Nun, da wir auch die Schafskälte überstanden haben und uns die kürzeste Nacht des Jahres erwartet, steht dem Sommer eigentlich nichts mehr im Wege.
Es ist also an der Zeit, sich auf die Gewitter zu freuen, die zu einem richtigen Sommer gehören wie das Wasser zur See. Jährlich gibt es 20 bis 40 Chancen, hierzulande ein solches Gewitter zu erleben, im Süden Deutschlands öfter als im Norden.
Das krachende Wetter steht für „heiß trifft auf kalt“ – die Meteorologen sprechen von elektrischen Entladungen, der Wetterbericht von „nachmittags örtlich Schauer oder Gewitter“. Gemeint sind Blitz und Donner, die an einem heißen Morgen noch unvorstellbar sind, gegen Mittag wünschenswert und die dann am Nachmittag urplötzlich über uns hereinbrechen.
Wohl treten sie auch im Winter auf, gehören aber in unserer Wahrnehmung eher zum Sommer, und sind häufig begleitet von Regen, Graupel, Hagel oder heftigen Böen. Auch der Laie spürt schon im Vorfeld, dass sich ein Gewitter zusammenbraut: Meistens dann, wenn man den Regenschutz vergessen hat, sich der Himmel in unglaublich dunkle Grautöne verfärbt und böiger Wind aufzieht.
Gewitter lassen niemanden kalt. Sie sind eine zwiespältige Sache, von den einen geliebt, von den anderen gefürchtet. Vermutlich, weil etwas Extremes am Himmel passiert und man sich auf den kathartischen Effekt freut, wenn sich endlich der Himmel entlädt, nachdem man den Tag durchgeschwitzt hat. Jene, die Gewitter lieben, erinnern sich an die mythischen Momente ihrer Kindheit – an die Wolkentürme über den Wellen, die sich aufspielten, als käme gleich die Sintflut, an das Wetterleuchten in den Bergen und die Sturzbäche danach, an das Aufräumen nach dem schweren Wetter. Daran, wie man sich als kleines Kind mit dem Hund unter dem Bett versteckt und ehrfürchtig den Regeln gelauscht hat, die man sich nicht hat merken können: Nie unter einem Baum auf freiem Feld stehen bleiben – oder gerade doch?
Die Wut des Zeus
Später triumphierte, wer den Jüngeren die Entfernung eines Gewitters anhand des SekundenAbstands zwischen Blitz und Donner zu berechnen wusste. Und sich als Mensch zum ersten Mal der Natur überlegen fühlte: weil sie mathematisch erklärbar war. Als Teenie im Zelt dann, als man nicht so recht wusste, ob man vor Blitzschlag da drin unter dünnem Nylon tatsächlich sicher ist, musste man so tun, als sei man halbwegs erwachsen und fürchte sich keineswegs. Und schließlich kam der Moment, in dem einem Blitz und Donner plötzlich keine Angst mehr machten.
Jene, die sie noch immer fürchten, argwöhnen das Unvorhergesehene eines Gewitters, wie es – buchstäblich aus heiterem Himmel – über uns hereinbricht. Dass man nie genau weiß, wann der Donner auf den Blitz folgt; dass die Wut des Zeus unberechenbar ist, wie er nach Hesiod in der Theogonie „donnergebietend im Himmel thront und flammende Blitze sendet“ (Vers 71 – 73). Gewitter sind nicht nur eine Unterbrechung des alltäglichen Turnus, sie führen uns auch das Unkontrollierbare gewisser Phänomene vor Augen. Welche Berechtigung hat denn noch ein Tod durch Blitzschlag in einer Welt, in der an jeder Ecke ein Auto steht, in das man sich zurückziehen kann?
Da mutete es geradezu skurril an, als Nordkoreas Trainer der Frauen-Fußball-Nationalmannschaft vor einem Jahr erklärt hat, seine Equipe sei auf dem Fußballplatz in Pjöngjang vom Blitz getroffen worden. Deswegen seien die Torhüterin, vier Angreiferinnen und ein paar Mittelfeldspielerinnen nicht in bester Form gewesen.
Möge Zeus doch mit den Teams dieser EM gnädig sein.
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