Diese komischen Deutschen

Bündnis-Krise Mehr Geld für umstrittene Kriegseinsätze? Deutschland ziert sich und gefährdet den Blutdruck des US-Botschafters.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Kolumne – Es reicht Richard Grenell. Die deutsche Republik geht ihm auf die Nerven mit ihrem ewigen „Nein“ zu umstrittenen bis völkerrechtswidrigen Kriegseinsätzen auf der ganzen Welt. Der US-Gesandte zu Berlin machte seinem Frust endlich Luft. Wenn Deutschland nicht will, so wollen eben die US-Amerikaner auch nicht mehr und werden vielleicht ihre Soldaten abziehen, drohte er: „Es ist wirklich beleidigend zu erwarten, dass der US-Steuerzahler weiter mehr als 50 000 Amerikaner in Deutschland bezahlt, aber die Deutschen ihren Handelsüberschuss für heimische Zwecke verwenden.“ Starker Tobak! – dennoch mehr heiße Luft als harte Fakten, denn: „die Bundesregierung lässt sich die US-Präsenz einiges kosten. Seit Jahrzehnten räumt sie der US-Armee viele Vorteile wie Steuerfreiheit für zivile Mitarbeiter ein. Zudem musste Washington die Grundstücke für die riesigen Lager oder die Wohngebäude für tausende Soldaten nicht kaufen, sondern bekam sie geschenkt. Insider schätzen die Kosten, für die Deutschland jedes Jahr für die Stationierung des engen Partners aufzukommen hat, auf mindestens 600 Millionen Euro“, wie der Spiegel berichtet.

USA vor NATO und EU

Es ist aber auch merkwürdig, dass die deutsche Regierung sich bislang weigert, die Marine in die Straße von Hormus mit Kriegsschiffen einlaufen zu lassen – Seite an Seite mit den Nordamerikanern und Briten. Bloß wegen der Zögerung der restlichen Nato- und gleichzeitig EU-Mitglieder, wartet der deutsche Staat ab. Nun, man muss die Situation aus Grenells Sicht betrachten, um gerecht urteilen zu können: Deutschland ist Nato-Mitglied, solle daher bedenkenlos auf den Bündnisruf der Führungsmacht USA hören. Aber zusätzlich EU-Mitglied sein und auf deren Verhalten in militärischen Angelegenheiten pochen? Das geht zu weit – und sei doch gar nicht nötig. Die USA wisse schon, was gut für das Militär-Bündnis ist. Widerspruch ist also nicht unerwünscht, sondern überflüssig.

Schon Gerhard Schröders Weigerung gegen George W. Bush junior war für viele Konservative in den USA seinerzeit ein Affront höchster Güte. Damals teilte ihm der sozialdemokratische Kanzler höflich, aber bestimmt, mit – noch dazu öffentlich im Fernsehen – dass die Bundesrepublik nicht in den Irak einmarschieren werde. Ein Uno-Mandat fehlte den USA für diesen Angriff ebenso, wie Schröder die Skrupellosigkeit und Unterwürfigkeit sich an etwas zu beteiligen, was später im Volksmund oft als ‚Sauerei‘ bezeichnet wurde. Woran es dem deutschen Regierungschef jedoch hinterher nicht mangelte, war die Zustimmung und Freude vieler Deutscher wegen dieser Entscheidung. Deutsche Soldaten in den Irak schicken, für eine Sache, die in allen Medien und unter Experten höchst umstritten diskutiert wird, und die eigene Nation politisch höchstens indirekt berührt? Das schmeckte wohl vielen Bundesbürgern nicht. Schon komische Leute, diese Deutschen.

Muster-Standort Polen

Grenell ist mit seinem Wutausbruch aber noch nicht zu Ende. Die Deutschen würden zu wenig zahlen, um von den Amerikanern, als freundschaftliche Geste, rund 34 000 US-Soldaten zu ihrem Schutz zu erhalten. Kürzlich noch zum ‚Un-Diplomaten‘ durch das Magazin Politico ernannt, machte Grenell dank seiner Aussagen rasant Karriere. Carsten Schneider, SPD-Franktionsvorsitzender, erhob ihn mit seiner Antwort auf Grenells Drohungen – die „Feldherrenpose“ nutze sich ab – gar in den höchsten Kreis eines Generalsstabs. Aber auch Grenells Boss, der mächtigste Reality-TV-Star der Welt und nebenberufliche Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, dreht der deutschen Nation den Rücken zu. Die US-Soldaten würden fortgehen, falls Deutschland sich nicht endlich wie ein anständiger Verbündeter verhielte und zwei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes in die Wehrkraft stecke.

Die Polen tun dies, verweisen Gesandter und Präsident auf das östlicher gelegene Land voller Freude. Sie wären außerdem sehr gute Freunde der USA, böten an, auf eigene Kosten einen Stützpunkt für die Amerikaner zu bauen, und seien daher ein guter Standort in Europa. Dorthin, so die Drohung im Kern, könnten die in Deutschland stationierten US-Soldaten bald verschwinden. Ob der US-Regierung entgangen ist, dass Polen die zwei Prozent des BIP gut an anderen Stellen gebrauchen könnte, aufgrund hoher Armut und Abwanderung von Arbeitskräften ins Ausland – zum Beispiel nach Deutschland, welch Zufall – konnte bislang nicht ermittelt werden.

Im großen Bogen außen rum

Bei Drucklegung dieser Kolumne scheint in der ‚Neuen Welt‘ sogar die Tatsache untergangen zu sein, dass Polen seit Jahren einen enormen inneren Streit austrägt – zwischen autoritär und nationalistisch gesinnten Rechtsradikalen, zu denen die Regierung in Teilen gehört, sowie liberalen und demokratischen Staatsbürgern, die sich zur Europäischen Union bekennen. Wirklich! Ein wesentlich besserer Standort und Verbündeter in Europa, als diese widerspenstigen Deutschen. So sieht das wohl auch der US-Präsident, denn seit Amtsantritt unternahm Trump keinen offiziellen Besuch der Bundesrepublik. Er war lediglich 2017 zum skandal-umwitterten G20-Gipfel in Hamburg und besuchte 2018 die US-Luftwaffe in Ramstein.

Abgesehen davon machte er um Deutschland einen großen Bogen. Sogar den Bundespräsidenten, Frank-Walter Steinmeier, traf er lediglich im Ausland. Am ersten September gedachten die beiden in Warschau des Überfalls der nationalsozialistischen Reichsregierung auf das Nachbarland Polen zum 80. Jahrestag. Die Bundesrepublik aber ließ der US-Präsident auch auf diesem Flug aus. Er kündigte zwar an, „sehr bald“ einen bilateralen Besuch abzustatten – wann das geschehen solle, ließ er allerdings offen. Womöglich denkt auch er sich: Komische Leute, diese Deutschen. Nun, Trump müsste es wissen. Sein Großvater Friedrich war nämlich einer.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden