Wie ich ohne jedes Zutun islamistischer Terrorist wurde

Pazifismus, Humanismus ade! Corona, Ukraine, Gaza: Die Zeiten ändern sich nicht zu meinen Gunsten.

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Als ich während eines Ausnahmezustands von Grundrechten, Freiheiten und gesellschaftlichen Belangen sprechen wollte und mich von daher nicht einverstanden zeigte mit der gelebten Politik, nannte man mich auf einmal (ich war ganz baff):
Schwurbler, Wirrkopf, Muffel, Zauderer, Verschwörer, Verlierer, Schmarotzer, Parasit, Schädling, Egoist, Staatsfeind, „Geiselnehmer der Redlichen“ Gefährder, Idiot, ungebildet, asozial, dumm… – und hintennach natürlich: „Nazi“.

Als ich während des Ukraine-Krieges nach den Konfliktursachen fragen und nicht daran glauben wollte, man könne mit Waffenlieferungen einen Frieden herbeibomben, nannte man mich (da war ich schon nicht mehr sonderlich überrascht):
Gefährder, Staatsfeind, Idiot, Schwurbler, ungebildet, asozial, dumm, Lumpenpazifist, „gefallener Engel direkt aus der Hölle“, Feind-Versteher, Demokratiefeind, feindlicher Agent, bezahlter Troll-Schreiber… - und „Nazi!“, was sonst.

Und jetzt, da ich nach der Eskalation in Nahost eine Brutalität und ein Unrecht benennen will, beschimpft man mich einmal mehr wie gehabt.
Allerdings ist „Nazi“ & Co offenbar nicht mehr genug für die Beschimpfer.
An dieser Stelle überrascht mich höchstens, dass sie überhaupt noch eine Steigerung finden, um mich neu beschimpfen zu können.

Jetzt also gelte ich schon direkt als TERRORIST, und zwar als einer von der ganz üblen Sorte.
Wer in diesem Konflikt auch die andere Seite - die der Palästinenser - sehen will, wird augenblicklich mit diesen Hamas-Kämpfern und Terroristen, welche am 07. 10. 2023 ein verbrecherisches Unheil angerichtet hatten, in einen Topf geworfen.
Die Logik geht so:
Palästinenser = Terrorist
Palästinenser-Versteher = Terroristen-Versteher = Terroristen-Freund = selber Terrorist.
Das geht ganz schnell in diesen Tagen.

Da stehe ich nun, als Gefährder, Nazi, Terrorist, extremistisch, islamistisch, barbarisch und blutrünstig…
Wie das so geht.
Dabei habe ja doch nichts anderes getan als eigentlich schon immer:
Die Augen und das Herz offenhalten,
Unrecht spüren,
Zweifel vor Glauben setzen,
Pazifismus und Humanismus vertreten.
Im Grunde gar nichts habe ich getan oder anders getan.
Keinen Millimeter habe ich mich von meinen Überzeugungen und Idealen wegbewegt: Genau das ist mein Verhängnis, mein „Verbrechen“.
Es sagt so viel mehr über die Welt aus und über jene, die mich ausschimpfen als es je über meiner eins aussagen könnte.

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