9/11 Jahrestag : Deutschland in Gefahr?

Alarmstufe Rot Elf Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 steht Deutschland im Visier des islamistischen Terrorismus.Sagt das ZDF.

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Rechtzeitig zum 11. Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 fragt das ZDF zur besten Sendezeit: Deutschland in Gefahr? "Elf Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 steht Deutschland im Visier des islamistischen Terrorismus." Anhand eines exklusiven Videos des Berliner Rappers Deso Dogg (Denis Cuspert) wird, unterlegt mit dramatischer Musik, das Bedrohungsszenario für Deutschland skizziert, das nicht nur Otto Normalverbraucher, sondern "möglicherweise" auch Prominente wie den Komiker Ingo Appelt und ZDF-Moderator Markus Lanz in Gefahr bringen könnte, wie ein mit Fehlern gespickter Notizzettel belegen soll. Die vom ZDF Terrorexperten Elmar Theveßen produzierte Doku beleuchtet neben der Salafistenszene auch die stetig wachsende Zahl von Organisationen und Personen, die offen Hetze gegen den Islam betreiben. Diese sogenannten Islamhasser ernten zwar eine kritische Würdigung im Film, die Darstellung des Bedrohungspotentials durch muslimische Extremisten überwiegt allerdings. Selbstverständlich blendet die ZDF-Produktion den roten Faden geheimdienstlicher Verwicklungen in geplante und vollzogene Terroranschläge weitestgehend aus.

Wenn Bundeskriminalamts-Präsident Jörg Ziercke etwa "die Strategie der 1000 Nadelstiche" beschreibt, bezieht er sich offensichtlich auf die sogenannte "Operation Blutsturz" (wahlweise „Strategie der 1000 Schnitte“ oder "Strategie der 1000 Wunden"), die von der US-Organisation IntelCenter publik gemacht wurde. SPON über die sogenannten Terror Tracker von Site/IntelCenter: "Ein Teil der Methoden, die bei Site und IntelCenter zum Einsatz kommen, liegt entweder auf der Hand oder ist von Mitarbeitern öffentlich thematisiert worden. Rita Katz von Site etwa spricht offen von "Infiltration", womit gemeint ist, dass sie und ihre Mitarbeiter sich als Cyber-Dschihadisten ausgeben und Qaida-nahe Chatrooms und Diskussionsforen penetrieren.(...) Durch aktive Teilnahme am Geschehen erwerben sie sich Glaubwürdigkeit, was sie in Kontakt mit anderen bringt, die mehr wissen als der Durchschnittsnutzer. In mindestens einem Fall hat ein Site-Mitarbeiter technische Hilfe geleistet, um weiter am Ball bleiben zu können. So jedenfalls der "New Yorker".(...) Schließlich darf man nicht vergessen, dass Site und IntelCenter mit einigen der potentesten Geheimdienste der Welt kooperieren."

In einer Hinsicht überrascht die ZDF-Doku:Ungewöhnlich deutlich klingen manche Off-Kommentare zum sogenannten "War On Terror", dessen Hauptakteur USA und seiner/unserer strategischen Allianz mit Golfstaaten, die den Terrorismus finanzieren: "Die USA verletzen das Völkerrecht, treten die Menschenwürde mit Füßen und rechtfertigen mit juristischen Gutachten sogar Foltermethoden.(...) Bush befahl den Überwachungsstaat, Obama baut ihn aus. (...) Die CIA verfolgt Kontobewegungen in aller Welt. Die National Security Agency sammelt täglich 1.7 Milliarden E-Mails, SMS und Telefonate, auch aus Deutschland. (...) In Syrien helfen (...) Terrorgruppen. Nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste haben sie dafür 20 Millionen Dollar bekommen, direkt von den Geldgebern der Al Qaida in Katar und Saudi-Arabien. Terrorhilfe von Staaten, die selber jede demokratische Opposition unterdrücken. Meist mit Waffen, die von westlichen Staaten geliefert wurden auch von Deutschland. " Thomas de Maiziere erläutert anschließend sein ambivalentes Demokratieverständnis: "Wir wollen keine Waffen in Gegenden exportieren und für Regierungen zur Verfügung stellen, mit denen sie dann ihrerseits Menschenrechtsverletzungen vornehmen. Das ist klar. Aber die Stabilität eines Staates in einer bestimmten Region kann sicherheitspolitisch für uns von großer Bedeutung sein und das gilt für Saudi-Arabien."

Der ehemalige CIA-Verhörexperte Glenn Carle kommentiert das ambivalente Demokratieverständnis der Bush/Cheney Regierung : " Die Praktiken zeigen, dass da in einigen Bereichen keine rechtsstaatliche Regierung am Werk war, sondern nur ein paar Männer die es irgendwie schafften alle Macht an sich zu reißen.Wir waren in vielerlei Hinsicht eine Junta und keine Demokratie."

Im weiteren Verlauf des Films äußern glaubwürdige Experten Zweifel am Erfolg exzessiver Überwachungsmaßnahmen und der Rechtmäßigkeit gezielter Tötungen und "klinischer" Drohnenangriffe. Die Deutschen sind zwar gegen Folter haben aber laut einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen angeblich kein Problem mit dem Drohnenkrieg und seinen zivilen Opfern: "Eine klare Mehrheit der Deutschen befürwortet Drohneneinsätze zum Aufspüren und Töten von Terroristen. Das ergab eine repräsentative Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des ZDF, die in der Dokumentation "Deutschland in Gefahr? - Kampf gegen den Terror" am Dienstag, 4. September 2012, 20.15 Uhr, veröffentlicht wird. Demnach halten 55 Prozent der Befragten solche Angriffe im Kampf gegen den Terrorismus für gerechtfertigt, 39 Prozent lehnen sie ab, 6 Prozent wollten sich nicht entscheiden. Besonders groß ist die Zustimmung bei jungen Menschen unter 24 Jahren (62 Prozent dafür, 36 Prozent dagegen) und unter den Anhängern der FDP (77 Prozent dafür, 20 Prozent dagegen)."

Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere rechtfertigt, laut ZDF-Pressetext, in dem Film "verdeckte Aufklärung, Abhören und gezielte Einsätze" im Kampf gegen Terroristen und weist die oft heftige Kritik am Vorgehen der US-Regierung zurück: "In der Tat gibt es schon eine gewisse Neigung bei uns, uns selbst moralisch zu überhöhen und lieber andere die Arbeit machen zu lassen, weil man sie dann auch leichter kritisieren kann. Diese Zeiten sind vorbei. Ein Zurück jedenfalls in ein Schneckenhaus einer doch nie eintretenden heilen Welt gibt es nicht." Die amerikanische Praxis, Drohnen in aller Welt von Stützpunkten in den USA aus zu steuern, hält de Maiziere, angeblich für falsch: "Da geht es um Tötung, um Kampf, um Verhältnismäßigkeit, um Skrupel, um Schuld, um Fehler, um Erfolge. Und das muss zwischen Soldaten diskutiert und ausgetragen werden und kann nicht irgendwo im stillen Kämmerlein auf einem anderen Kontinent sein." Seine Kritik am Drohnenkrieg der USA wirkt wenig überzeugend da de Maiziere, erst kürzlich für den Einsatz bewaffneter Drohnen geworben hatte ("Ethisch ist eine Waffe stets als neutral zu betrachten"). Auch seine nachfolgene Bemerkung offenbart eine seltsam realitätsfremde Einschätzung des tödlichen Alltags und der hierarchischen Strukturen innerhalb der Kriegsmaschinerie.

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Geschrieben von

Gold Star For Robot Boy

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