in dieser Sache.
Im ORF oder in anderen Formaten ist das Nahost-Thema noch keine eigene Rubrik wert, aber immerhin hat der ORF nur Stunden nach den Angriffen auf Israel die Debatte zum Ukraine-Krieg eingestampft und umgehend durch eine Israel-Debatte ersetzt.
Nachdem die Ukraine auf der ORF-Debattenseite seit Februar 2022 das nahezu alles beherrschende Thema war und tagein, tagaus erbittert und eifrigst diskutiert wurde wie kein zweites, kann man sich hierzu nun gar nicht mehr äußern.
Ist vorerst ausradiert, hat erst mal Pause, die hitzige Diskussion rund um Ukrainer und Russen.
Jetzt diskutiert man andere Konfliktparteien, nicht minder hitzig, eifrig, erbittert.
Neue Schlagzeilen aus einer anderen Richtung lassen den Krieg in der Ukraine medientechnisch verblassen.
Noch nicht mal in die Nähe einer Friedenslösung ist die eine Kontroverse gerückt, schon müssen wir uns mit der nächsten befassen, so geht das jetzt dahin.
Probleme werden nicht gelöst, sondern von neueren Problemen beiseitegeschoben.

Noch hat das Thema die Sache in der Ukraine nicht vollends verdrängt, aber im umkämpften und begrenzten Aufmerksamkeitsraum ist vermutlich nicht Platz genug für alles.
Man merkt, es wird eng in den Nachrichten, das ist kein gutes Zeichen.
Wenn es der brisanten Rubriken gar zu viele werden – es steht wohl zu befürchten – wird die Nachrichtenlage vielleicht auch bald schon in der allesumfassenden Rubrik „Weltkrieg“ zusammenlaufen.


* https://kurier.at/

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.