Apokalyptisch, entsetzlich, Vollkatastrophe – oder doch nur halb so wild?

Israel, Gaza Kleine Berichte-Sammlung zur Lage in Gaza. Für alle, die es sehen wollen.

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Ihre Freitag-Redaktion

„Lage in Gaza apokalyptisch":

„…Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat die Situation im Gazastreifen als apokalyptisch bezeichnet.
Die Zerstörung von Gebäuden durch die israelischen Angriffe entspreche der in deutschen Städten im Zweiten Weltkrieg oder sei sogar noch größer, sagte der Spanier am Montagabend nach einem EU-Außenministertreffen in Brüssel.
60 bis 70 Prozent der getöteten Menschen seien Zivilisten.
Die Zahl ziviler Opfer sei unglaublich, kritisierte er…“

https://www.n-tv.de/der_tag/EU-Vertreter-nennt-Lage-in-Gaza-apokalyptisch-article24593630.html


„Entsetzliche Zustände in Krankenhäusern in Gaza“:

„…Fast drei Monate nach Beginn des Kriegs in Nahost verschärft sich die humanitäre Lage in Gaza weiter.
Nun berichten zwei ausländische Hilfsorganisationen von überfüllten Krankenhäusern, unterernährten Patienten und verwundeten Kindern.
>Die Szenen in Gaza sind erschütternd<, erklärte die private Organisation International Rescue Committee (IRC).

>Wir sehen Verletzungen, die überwiegend durch Explosionen und Splitter verursacht wurden<, sagte der Arzt Nick Maynard. >Viele Erwachsene, Kinder und Babys werden mit traumatischen Amputationen von Armen und Beinen eingeliefert. Wir haben kleine Kinder mit den furchtbarsten Verbrennungen im Gesicht gesehen<, so Maynard weiter. >Jeder Quadratzentimeter des Krankenhauses - die Flure, die Treppenhäuser, die Empfangsbereiche, die Stationen - ist mit Menschen bedeckt, die auf dem Boden liegen.<

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) teilte kurz nach Weihnachten mit, es seien nur noch 13 der ursprünglich 36 Krankenhäuser teilweise funktionsfähig. Sie seien völlig überbelegt und es fehle ihnen an Treibstoff, Medikamenten, Narkosemitteln, Lebensmitteln und Trinkwasser…“

https://www.spiegel.de/ausland/gazastreifen-aerzte-berichten-von-entsetzlichen-zustaenden-in-krankenhaeusern-a-1fcb1073-45c8-48af-a2ea-dddd68d14c93


„Die Lage in Gaza ist eine Vollkatastrophe“

„...Sie hungern.
Nach Ende der Feuerpause gab es ja den israelischen Befehl zur Zwangsumsiedlung an die ägyptische Grenze. Dort in Rafah sind 16 000, teils 18 000 Menschen pro Quadratkilometer zusammengepfercht.
(…)
Infolge von Nahrungsmittelknappheit geschwächte Menschen treffen auf Bedingungen grassierender Infektionskrankheiten bei zu wenig Trinkwasser oder gar kontaminiertem Wasser.
Hinzu kommen die Winterregen. Wenn sich da mehrere Hundert eine Toilette teilen müssen, weichen die Leute aufs freie Feld aus. Man kann sich ausmalen, was bei Überschwemmungen passiert, kombiniert mit nicht geborgenen Leichen.
Die Lage ist eine Vollkatastrophe.
Ich glaube, viele machen sich in Deutschland, auch in der Politik, nicht bewusst, dass dies kein Krieg ist, wie man ihn zuvor in Gaza erlebt hat.
(…)
Laut UN-Generalsekretär Antonio Guterres leben vier von fünf der am stärksten von Hunger betroffenen Menschen derzeit in Gaza…“

https://www.fr.de/politik/medico-gaza-krieg-israel-lage-katastrophe-hamas-waffen-interview-othman-92753827.html


„Apokalyptisch“, „entsetzlich“ oder „Vollkatastrophe“:
Diese Worte braucht es ganz offensichtlich, um die Lage im Gaza-Streifen zu beschreiben.
Allemal.
Wie sonst sollte es auch sein, wenn man einen kleinen Landstreifen wochenlang mit schwersten Bomben überzieht, bis kaum noch was stehen bleibt?
So viele Bomben! So viel Leid. Verbrannte Erde.
Um genau zu sein:

„Laut der US-Geheimdienstbehörde US Office of the Director of National Intelligence (ODNI), hat Israels Armee allein bis Mitte Dezember 29.000 Bomben auf das abgeriegelte Küstengebiet abgeworfen, das kaum größer ist als München. Laut dem ODNI-Bericht, aus dem das "Wall Street Journal" zitiert, sind nahezu 70 Prozent der 439.000 Häuser und Wohnungen im Gazastreifen beschädigt oder zerstört.“

https://www.n-tv.de/politik/US-Geheimdienst-zieht-Bilanz-der-Zerstoerung-in-Gaza-article24630789.html

Und:

„…Als Folge der israelischen Kriegsführung der vergangenen zehn Wochen ist die humanitäre Situation der mehr als zwei Millionen Menschen im Gazastreifen dramatisch.
Eine aktuelle Uno-Studie kommt zu dem Schluss, dass in dem abgeriegelten Küstenstreifen 577.000 Menschen in die schwerwiegendste Kategorie des Hungers fallen.
Im gesamten Rest der Welt zusammen gibt es dagegen gegenwärtig 129.000 Menschen, die ähnlich bedroht seien.
Fast alle Menschen im Gazastreifen leiden unter Hunger oder Vertreibung…“

https://www.spiegel.de/ausland/krieg-in-nahost-generalsekretaer-guterres-gedenkt-getoeteter-uno-mitarbeiter-in-gaza-a-376b12a6-4105-47a3-8c2f-c102ec6222e5

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Alles das liest und hört man und hat schrecklichste Bilder im Kopf.
- ABER:
„Alles halb so wild“, sagt indes die israelische Armee.

„Hinreichend Nahrungsmittel im Gazastreifen“ - das wird von dieser Stelle tatsächlich behauptet.
Zu lesen dieser Tage in den Nachrichten.
Das liest sich dann so:

„…Während Hilfsorganisationen im Gazastreifen von einer drohenden Hungersnot sprechen, stellt Israels Armee die Situation anders dar.
>Nach unserer Einschätzung, die auf unseren Gesprächen mit den UNO- und anderen humanitären Organisationen beruht, gibt es im Gazastreifen hinlänglich Nahrungsmittel<, sagte Elad Goren von der zuständigen COGAT-Behörde gestern…“

Zu lesen etwa hier:

https://orf.at/stories/3344883/

Oder hier:

https://www.stern.de/politik/ausland/gaza-krieg--israels-armee--hinreichend-nahrungsmittel-im-gazastreifen--34341898.html

Hier ebenfalls (ziemlich wortgleich):

https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/gaza-krieg-israels-armee-hinreichend-nahrungsmittel-im-gazastreifen-id68993561.html


Nun, das kann man jetzt glauben - oder nicht.
Allerdings, falls er wirklich mit der UNO geredet haben sollte, hat der zuständige COGAT-Mann vermutlich nicht richtig zugehört.
Von ebenda war nämlich noch am exakt gleichen Tag auffallend Gegensätzliches zu vernehmen.
Das liest man in den dreifach verlinkten, weitgehend wortgleichen Artikeln jeweils im Mittelteil:

„Der Chef des UNO-Nothilfebüros OCHA, Martin Griffiths, hatte am selben Tag die Situation in Gaza als immer dramatischer beschrieben.
>Gaza ist zu einem Ort des Todes und der Verzweiflung geworden<, sagte er.“

Richtig gehört:
„Ort des Todes“ - hat er gesagt.
Nach monatelangem Bombenhagel (29.000!) auf den abgeriegelten, dürren, dünnen Landstrich; nach den Bildern, Berichten und mit einigermaßen Geisteskraft im Kopf zu urteilen, ist das vermutlich ein ziemlich treffendes Bild.
Man muss es nur sehen wollen.

Der ORF-Artikel endet dann noch auf die Meldung (fehlt beim „Stern“ und bei der „Augsburger Allgemeinen“):

„Israel setzt Angriffe fort“:

„Unterdessen setzte Israel seine Angriffe auf Ziele im Gazastreifen fort.
Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP berichteten von israelischen Angriffen auf die Stadt Rafah in den frühen Morgenstunden. In der Stadt haben Hunderttausende Menschen Zuflucht vor den Kämpfen zwischen Israel und der islamistischen Hamas gesucht.
Israels Armeesprecher Daniel Hagari sagte, die Truppen würden weiterhin ‚in allen Teilen des Gazastreifens kämpfen, im Norden, Zentrum und Süden‘...“

Will heißen:
Die entsetzliche, apokalyptische, dramatische Vollkatastrophe geht weiter.
Der Ort des Todes verzweifelt immer mehr, verfällt und versinkt im Elend, im Blutrausch.
Will man nur nicht sehen.

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