Eintrittsgeld in Venedig

Bewegungsfreiheit Als erste Stadt der Welt verlangt Venedig nun Eintrittsgelder. Damit verschwindet der Zutritt in einen öffentlichen Raum hinter Bezahlschranke. Dem angehängten Überwachungssystem können sich schließlich auch die Bewohner nicht entziehen.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Aus aktuellen Artikeln zum Thema (Links siehe unten):

„…Die Sonderabgabe von fünf Euro müssen alle Besucherinnen und Besucher zahlen, die zwischen 8.30 Uhr und 16.00 Uhr in die Lagunenstadt wollen. Dafür müssen sie im Vorfeld im Internet einen QR-Code erwerben, der an den wichtigsten Zugangspunkten zur Stadt kontrolliert wird.
(…)
Zudem müssen sie sich auf der von der Gemeinde eingerichteten mehrsprachigen Website ihre Eintrittskarte besorgen, die fünf Euro kostet.
Gezahlt wird mit Kreditkarte oder Paypal.
(…)
‚Es handelt sich um ein Experiment, das erste weltweit‘, sagte der Bürgermeister von Venedig.
Er verteidigte hartnäckig die umstrittene Maßnahme und versprach ‚sehr sanfte Kontrollen‘, die eher stichprobenartig ausfallen und auf keinen Fall zu Warteschlangen führen sollen.
Es werden mehrere Tore – keine Drehkreuze – aufgestellt, die es ermöglichen, den Großteil der Touristen abzufangen.
(…)
‚Ich kann Ihnen sagen, dass fast die gesamte Stadt dagegen ist‘, erklärte der Leiter einer Aktivistengruppe gegenüber dem ‚Guardian‘. ‚Man kann keine Eintrittsgebühr für eine Stadt erheben. So verwandelt sie sich nur in einen Themenpark.‘
(…)
Kritisch zeigte sich auch der Ex-Bürgermeister von Venedig. Er rief die Touristen zum Ungehorsam auf, sie sollten die Eintrittskarte nicht bezahlen, denn diese sei seiner Ansicht nach verfassungswidrig. ‚Es ist reiner Wahnsinn, diese Maßnahmen ist völlig unrechtmäßig und verfassungswidrig. In keiner Stadt der Welt zahlt man Eintritt‘, kritisierte er…“


Eintrittsgeld in Venedig:

Schon wieder so eine kopflose Politik, die die grundsätzlichen Fragen ignoriert.
Was bedeutet es, wenn eine Stadt Eintrittsgelder verlangt?
Es bedeutet: Der bloße Aufenthalt in einem öffentlichen Raum steht fortan unter Vorbehalt und kann strafbar, kriminalisiert werden.
Permanent muss man nachweisen, dass man im Vorfeld Rechte erworben hat, welche einen Aufenthalt erst legitimieren.
Auch als Bewohner muss man jederzeit mit Kontrollen, Nachfragen rechnen.
Das stelle ich mir höchst unangenehm, unpraktisch vor.
Wenn ich in (m)einer Stadt vor die Tür trete, möchte ich nicht ständig Berechtigungsnachweise bei mir führen.
Prinzipiell ist mir der Gedanke ein Gräuel, mich täglich vor Kontrollpunkten und Checkpoints wiederzufinden, die mir den Weg versperren, vor denen ich mich erst freibeweisen muss.

Es bedeutet schließlich einmal mehr das Ende einer Freiheit.
Es bedeutet auch Überwachung, wenn man sich mit personalisierten QR-Codes durch eine Stadt navigieren und sich zudem im Vorfeld online anmelden, bezahlen muss.
Gezahlt werden kann auch nur mit Kreditkarte oder über einen Online-Bezahldienst – eine weitere Ansage in Richtung Zukunft, in der Bargeld nur noch bedingten Nutzen haben soll.

Aber das kennt man ja aus dieser C-Zeit, wo man das QR-Code-basierte Aussperr-Regime gut eingeübt hat.
Wie zu erwarten war, kommt nun diese Unart mit anderen fadenscheinigen Begründungen wieder.
So auch in Paris, wo es im Zuge von Olympia ebenfalls abgeriegelte Stadtteile geben soll, welche nur noch mit aktiviertem Zutrittscode betretbar sind.
Hier aus Sicherheitsgründen, dort unter dem Schlagwort des „Overtourismus“ - und sicherlich lassen sich noch viele weitere Vorwände finden, um ein Zutrittsregime einzusetzen.

Einmal mehr lässt man Testballons steigen, schafft Blaupausen für diverse andere Örtlichkeiten dieser Welt.
Alles das ohne Maß und Ziel.
Besonders was das Ziel sein soll, bleibt unklar.
Geld ist es angeblich nicht.
„Die Aktion kostet mehr als wir einnehmen“, beteuert der Bürgermeister.
Nachdem die Anzahl der Tagestickets (vorerst) nicht begrenzt ist, werden sich wohl auch die Touristenmassen durch das (vorerst geringe) Eintrittsgeld nicht eindämmen lassen.

So ist die Maßnahme mal wieder: kopflos, unangemessen, noch nicht mal zielführend und macht die Welt prinzipiell unfreier, kapitalistischer auch.
Eintritt in den öffentlichen Raum zu verlangen, das ist wohl wahrlich die Schnappatmung eines kranken Kapitalismus.

Quellen:

https://www.orf.at/#/stories/3355346/

https://orf.at/stories/3355521/

https://www.derstandard.at/story/3000000217420/das-muss-man-zum-tagesticket-fuer-venedig-wissen

https://norberthaering.de/macht-kontrolle/olympia-qr-code/

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.