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Russland Parallelen und Unterschiede zu 1938

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Wer ein wenig geschichtlich bewandert ist und wertfrei denken kann, wird sicherlich die Parallelen sehen, die der heutige Ukraine-Konflikt mit dem um die Tschechoslowakei 1938 aufweist.

Wir haben auf der einen Seite einen Staat, der einen Krieg (wenn auch einen "kalten") verloren hat, aber nicht unterworfen wurde, und der sich nun durch die Nachkriegsbedingungen verarscht, gegängelt, umzingelt fühlt. Wobei diesem Gefühl durchaus gewisse Grade an Realität entsprechen, wenn auch nicht 100 pro.

Auf der anderen Seite haben wir siegreiche Alliierte, die in ihrer Hybris das Gefühl haben, nicht nur gewonnen, sondern dadurch einer universellen Gerechtigkeit zu Sieg verholfen zu haben.

Zwischen beiden steht ein Staat, der im Bewusstsein seiner Bewohner keine Nation ist - in dem Sinne, dass alle Bewohner sich als Mitglieder dieser Nation begreifen würden. Dass das jenseits von völkischer oder konfessioneller Herkunft durchaus möglich wäre, zeigen Beispiele wie die Schweiz - aber in der Ukraine ist es nun mal nicht so.
Und der Zustand dieses scheiternden Staats wird nun Kristallisationspunkt des Konflikts zwischen dem passiv-aggressiven Kriegsverlierer und den überheblichen siegreichen Alliierten.

Auch wenn man es abgeschmackt finden kann, heute Putin mit Hitler zu vergleichen, so ist das doch mit Blick auf das Jahr 1938 zumindest insofern richtig, als die Konstellation auf der Ebene der beteiligten Staaten sehr ähnlich ist.
Dass die Ebene der beteiligten Personen eine andere ist, spielt da erst mal keine so große Rolle (Putin und Konsorten als "obengebliebener" Teil der Ex-Sowjet-Elite sind jedenfalls in keiner Weise vergleichbar mit den verkrachten Existenzen um Hitler, die auf dem Feld der Politik in pathologischer Weise ihre soziale Unterlegenheit zu kompensieren versuchten).
In jedem Fall sollte man nicht zu sehr personalisieren, denn der Einfluss einzelner Personen wird nur in extremen Ausnahmesituationen relevant; bleiben wir daher lieber auf der Ebene der Staaten.

Russland / die Sowjetunion hat 1989 aus wirtschaftlichen Gründen gezwungenermaßen den Kampf aufgegeben, genau wie das Deutsche Reich 1918.
Es hat in der Folge sein gesellschaftliches System aufgegeben - aber nur bedingt vergleichbar, weil die Besitzverhältnisse in Russland sich ab 1989 radikal änderten, was in Deutschland 1918 beileibe nicht der Fall war (nur ein Teil der Elite wurde ausgetauscht; durch die Inflationskrise etwas später noch etwas stärker, aber ohne dass dahinter ein Wille stand).

Ist nun das, was die heutige russische Regierung macht, vergleichbar mit Hitlers Politik gegenüber der Tschechoslowakei?
Ist das, was die heutige deutsche Regierung macht, vergleichbar mit dem Appeasement der britischen Regierung Chamberlain gegenüber der deutschen Hitler-Regierung?
Folgt man einer Allianz von Bild-Zeitung bis zu den Grünen, ist das so. Folgt man Autoren wie unserem Lutz Herden, ist das Blödsinn.

Meine Fragen an Euch, liebe MitleserInnen, sind nun:
- Wie weit trägt der Vergleich?
- Gäbe es aus 1938 etwas zu lernen? Bzw. ist noch genug Zeit, daraus etwas zu lernen?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lt. Commander Geordi LaForge

If it works the way I think it will, once the invasive program starts spreading, it'll only be months before the Borg suffer total systems failure.

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