Auch wenn wir seit der ersten Folge dieser Kolumne wissen, dass die Wissenschaft keinen direkten Zusammenhang zwischen Gemüt und den Launen des Wetters sieht: An die Wetterfee werden im Vertrauen immer wieder ganz eigene Theorien übers Wetter herangetragen. Auch die Wetterfee wähnt sich in steter psychologischer Kriegsführung mit dem Wetter und freut sich deshalb über Theorien, die von den meteorologischen abweichen.
Denn mit einer Theorie, vor allem einer selbst ausgebrüteten, hat man selbst bei schwieriger Witterung jederzeit eine Erklärung zur Hand. Eine gute Taktik, um sich selber nicht als Opfer zu sehen, das passiv den Launen der Natur ausgesetzt ist. Eine Taktik, die außerdem das Wetter zu einem verlässlichen Gesprächsthema macht: Niemand kann mit Sicherheit sagen, warum die Wolken gerade jetzt aufziehen, aber jeder kennt eine Theorie.
Wann ist der Frühling nun endlich da? Die Sachlage stimmt misstrauisch. Zwar legt die Meteorologie den Frühlingsbeginn auf den 1. März fest. Das ist allerdings der Statistik geschuldet, die Monate braucht, um verlässliche Zahlen vorzulegen. Differenzierter sind die Phänologen, bei ihnen beginnt der Vorfrühling, sobald Schneeglöckchen sprießen und die ersten Vögel aus dem wärmeren Süden zurückkehren. Der Bauern würde etwas platter sagen: "Hüpfen Eichhörnchen und Finken, siehst Du schon den Frühling winken." Vogelgezwitscher ja, schüchterne Schneeglöckchen auch, sogar ein Eichhörnchen gesehen – aber Frühling? Der fühlt sich anders an.
Wie fühlt sich der Frühling an?
Wie sich Frühling anfühlt, das weiß die Werbung. Sie begrüßt den Lenz gerne schon im Februar. Schließlich soll er ja auch etwas verkaufen. Siehe die Partnerbörsen, die Frühlingsgefühle garantieren, die Apotheken, die immer rechtzeitig gegen die Frühlingsmüdigkeit allerhand Vitamine ins Schaufenster stellen. Oder die Mode, die in jedem Jahr aufs Neue verspricht: Der Frühling wird bunt! Aha – überraschend sind jeweils höchstens die Nuancen (in dieser Saison kräftige Pastellfarben, was noch nicht einmal ein Widerspruch ist). Noch ist die luftige Garderobe nicht ganz mit der Witterung kompatibel, verheißt aber, dass sich Vorbereitungen für den Frühling lohnen.
Das bestätigt immerhin auch die Astronomie, der kalendarische Frühling beginnt nächste Woche am 20. März exakt um 6.14 Uhr und kommt unserem Empfinden schon näher, ganz egal, ob es regnet oder die Sonne scheint. Dann ist die sogenannte Tag- und Nachtgleiche: Tag und Nacht sind gleich lang. Und am 21. März geht am Nordpol die Sonne auf, um für ein halbes Jahr zu scheinen. Endlich Sonnenaufgang also für all jene, die den Winter nicht mögen.
Trotzdem: Die plausibelste Theorie zum Frühling kommt aus privater Hand. Wenngleich niederschmetternd und unvermittelt von Bürokollegin B. Sie begreift sich diese Tage im Endspurt eines langwierigen Marathonlaufs, den andere schlicht Winter nennen würden. Das Ziel, der Frühling, bereits vor Augen, aber noch im Winter dürfen wir uns jetzt bloß nicht von den ersten Sonnenstrahlen und Plusgraden blenden lassen. Wohl verführt der Frühling mit hellem Licht, der Winter aber ist nach Sonnenuntergang mit seinen tiefen Temperaturen sofort wieder zur Stelle. "Überhaupt: Der Frühling ist ja nie vor Ende April da", wettert B resolut, „ob im Norden oder Süden“. Sie verweist auf die Rückfälle mit Schneefall, die sich das Wetter bis in den April hinein leistet. Der März, eine Bewährungsprobe also, der unser Frühlingserwachen dimmt? Die Wetterfee meint dazu: Der Frühling ist da, wenn man auch ohne Kniesocken nicht mehr friert.
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